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Korruption und Vetternwirtschaft: Luxemburgs Weste ist nicht ganz so weiß, wie angenommen

Korruption und Vetternwirtschaft: Luxemburgs Weste ist nicht ganz so weiß, wie angenommen

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Bei der Generalinspektion der Polizei wurden in der Vergangenheit Posten durch Ämterpatronage besetzt. Mitarbeiter, die in anderen Abteilungen unliebsam geworden waren, wurden dorthin abgeschoben. Das behauptet die «Staatengruppe gegen Korruption» (Greco) in einem Bericht über Luxemburg.

Geht es um Korruption, dann steht Luxemburg gut da. In internationalen Vergleichen schlägt das Großherzogtum regelmäßig die meisten anderen Staaten – selbst viele sogenannte entwickelte Länder. Im gefühlten Korruptions-Index der Organisation Transparency International belegte Luxemburg im letzten Jahr den 8. Platz. Im «Inclusive Growth and Development Report 2017» des World Economic Forum steht Luxemburg bei diesem Punkt sogar auf Platz eins. In einer Eurobarometer-Umfrage von 2013 gaben 42 Prozent der befragten Einwohner Luxemburgs an, sie glaubten, dass Korruption in ihrem Land weit verbreitet ist. Der EU-Durchschnitt lag bei 76 Prozent. Allerdings: Nur 7 Prozent der befragten Einwohner waren der Meinung, sie seien in ihrem Alltag von Korruption betroffen.

Die Polizei zieht sich in besagter Eurobarometer-Umfrage im Übrigen besser aus der Affäre als die Politiker. «Nur» 31 Prozent der Bevölkerung vertraten die Ansicht, dass Korruption bei der Luxemburger Polizei verbreitet sei. Bei den Politikern – egal ob national oder lokal – glaubten dies immerhin 45 Prozent. Bei diesen Statistiken wollte es Greco allerdings nicht belassen. Ein paneuropäisches Team mit erfahrenen Experten besuchte Luxemburg und interviewte im letzten November Premierminister Xavier Bettel, Justizminister Félix Braz, den Generalsekretär des Regierungsrates, den Generaldirektor und die Generalinspektorin der Polizei und die Ombudsfrau. Daneben fanden unter anderem Gespräche mit Mitarbeitern des Staatsministeriums, Polizisten und der Polizeigewerkschaft statt. Nach diesen Unterredungen kam Greco zum Schluss, dass Korruption im kleinen Stil («petty corruption») oder Bestechung in Luxemburg sehr selten sind.

Die Experten kritisieren allerdings, wie Luxemburg mit Phänomenen umgeht, die sie als Korruption im weiteren Sinne deuten. Gemeint sind Dinge wie der Austausch von Leistungen, Günstlingswirtschaft und jemandem einen Gefallen erweisen. Hier sei Luxemburg sehr reaktiv und nicht proaktiv genug. Wenn die Behörden auf diese Dinge aufmerksam würden, dann würden sie zwar das Nötige unternehmen, um die Missstände aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen, allerdings gebe es keine Strategie – «weder allgemein noch sektoriell» –, um spezifische Risiken zu identifizieren, ihnen vorzubeugen oder Lösungen zu finden.

Kein investigativer Journalismus

In Luxemburg gebe es außerdem keine Tradition von investigativem Journalismus, der Missstände aufdecken könnte, berichtet Greco. Erschwerend kommt hinzu, dass Luxemburg noch immer kein Informationsfreiheitsgesetz hat. Dass die Regierung mittels Pressemitteilung etwa bekannt gibt, was im Regierungsrat passiert, sei zwar gut, ersetze aber nicht dieses Gesetz. Ein Informationsfreiheitsgesetz garantiert den Bürgern (und der Presse) die Einsicht in Dokumente der öffentlichen Verwaltung. In Luxemburg ist es mittlerweile zu einer traurigen Tradition geworden, dass der Vertreter des Presserates beim alljährlichen Presse-Neujahrs-Empfang des Premiers ein solches Gesetz fordert.

«Unter den Sektoren, die am empfänglichsten für solche Praktiken sind, wurden der Immobiliensektor, die Finanzen und öffentliche Ausschreibungen genannt. In diesem Kontext ist es ein positives Signal, dass das Kassationsgericht im Januar 2018 einen der Protagonisten in der LuxLeaks-Affäre als Whistleblower anerkannt hat», schreibt Greco weiter.

Im Detail geht Greco auf die Generalinspektion der Polizei (IGP) ein. Diese wurde 1999 gegründet und ist unter anderem verantwortlich dafür, Korruption innerhalb der Polizei zu bekämpfen. Als Präventionsmaßnahme nimmt die IGP an Trainings teil, ermittelt und macht Audits. Die IGP hat bislang aber keine disziplinarischen Befugnisse gegenüber der Polizei. Diese obliegen den Vorgesetzten der Polizisten. Mit einer Gesetzesnovelle (Az.: 7044) soll sich hier aber in Zukunft einiges ändern – auch was die Zusammensetzung der IGP angeht. Derzeit können ehemalige Richter und Ex-Polizisten Direktor der IGP werden. Die Behörden hätten längst erkannt, dass es bei der IPG Probleme gibt, zum Beispiel was die Rekrutierung, den Austausch von Personal zwischen IPG und Polizei und einen Mangel an Ressourcen betrifft. Dass seit 2015 mit Monique Stirn eine ehemalige Richterin den Posten bekleidet, deutet Greco als Maßnahme gegen dieses Problem. Mit der Novelle sollen nur noch erfahrene Richter den Posten erhalten können.

Vetternwirtschaft bei der IGP

Die Mitarbeiter der IGP stellen gerade einmal ein Prozent der Polizeikräfte dar. Greco deutet dies als Mangel an Ressourcen und glaubt, hierin den Grund dafür gefunden zu haben, dass die IGP eher reagiert als proaktiv zu sein. Es gäbe nur sehr wenige Korruptionsfälle, in denen ermittelt wird. Ein lahmender Wachhund also. Wenn die IGP mit der Reform neue Aufgaben erhält, so Greco, müssten die Mittel der IGP erhöht werden.

Die Gesetzesergänzung löse aber nicht alle Mängel bei der Rekrutierung und der Ausbildung. Die Mitarbeiter von Greco hätten bei ihrer Arbeit herausgefunden, dass «in der Vergangenheit einige Posten mittels Ämterpatronage besetzt wurden oder als Mittel, um jemanden loszuwerden, der in der Abteilung, in der er vorher gearbeitet hat, Schwierigkeiten hatte. Die Mitglieder der IGP erhalten keine spezielle Ausbildung in Integrität oder Korruptionsprävention.» Dies sei besonders besorgniserregend, da die IGP nach der Reform dafür verantwortlich sein wird, Polizisten in Sachen ethisches Verhalten auszubilden. Eine nachdrückliche Forderung von Greco ist deshalb, der IGP die nötigen Mittel zu geben und die Möglichkeit, qualifizierte, integere Mitarbeiter zu rekrutieren und diese anständig auszubilden.

Die «Staatengruppe gegen Korruption» ist eine Staatengruppe des Europarats. Sie wurde 1999 gegründet und will die Korruption europaweit bekämpfen. Luxemburg ist seit Beginn Mitglied.