Im abgelegenen Naturgebiet des Ellergronn stehen, unweit des „Centre nature et forêt“, einige dieser von Luxemburgern so beliebten Autos; auf einem weißen BMW prangt ein stolzes Esch2022-Logo; im Wald der ganzen Logos, die den Wagen zieren, wird angedeutet, der Schlitten wäre auf irgendeine Art ‚remixed’ worden. Was genau das mit Kultur zu tun haben soll, erschließt sich nicht so recht. Dass die Pressekonferenz gerade hier stattfindet, muss irgendwie mit dem trendigen Konzept der Nachhaltigkeit in Verbindung stehen.
Sollte die Pressekonferenz irgendwie Aufschluss über das angekündigte Event geben, so kann man bereits jetzt vermuten, dass die Abschlussfeier diskreter, weniger prollig, weniger polemisch (der Start einer Rakete kam im Kontext des Einfalls der russischen Armee in der Ukraine eher nicht so gut an) und definitiv regionaler ablaufen soll – so scheint es den wie so oft rar gesäten, anwesenden Kulturjournalisten zumindest vermittelt zu werden. Eine Bilanz will man erst 2023 (dafür aber in drei Etappen) ziehen; über die schwierige Geburt des Projekts sowie die viel kritisierten Finanzierungsmethoden wird nicht geredet; der Schwerpunkt liegt ganz auf dem, was noch kommen soll, wie es der Escher Bürgermeister Georges Mischo (CSV) in seiner Einleitung unterstreicht.
Für die Abschlussfeier lädt Esch2022 gemeinsam mit den elf luxemburgischen und acht französischen Gemeinden zu einem dreiteiligen Event ein, das sich mit einer Teilnahme von 100 Künstler*innen zwischen 17.30 und 23.00 Uhr in der Rockhal und zwischen 23.00 und 3.00 im neuen Kulturpol Arche in Villerupt abspielen wird. Unter dem Motto „Rewind – Play – Forward“ sollen so Akzente auf einige der Höhepunkte des vergangenen Jahres („Rewind“) und die Feierlichkeiten im Hier und Jetzt („Play“) gesetzt werden; zeitgleich will man bekräftigen, dass 2022 nur das „erste Kapitel“ des Kulturjahres gewesen sein soll („Forward“).
Ziel dabei war es, so Nancy Braun, eine Auswahl der spannenderen Projekte des vergangenen Jahres noch mal unter einer anderen Form in der Rockhal aufzuführen. Durch Zusammenarbeiten wie die des Kollektivs Belong mit AlterCadance und dem Capoeira Team Luxembourg oder die Begegnung des belgischen Transe-Noise-Duos La Jungle mit dem „Institut médico-éducatif“ von Aumetz unter der Begleitung des Pariser Kollektivs „Brut Pop – Musikpädagogik und Inklusion“, soll nochmals verdeutlicht werden, welche Synergien im Laufe des Kulturjahres geschaffen wurden.
Auch wenn die definitive Bilanz noch nicht gezogen werden kann, wollte ich von Nancy Braun wissen, wie sie die vergangenen neun Monate Kulturhauptstadt einschätzt. „Wir haben 19 Gemeinden eine verstärkte kulturelle Sichtbarkeit gegeben. Auch wenn Esch stets im Zentrum stand, so haben wir Menschen einer ganzen Region grenzüberschreitend eine erweiterte kulturelle Wahrnehmung ermöglicht. Überaus wichtig war uns zudem die europäische Komponente – es gab Zusammenarbeiten nicht nur zwischen Städten, sondern auch zwischen sehr unterschiedlichen Kultursektoren. So war Esch2022 auch eine Art experimentelle Spielwiese, auf der neuartige Formen erforscht und ausprobiert werden konnten – und dies, ohne dass man Angst vor eventuellem Scheitern haben musste.“
Auch mit Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den beiden Partnerstädten Kaunas und Novi Sad, mit denen der Kontakt „sehr eng“ war, stellt Nancy Braun die Kulturhauptstadt als „erfolgreiche Testphase“ dar, die es erlaubte, Zusammenarbeiten zwischen Kulturschaffenden aus drei Ländern auszuprobieren – „was aufgrund der doch sehr großen Distanz zwischen den einzelnen Städten so einiges an Organisationstalent abverlangte“.
