Aus der Tripartite soll eine Quadripartite werden. Mit dem Vorschlag warten die Rechnungsprüfer der luxemburgischen „Cour des comptes“ in ihrem Gutachten zum Staatshaushalt auf. Diesen haben die Rechnungsprüfer am Freitagmorgen in der Finanz- und Budgetkommission der Chamber vorgestellt. „Luxemburg hat bereits erfolgreich einen Strukturwandel bewältigt, der durch die Stahlkrise ausgelöst wurde“, schreibt der Rechnungshof.
Angesichts der Klimakrise, der damit verbundenen extremen Wetterphänomene sowie der Beschleunigung der digitalen Transformationsprozesse zeichne sich ein weiterer Strukturwandel ab. Luxemburgs Sozialmodell habe sich in mehreren aufeinanderfolgenden Krisen bewährt. „Diese Erfahrung ist ein großer Vorteil, wenn des darum geht, die Klimakrise zu überstehen und zu überwinden“, begründet der Rechnungshof seine Idee. Und: „Es wäre sinnvoll, die wichtigsten Organisationen, die sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren, an den Verhandlungstisch einzuladen, um sicherzustellen, dass in künftige Abkommen die sozial-ökologische Dimension einbezogen wird.“
Aus drei mach vier
Zu diesem Zweck sieht der Rechnungshof es als sinnvoll an, den dreigliedrigen Koordinierungsausschuss – also die Tripartite – in einen viergliedrigen Ausschuss umzuwandeln. Dadurch sollen „alle öffentlichen Ausgaben nicht nur durch kurzfristige wirtschaftliche und soziale Erwägungen motiviert sein“, sondern auch mittel- und langfristige Überlegungen im Kontext des Klimawandels beinhalten.
Apropos Tripartite: Bei der Dreierrunde im Herbst stand unter anderem Luxemburgs Schuldengrenze von 30 Prozent im Fokus. Über eben jene Grenze versuchte auch der Rechnungshof mehr in Erfahrung zu bringen. „Die 30-Prozent-Schwelle wurde zum ersten Mal explizit im Regierungsprogramm 2013-2018 festgelegt, in dem sich die Regierung verpflichtet hat, die Staatsverschuldung so unter Kontrolle zu halten und sogar zu reduzieren, dass sie jederzeit unter 30 Prozent des BIP liegt“, antwortete das Finanzministerium auf Anfrage der „Cour des comptes“. Zurückzuführen sei der Grenzwert demnach vor allem auf die Ratingagentur Moody’s, die Luxemburg bereits 2012 bei einem Überschreiten der 30-Prozent-Marke indirekt mit dem Herabstufen des Ratings gedroht haben soll.
Prognosen des Ministeriums in der Kritik
Der Rechnungshof hat auch die vom Finanzministerium im Bugdet-Gesetzentwurf zugrunde gelegten publizierten Wirtschaftsaussichten genauer unter die Lupe genommen. Insgesamt folge die Luxemburger Wirtschaft dem Trend der Eurozone. „Die wirtschaftlichen Störungen machen sich auch am Luxemburger Finanzplatz bemerkbar“, steht im Gutachten des Rechnungshofes. „Das Börsenumfeld hat sich verschlechtert, was wiederum einen erheblichen Teil der Luxemburger Finanzdienstleistungen betrifft.“
Das Finanzministerium basiert die Wachstumsprognosen für Luxemburg für 2023 auf Zahlen des Statec. Prognosen, die laut Einschätzungen des Rechnungshofes durch die internationalen Entwicklungen wieder veraltet sein könnten. „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die wichtigsten internationalen Organisationen seit Juli ihre BIP-Wachstumsprognosen für 2022 und 2023 deutlich gesenkt haben“, schreiben die Rechnungsprüfer.
So seien die Anpassungen von der OECD, die eine Wachstumsrate von ungefähr 0,3 Prozent für die Eurozone vorhersehen, nicht mehr im neuen Gesetzesprojekt berücksichtigt worden. „Die für die Erstellung des Haushaltsentwurfs 2023 verwendeten makroökonomischen Projektionen beruhen auf Daten von Juli, die im September nicht mehr aktuell waren“, schreiben die Rechnungsprüfer – obwohl der Gesetzentwurf erst nach Bekanntgabe der OECD-Zahlen in der Chamber vorgelegt wurde. Die vom Finanzministerium vorgelegte Wachstumsprognose von 1,6 Prozent sei demnach nicht mehr aktuell. Unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) habe die Zahlen von Finanzministerin Yuriko Backes (DP) von 1,6 Prozent auf 1,1 Prozent korrigiert. „Das Rezessionsrisiko für 2023 hat sich daher in der EU und damit auch in Luxemburg erhöht“, schreiben die Rechnungsprüfer.
