Der Weltmarkt schlägt Kapriolen und trotzdem kann der Verbraucher momentan recht gelassen in die Zukunft blicken, zumindest was seine Stromrechnung angeht. „Dafür ist in erster Linie die Deckelung der Energiepreise durch die Regierung verantwortlich. Ein guter Teil des Preises wird so durch die Subvention vom Staat übernommen“, erklärt Sudstroum-Direktor Torsten Schockmel und rechnet vor: „Ein in einer Wohnung lebender Kunde, der vor der Krise 32 Euro pro Monat für seinen Strom bezahlt hat, müsste nun eigentlich das Doppelte aufbringen. Durch die Deckelung bezahlt er de facto aber ungefähr 44 Euro.“
Vor gut einem Monat verlängerte das Parlament die Energiepreisdeckelung bis Ende 2024, sodass die Haushalte bis dahin vom Preishammer verschont bleiben. Allerdings ist laut Schockmel für 2025 keine wesentliche Besserung in Sicht. Er muss das wissen, denn bei Sudstroum wird drei Jahre im Voraus geplant.
Rückblick: Anfang 2021 geriet der Energiesektor in Aufruhr. Der Weltmarkt spielte verrückt, dazu kamen außergewöhnlich kalte Monate März, April und Mai. Der Gaspreis explodierte, was die Kunden in Luxemburg im Herbst 2021 bei ihrer Endabrechnung und den neuen Vorauszahlungen mit Steigerungen von durchschnittlich 66% deutlich zu spüren bekamen. Die Experten glaubten an eine Beruhigung des Marktes im Frühjahr 2022, doch dann begann der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Und die Preisspirale drehte sich weiter nach oben. Ab Oktober 2022 kostete das Gas noch einmal 110% mehr.
Der Anstieg beim Gas wirkt sich auch auf den Strompreis aus, weil Gas zur Stromproduktion genutzt wird. Zudem zog die Konjunktur Ende 2021 nach überstandener Pandemie wieder an, was zu höherem Strombedarf in der Industrie führte. In Luxemburg ist die Industrie für fast 80% des Stromverbrauchs verantwortlich, die Haushalte machen lediglich rund 20% aus. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, also stieg dieser.
Beruhigung auf hohem Niveau
„Momentan ist die Situation vergleichbar mit der im Herbst 2021. Der Strompreis auf dem Weltmarkt ist noch nicht auf Vor-Pandemieniveau, sondern kostet ungefähr dreimal so viel im Einkauf“, sagt Torsten Schockmel, „es wird viel davon gesprochen, dass sich die Situation normalisiert hätte, aber das gilt nicht für den Strommarkt“. Trotzdem stellt Schockmel im Moment eine Beruhigung fest, wobei der Krieg nicht der alleinige Preistreiber war. Das Wetter spielt keine unwichtige Rolle bei der Entwicklung des Strompreises. Beispiel 2022: Der Sommer war der zweitwärmste je gemessene, was sich auf den Stromverbrauch auswirkte, Stichwort Klimaanlagen. Gleichzeitig setzte die Dürre die Binnenschifffahrt schachmatt, was den Kohletransport quasi zum Erliegen brachte. Auch Kohle wird zur Stromproduktion genutzt. Und natürlich litten die Wasserkraftwerke an der Dürre. Zu allem Überfluss schaltete auch noch Frankreich über die Hälfte seiner Reaktoren aus Wartungsgründen ab.
Der Preis für das sogenannte Baseload stieg auf 800 Euro pro Megawattstunde (MWh). Baseload ist die Grundlast, also der Grundbedarf an Strom, der jeden Tag rund um die Uhr verbraucht wird. Nachdem es im August geregnet hatte, sank der Preis bis Dezember letzten Jahres auf rund 300 €/MWh. „Momentan sind wir bei 130 bis 140 €/MWh. Das ist aber noch weit entfernt von den 40 bis 50 Euro der Vor-Pandemiezeit“, sagt Torsten Schockmel. Kommt es zum Mehrbedarf, so muss der zusätzliche Strom von den Anbietern auf dem sogenannten Spotmarkt nachgekauft werden. Der war im Sommer 2022 auf 800 €/MWh geklettert.
Das Problem der Anbieter ist, dass Strom nicht gespeichert werden kann. Sie müssen die benötigten Quantitäten so genau wie möglich vorhersagen. Momentan werden zum aktuellen Preis die Kapazitäten für das nächste bzw. die nächsten Jahre einkauft. Basis ist der Durchschnittsverbrauch aus dem Vorjahr. Ein durch das Wetter ausgelöster Mehrbedarf muss also durch einen Zukauf von Strom im Spotmarkt erfolgen. Und zwar zu dem Preis, der gerade aktuell ist. Demnach ist der Einkauf für Sudstroum, Enovos und Co. auch so etwas wie eine Lotterie. Es geht darum, die Grundlast für die Zukunft zum richtigen Zeitpunkt zu sichern, dabei nicht zu viel oder zu wenig einzukaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Netzkosten ebenfalls explodiert sind.
Strom gespart? Vergleich schwierig
Immerhin kam es nicht zu dem Katastrophenszenario, das nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs vorhergesagt wurde. Das Kriegsgeschehen beobachtet Schockmel deshalb weniger genau als die Tendenzen auf dem französischen Energiemarkt – und das Wetter. Damit das in Zukunft anders wird, setzt die Luxemburger Regierung auf die Förderung erneuerbarer Energien. Auf Windräder und Solarenergie. So soll das gemeinschaftliche Produzieren von Strom durch Solarzellen auf den Dächern ausgebaut werden. Mehrere Haushalte können sich zusammenschließen und sich quasi autark mit Strom versorgen. „Das ist die Zukunft, keine Frage“, sagt Torsten Schockmel, „für die Energieanbieter und die Netzwerkbetreiber macht das die Kalkulation nicht unbedingt einfacher, allerdings stehen wir noch ziemlich am Anfang der Entwicklung“. Die Wettervorhersagen mitsamt der Windgeschwindigkeit und der Sonneneinstrahlung muss er in Zukunft also noch stärker im Auge behalten. Denn bei Flaute dreht kein Windrad.
Das Wetter spielt auch eine Rolle bei der Frage, ob die Menschen seit Ausbruch der Energiekrise verstärkt Strom gespart haben. Der Vergleich zum Vorjahr ist schwierig. Bei kalten Tagen bleiben die Menschen zu Hause und verbrauchen mehr Strom, bei Sonne im Winter wird das Licht später eingeschaltet. Die elektrischen Geräte haben eine immer bessere Energieeffizienz, aber es gibt auch immer mehr von ihnen in den Haushalten. „Von der Tendenz her würde ich schon sagen, dass die Menschen in den letzten 12 Monaten mehr Strom gespart haben“, sagt Torsten Schockmel abschließend. Der Bedarf wird längerfristig jedoch steigen, E-Mobilität und Wärmepumpen brauchen Strom.
Merci Gambia.