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Eingedenk der Tatsache, dass sie auch 35 Jahre nach ihrem Tod noch immer die populärste U.S.-amerikanische Malerin ist, mag es verwundern, dass gerade mal ein Dutzend ihrer Werke den Weg in europäische Museen gefunden haben. Nicht zuletzt deshalb muss jede Ausstellung begrüßt werden, die uns erneut mit Georgia O’Keeffes Œuvre vertraut machen möchte. Thomas Koppenhagen hat sich den Katalog zur aktuellen Präsentation angeschaut.

Georgia O’Keefe
Georgia O’Keefe Foto: Alfred Stieglitz

Wie ein Rahmen umgeben Schwarzweiß-Fotografien von Georgia O’Keeffe die Texte und Bildtafeln zur Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel, wobei man bei den Abdrucken auch auf frühe Porträts zurückgriff, die der New Yorker Galerist und Kunstmäzen Alfred Stieglitz ab den 1910er Jahren von seiner künftigen Ehefrau geschossen hatte. Deutlich kann man seine Faszination für ihre spröde, für die Epoche völlig atypische Schönheit erkennen. Aber auch die distanzierte Gelassenheit und Wärme, welche ihr so eigen war, spricht aus den Bildern. Die Porträts sind wichtige Mosaiksteine beim Zusammenfügen all jener Komponenten, die zum immensen Erfolg der Künstlerin ab Mitte der 1920er Jahre beitrugen. Ja, man könnte den altbekannten Fehler begehen und Parallelen des Formschönen zwischen Gestalt und Werk der Künstlerin ziehen, um Anhaltspunkte für die erstaunliche Konsistenz ihrer Bedeutung in unterschiedlichen soziokulturellen Milieus zu finden. Anders als etwa Charles Demuth, der über Jahrzehnte in Vergessenheit geriet, überlebte Georgia O’Keeffe als eine Art Flaggschiff der „Moderne vor der Moderne“ (Wanda M. Corn) jene Zäsur, die mit der Ankunft der Emigranten vor den Nazi-Gräueln aus Europa ansetzte und in dem systemischen Gegeneinander von Abstraktion und Gegenständlichkeit im Kalten Krieg der 1950er gipfelte.

Wechselnde Moden und Szenen

Dass sie keine Scheu kannte, z.B. modische Farben wie Türkis und Lila in ihren Gemälden großzügig einzusetzen, machte sie wiederum für Anhänger der Popart zu einer Vorläuferin. Und dass der Feminismus bzw. die Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre sie zur Ikone stilisierte, hat zu gleichen Teilen mit ihrem Back-to-the-Roots-Lebenswandel in der Wüste von New Mexico zu tun wie mit den erotisch aufgeladenen Interpretationen ihrer Blumen- und Pflanzenbilder, gegen die sich O’Keeffe allerdings zeitlebens wehrte. Wenn nach ihrer Kunst befragt, gab sie sich als treue Schülerin des Kunstpädagogen Arthur Wesley Dow zu erkennen, dessen Lehre wiederum u.a. auf dem Transzendentalismus eines Ralph Waldo Emerson fußt:

„Es ist in der Natur etwas Unerklärliches, das mich spüren lässt, dass die Welt über mein Verständnis weit hinausgeht – zu verstehen vielleicht, indem ich es in Form zu bringen versuche. Das Gefühl von Unendlichkeit zu erspüren, an der Horizontlinie oder einfach hinter dem nächsten Hügel.“ (aus einem Brief von Georgia O’Keeffe aus dem Jahr 1944)

bei der Rezension zu Theodora Vischer
bei der Rezension zu Theodora Vischer
Theodora Vischer
Theodora Vischer Foto: www.sevenfotos.ch

Beim Durchblättern des sehr schön geratenen Ausstellungskatalogs fällt eine Diskrepanz zwischen der populären und der tatsächlichen Künstlerin auf: So sind die Motive ihrer Arbeiten nicht nur über die Jahrzehnte ihres künstlerischen Wirkens, sondern auch innerhalb einzelner Schaffensperioden weiter gestreut als gemeinhin bekannt. Andererseits vermag beispielsweise der Gebrauch traditioneller Memento-Mori-Darstellungen (mitsamt des kunsthistorischen Ballasts, der durch die Nutzung nahezu zwangsweise mitschwingt) darüber hinwegzutäuschen, dass von ihren Bildnissen – trotz aller innewohnenden Sehnsucht – eine ungeheure Aufgeräumtheit ausgeht. Diese Reduktion auf das Wesentliche ist es, was sowohl Werk wie Person charakterisiert und das ihnen ein ums andere Mal Aktualität verleiht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 22. Mai geöffnet.

Theodora Vischer und Riehen Fondation Beyeler (Hg.)

Georgia O’Keeffe. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2022.
208 S. 58, 00€