Dauerhafte Krisenzustände
Der Luxemburger Rechnungshof kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass sich Luxemburg und die gesamte Eurozone in einem „dauerhaften Krisenzustand befinden.“ Durch die seit 2007 anhaltenden und ineinandergreifenden Krisen sei auch die Staatsschuld kontinuierlich gestiegen. Der Schuldenstand soll den Zahlen des Luxemburger Finanzministeriums zufolge bis Ende 2022 auf 24,6 Prozent des BIP steigen. Durch die steigenden Zinssätze könnte sich die nominale Schuldenlast demnach deutlich erhöhen. „Heute beläuft sich die Zinslast der öffentlichen Schulden auf 130 Millionen Euro pro Jahr“, rechnen die Finanzexperten vor. „Sollte die Verschuldung bis 2026 auf 29,5 Prozent des BIP ansteigen, wie in den Prognosen angenommen, würde die Zinslast bei rund 440 Millionen Euro pro Jahr liegen.“ Der Anstieg der Zinssätze werde die öffentlichen Finanzen stark belasten, schlussfolgert der Rechnungshof.
Und das könnte bereits in naher Zukunft zu einem Problem werden. „Angesichts der wiederkehrenden Krisen und der Herausforderungen durch die Klimaproblematik dürfte die Staatsverschuldung zudem weiter steigen“, schreibt der Rechnungshof. Und: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die im Koalitionsvertrag 2018-2023 vorgesehene Schwelle von 30 Prozent des BIP in naher Zukunft überschritten wird.“ Die „Cour des comptes“ kritisiert zudem, dass der ständige Rückgriff auf Schulden zur Krisenbewältigung keine nachhaltige Finanzpolitik darstelle. „Es scheint also, dass der Staatshaushalt immer weniger in der Lage ist, die aus den aufeinanderfolgenden Krisen resultierende finanzielle Belastung aufzufangen“, meint der Rechnungshof und spricht von einer „Säuberung“ der Staatsfinanzen.
Langfristige Strategie
Der Rechnungshof fordert deshalb die Regierung in seinem Gutachten dazu auf, eine langfristige Strategie zum Umgang mit der Staatsverschuldung zu entwickeln. „Die öffentlichen Maßnahmen müssen sich von dem kurzfristigen Ansatz lösen, die finanziellen Auswirkungen von Krisen durch Kreditaufnahme aufzufangen, was eine Bedrohung für die Nachhaltigkeit unserer öffentlichen Finanzen darstellt“, sagen die Rechnungsprüfer in ihrem Gutachten. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP habe sich mittlerweile verdreifacht. Deshalb müsse zukünftig „der energetische, sozial-ökologische und digitale Übergang unserer Wirtschaft und Gesellschaft gefördert“ werden, schreibt die „Cour des comptes“. Denn: „Der Klimawandel und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen setzen die öffentlichen Finanzen immer stärker unter Druck.“
Der Rechnungshof argumentiert in seinem Gutachten, dass „finanzielle Verluste aufgrund von Naturkatastrophen, der Verlust der Artenvielfalt, geopolitische Spannungen aufgrund der Versorgung mit fossilen Brennstoffen, soziale Transfers aufgrund der Inflation, die durch den Anstieg der Preise für fossile Brennstoffe verursacht werden“ den Luxemburger Staat langfristig viel Geld kosten würden. In dem Kontext müsse die aktuelle Energiekrise als Chance verstanden werden, die Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern.
Reaktion von Franz Fayot
Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) hat im Rahmen einer Pressekonferenz am Freitag kritisch auf den Reformvorschlag des Rechnungshofes reagiert. „Die Tripartite, und das ist gesetzlich festgehalten, ist ein Dialog zwischen Gewerkschaften, Patronat und der Regierung“, sagt Fayot. Diese komme in Krisenzeiten zusammen, um bestehende Probleme zu lösen – und das solle man jetzt nicht noch weiter öffnen. „Es gibt andere Foren, in denen wir uns die Meinungen der Umweltorganisationen einholen können.“
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