Statistics and the Heart of Man
Um diesem etwas abstrakten Diskurs mehr Gewicht zu verleihen, wurden während der Pressekonferenz eine ganze Reihe an Zahlen und Statistiken vorgestellt, die aus der Auswertung von insgesamt 1.706, im Rahmen einer Zufriedenheitsstudie geführten Interviews (Stand: Anfang November) stammen – wer während eines der über 2.400 Esch2022-Projekten irgendwann von einem netten französischsprachigen Mann, der einem irgendwann so allgegenwärtig wie eine Figur aus David Lynch’s „Lost Highway“ vorkam (ich zumindest bin immer nur dieser einen Person begegnet, was durchaus dem Zufall geschuldet sein kann), zu einer Umfrage überzeugt wurde, weiß nun, wozu diese dienen sollte.
Hier dann, ganz im Sinne des eigentlich sehr dämlichen Sprichworts „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ (meistens sind es die Ausrichtung des Fragebogens sowie die Interpretation der Resultate, die Statistiken ihrer potenziellen Neutralität berauben), einige der vorgestellten Zahlen: 83 Prozent der befragten Besucher zeigten sich „zufrieden“, 93 Prozent hatten „eine gute Zeit“, „viele“ Besucher (ergo 59 Prozent) denken, dass die Gesamtheit des Esch2022-Terrains nun „attraktiver“ als noch vor dem Kulturjahr ist. So weit, so nichtssagend – denn die während der Konferenz aufgelisteten Punkte dürften meines Erachtens nicht der vollständigen Auswertung des Fragebogens, bei dem kritische Fragen zudem standesgemäß eher unterrepräsentiert waren, entsprechen.
Einen Überblick über die Zufriedenheit der Besucher*innen geben die Zahlen trotzdem: „Das zeigt doch schon“, so Nancy Braun, „dass wir zumindest einige der kritischen Stimmen von der Qualität unserer Projekte überzeugen konnten. Klar, jemand, der von Anfang an der Meinung war, dass unser Kulturhauptstadtprojekt nichts taugt und sich folglich auch nichts anschauen war – den konnten unsere Projektträger logischerweise auch nicht überzeugen. Aber wer vor Ort war und befragt wurde, war im Schnitt zufrieden und meinte, eine gute Zeit zu haben. Für uns belegt dies, dass unsere Projektträger eine gute Arbeit geleistet haben.“
Nicht nur das Abschlussevent gibt sich bescheidener als die viel kritisierte Eröffnung – auch die Rolle der Organisatoren von Esch2022 scheint im Laufe der Zeit geschlichtet worden zu sein. Hatte die damals von Andreas Wagner und Janina Strötgen konzipierte Hauptstadt ein sorgfältig kuratiertes, durchstrukturiertes und gut durchdachtes Konzept, sieht Nancy Braun die Arbeit ihres Teams vielmehr als die von Mittelmännern und -frauen, die die verschiedenen Projektträger, Gemeinden und Kulturschaffenden zusammengebracht hat, um ihnen (nicht nur finanzielle) Türen für zukünftige Zusammenarbeiten zu öffnen.
„Wir haben dafür gesorgt, dass sich aus der Arbeit, die wir geleistet haben, etwas Nachhaltiges entwickeln kann. Das betrifft einerseits kulturelle Orte und Netzwerke, aber auch Bereiche wie den Tourismus, die nachhaltige Entwicklung oder den Business for Culture Club, den wir aufrechterhalten und weiterentwickeln wollen, damit die Kulturbranche auch weiterhin mit Vertretern der Wirtschaft zusammenarbeiten kann. Daraus sollen weitere Kulturprojekte entstehen … – die wirtschaftliche Unterstützung muss zudem nicht nur monetärer Natur sein, sondern kann auch die Form einer Dienstleistung annehmen. Das sind alles Dinge, an denen wir zurzeit werkeln, und die wir dann im kommenden Jahr vorstellen können. Wie sich die nächsten Kapitel der Hauptstadt weiterschreiben, hängt also von unseren Partnern – den Projektträgern, den Gemeinden – ab. Ich bin da sehr gespannt.“ Wir sind es auf jeden Fall auch.
Infos zur Abschlussfeier am 22. Dezember
(Frei-)Karten für das Event gibt es auf esch2022.lu.
Parkplätze findet man auf Belval und vor der Arche; ein Shuttle verkehrt zwischen 16 Uhr und 3 Uhr zwischen der Arche in Villerupt und Belval.
Bis zu 5.000 kulturaffine Menschen können am Event teilnehmen.
Einlass in der Rockhal ab 16.30 Uhr.
Das Event startet um 17.30 Uhr.
Wer sich die Retrospektive sparen möchte, kann ab 20.30 Uhr für die Kulturevents kommen.
Und wer nur feiern möchte, sollte ab 23.00 Uhr in der Arche aufkreuzen.
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