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Jahrtausendealtes Handwerk: Die Kunst des Kalkbrennens in Luxemburg

Jahrtausendealtes Handwerk: Die Kunst des Kalkbrennens in Luxemburg

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Bereits vor mehr als 10.000 Jahren wurde die bis heute unentbehrliche Technik des Kalkbrennens entwickelt. In Greiveldingen verdienten sich im 18. Jahrhundert Dutzende Familien mit diesem mühsamen Handwerk ihren Lebensunterhalt. Anlässlich des 35. «Léiffrawëschdag» werden die «Greiweldenger Leit» diese ausgestorbene Tradition wieder aufleben lassen. Herbert Becker hat mit den Protagonisten des Festes gesprochen.

Mühsam, beschwerlich und zeitaufwendig war das Herstellen von Kalk. Unverzichtbar bis heute als Baumaterial zum Errichten von Mauern oder zum Tünchen von Hausfassaden, gilt der Beruf jedoch heutzutage als ausgestorben, die industrielle Fertigungsmethoden bedeuteten nach und nach das Aus für viele Kleinbetriebe. Begünstigt durch die Gesteinsformationen in der Moselregion verfügte Greiveldingen schon in früheren Zeiten über hochwertiges Kalkgestein. Die dazu naheliegende, ergiebige Waldfläche erfüllte zudem die Voraussetzungen für das Kalkbrennen. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts geht das Kalkbrennen hier nachweislich zurück. Die zuletzt verbliebenen Kalköfen standen im «Hespelsberg», hier waren die Gebrüder Johann und Nicolas Muller als letzte bekannte Kalkbrenner noch bis Ende des 19. Jahrhunderts tätig.

Im Jahr 1763 schlossen die Kalkbrenner aus Greiveldingen, Palzem und Wehr einen Vertrag mit Nicolaus Wellenstein aus Ehnen, Schultheiß des Domkapitulars, und Franz Blocx, Kaufmann aus Remich, über den Verkauf von Kalk und die Lieferung von Holz. Der Kalkverkauf an die Schiffer aus Trier und die Lieferung des Holzes durften nur über diese Herren abgewickelt werden, diese entlohnten auch die Kalkbrenner. Die Arbeit war extrem schwer, in dieser wirtschaftlichen Notzeit jedoch willkommen für den Lebensunterhalt vieler Familien. Zu den bekanntesten Bauwerken im Großherzogtum, die mit Greiveldinger Kalk errichtet wurden, zählt die Schlossbrücke in der Hauptstadt. Die «Greiweldenger Leit asbl», die seit mehr 30 Jahren immer an Maria Himmelfahrt das bekannte Volksfest «Léiffrawëschdag» ausrichtet, hat diese alte Handwerkstradition mit dem Bau zweier Kalköfen im Jahr 2003 wieder zum Leben erweckt und seither fünfmal, zuletzt 2012, Kalk gebrannt.

Hierfür konnte man zwei rumänische Kalkbrenner gewinnen, die die Technik des Ofenbaus, des Schichtens und Brennens noch beherrschen. Während einer Begehung – gemeinsam mit dem Präsidenten der «Greiweldenger Leit», Fernand Kieffer, und seinen Vorstandskollegen – konnten wir zahlreiche Details über die Kunstfertigkeit der Bestückung des Ofens in Erfahrung bringen. Mehr als 100 Stunden, also fast fünf Tage, dauert ein Brennvorgang, die dazu erforderlichen Vorarbeiten mehr als eine Woche. Der Kalkofen besteht aus einer Erdgrube, die von oben schichtweise mit Steinen und Holz befüllt und von vorne anschließend befeuert wird. Das Schichten und Befüllen erfordert die besondere Befähigung, die Steine passend zu behauen, um einen Halt zu gewährleisten, während des Brennvorgangs gleiten die Schichten langsam nach unten.

Das Feuer muss dabei Tag und Nacht bewacht werden, die Hitze steigt dabei bis maximal rund 1.300 Grad Celsius. Zum Ende des Brennvorgangs wird die obere Grubenöffnung mit Lehm abgedeckt. Vom ursprünglichen Inhalt von rund 1,5 Tonnen bleiben am Ende durch das Entziehen von Wasser ca. 800 kg verwendbarer Kalk übrig. «George Rus aus Rumänien ist noch ein alter Meister seines Faches», erklärt Fernand Kieffer. «Durch rumänische Erntehelfer aus seinem Ort, die hier tätig waren, sind wir an ihn herangetreten. Es war schwierig, ihn von unserer Mission zu überzeugen, wähnte er doch Konkurrenz für sein Schaffen. Erst als wir ihm glaubhaft versicherten, dass wir seine Fertigkeit nur zur Demonstration der alten Tradition benötigten, stimmte er zu.»

George Rus und sein Helfer reisen bereits Anfang August aus Rumänien an, um die Öfen herzurichten und zu bestücken. Das offizielle und öffentliche Anzünden der Feuer findet dann am 10. August um 18 Uhr statt. Während der folgenden fünf Tage kann der Brennprozess dann Tag und Nacht vor Ort mitverfolgt werden, bis dieser dann zum Fest am 15. August gegen Abend abgeschlossen sein wird. Sicherlich ein spannendes und aufsehenerregendes Event für Nostalgiker und Liebhaber althergebrachter Traditionen.