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In den Schulen unserer Nachbarn: Die „Rentrée“ in Belgien, Deutschland und Frankreich

In den Schulen unserer Nachbarn: Die „Rentrée“ in Belgien, Deutschland und Frankreich

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In Belgien staut es, in Deutschland gibt es Süßes und in Frankreich – na klar – eine kleine Revolution. Unsere Korrespondenten aus Belgien, Deutschland und Frankreich berichten vom Schulanfang in ihren Ländern.

Von unseren Korrespondenten Eric Bonse, Hagen Strauß und Helmut Wyrwich

In Belgien spielt sich die «Rentrée» vor allem auf den Straßen ab. Hunderte Kilometer Stau und detaillierte Verkehrsdurchsagen («durch einen Unfall verlieren Sie aktuell eine halbe Stunde») zeugten Anfang September davon, dass die Ferien zu Ende sind.

Doch davon abgesehen spielt das Ferienende in Belgien keine so zentrale Rolle wie etwa in Frankreich. Die «Rentrée scolaire» findet in zwei Sprachen und teilweise zeitversetzt statt.Sie wird nicht wie in Frankreich von großen Schulreformen oder Grundsatzdebatten begleitet. Im Vordergrund stehen eher praktische Fragen: Was braucht mein Kind für das neue Schuljahr, wo kann ich es günstig kaufen?

In diesem Jahr kam ein besonderes Problem hinzu: Nicht alle Schüler haben rechtzeitig eine Schule gefunden. Vier Tage nach der Rentrée waren immer noch 214 Schüler in Brüssel und in der Wallonie auf der Suche. Gleichzeitig meldeten die Schulen aber 1.600 freie Plätze. Bildungsministerin Marie-Martine Schyns hatte dafür keine schlüssige Erklärung – das Problem habe viele Facetten, redete sie sich heraus. Wie so oft in Belgien hat jede «Communauté» ihre eigenen Schulen, Lehrpläne und Sonderwünsche. Da ist es in der Tat schwer, es allen recht zu machen.

Aber es gibt auch erfreuliche Nachrichten. So setzen sich mehr als 100 Schulen im ganzen Land für bessere Luft auf den Straßen ein. Die Initiative, die im März angelaufen ist und zur Rentrée wieder aufgenommen wurde, hat sogar die Sprachgrenze überschritten; in Antwerpen und Gent gab es ebenso Aktionen wie in Brüssel. Den Initiatoren geht es darum, die Straßen vor den Schulen komplett autofrei zu machen. Mit Politik soll das Ganze nichts zu tun haben – aber im beginnenden belgischen Kommunalwahlkampf ist die Aktion durchaus ein Politikum.

Er kommt auch in Deutschland für jedes Kind unvermeidlich: der erste Schultag. Die Einschulung ist traditionell ein Familienfest. Häufig wird sie in den Bundesländern zeitversetzt durchgeführt, also etwas später als der reguläre Schulbeginn nach den Sommerferien, damit sich alles um den Nachwuchs drehen kann.

Manche Bundesländer legen die Einschulung sogar auf das Wochenende, damit möglichst viele Familienmitglieder teilnehmen können. In Berlin beispielsweise stets am Samstag nach dem regulären Schulbeginn. Dann können die Auswärtigen in Ruhe anreisen. Große Tradition hat in Deutschland die Schultüte für die Erstklässler. Süßigkeiten, Spielzeug, Lehrreiches, Geldscheine, vieles finden die Kinder darin. Oft wird die Tüte vorher gemeinsam gebastelt. Inzwischen gibt es unendlich viele Ratgeber, was man an Sinnvollem in die Schultüte tun sollte – und was nicht. Billig ist sie nicht.

In Deutschland hat jedes Bundesland sein eigenes Schulgesetz, in dem unter anderem Beginn und Dauer der Schulpflicht vorgegeben sind. Dabei gilt für die meisten Kinder, dass sie mit sechs Jahren in die Schule kommen. Das heißt, wenn sie zu einem bestimmten Stichtag sechs Jahre alt werden. In einigen Bundesländern ist auf Antrag der Eltern eine frühere Einschulung oder eine Rückstellung möglich. Der Föderalismus, der in der Bundesrepublik ja oft ein Bildungshemmnis ist, ist es an dieser Stelle nicht.

Für mehr als 700.000 Kinder hieß es nach den letzten Sommerferien Lesen und Schreiben lernen. Wie überall in der Welt ist es ein Tag, der das Leben von Kindern und Eltern verändert. Die «ABC-Schützen» – so werden die Erstklässler in Deutschland genannt – werden von den Lehrern und älteren Mitschülern feierlich in der Schule begrüßt. Häufig werden Lieder gesungen oder kurze Theaterstücke aufgeführt. Dann geht es mit den Lehrern in die jeweiligen Klassen, wo die erste Schulstunde ihren Lauf nimmt. Oft übernehmen ältere Schüler auch Patenschaften für die Erstklässler, um ihnen den Start in den «Ernst des Lebens» zu erleichtern.

Nichts ist so wichtig in Frankreich wie die Rentrée. Sie stellt eine Zäsur innerhalb des Jahres dar. Die Familien erhalten ein spezielles Kindergeld, um die Schulsachen und auch Kleidung einkaufen zu können. Die Supermärkte richten Sonderflächen mit Heften und Stiften und Schulranzen ein. In den zwei Wochen vor der Rentrée laufen Familien mit ihren Kindern und langen Listen durch die Läden. Kluge Schulleiter ersparen das den Eltern. Sie machen Großbestellungen, sparen Geld für die Eltern, verteilen die Sachen am ersten Schultag und stellen sicher, dass jeder alles hat.

In den Schulen ist in diesem Jahr vieles anders. Smartphones sind in den Grundschulen und in den Collèges jetzt verboten. Wer wirklich mit zu Hause telefonieren muss, der darf das Telefon beim Pförtner benutzen.

Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer gehört zu den populärsten Ministern in Frankreich. Er führt die Schule wieder dorthin, wo sie sich nach allgemeiner Meinung befinden soll. Lesen, Schreiben, Rechnen ist die Aufgabe der Grundschule. Das tägliche Diktat ist eingeführt. Und der Schultag soll mit einem Lied beginnen. Das geht weit: Die französischen Schulen im Ausland dürfen sich der Idee nicht verschließen. In der französisch-deutschen Schule «Adenauer De Gaulle» in Bonn haben die Schüler ihre Schulhymne gedichtet und schmettern sie zum Schuljahresbeginn zur Melodie der Ode an die Freude aus der neunten Sinfonie von Beethoven.

Aber nicht nur das: Blanquer hat in den Collèges die zweisprachigen Klassen wieder eingerichtet, die die Sozialisten zuvor als «elitär» abgeschafft hatten. Grundschulklassen in sozialen Brennpunkten sind geteilt worden und haben nicht mehr als zwölf Schüler.