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DublinGewalttätige Randale nach Messerstecherei – fremdenfeindliche Parolen

Dublin / Gewalttätige Randale nach Messerstecherei – fremdenfeindliche Parolen
Aufräumarbeiten nach dem Gewaltausbruch auf Dublins Straßen Foto: AFP/Paul Faith

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Mehrere hundert randalierten am Donnerstagnachmittag rund um einen sozialen Brennpunkt der irischen Hauptstadt. Auslöser für die Krawalle war eine Bluttat in der Nähe eines sozialen Brennpunkts. Ein Mann hatte wahllos auf kleine Kinder eingestochen.

Aufgeschreckt durch einen massiven Gewaltausbruch auf Dublins Straßen diskutieren die irische Politik und Gesellschaft an diesem Wochenende über Ursachen und Hintergründe. Mehrere hundert, meist junge Menschen hatten am Donnerstagnachmittag rund um einen sozialen Brennpunkt der irischen Hauptstadt randaliert. Dabei griffen sie die Polizei mit Feuerwerkskörpern an, setzten eine Reihe von Polizeifahrzeugen, Bussen sowie eine Trambahn in Brand und plünderten umliegende Geschäfte. „So sind wir nicht, und so wollen wir auch nie werden“, sagte Premierminister Leo Varadkar. „Die Täter haben sich selbst, ihren Familien und Irland Schande gemacht.“

Den Bezirk Dublin 1 nördlich des Liffey-Flusses erleben die meisten Besucher als schickes Büroviertel mit Banken und Versicherungen rund um ein modernes Kongresszentrum. Weiter nördlich des Flusses aber steht Dublin für Armut und Verwahrlosung. In einem der ärmsten Viertel der Metropole haben viele Bewohner keine Arbeit, dafür aber Alkohol- oder Drogenprobleme; dementsprechend hoch liegt die Kriminalitätsbelastung durch Diebes- und Dealerbanden.

Auslöser für die Krawalle war am Donnerstag eine Bluttat in der Nähe des sozialen Brennpunkts Parnell Square. Nachdem er zuvor Augenzeugen zufolge mehrere Minuten vor einer Schule mit Kindergarten herumgelungert hatte, stach ein Mann mit einem Messer wahllos auf kleine Kinder ein. Eine Lehrerin fiel ihm in den Arm und trug ebenso lebensgefährliche Verletzungen davon wie ein fünfjähriges Mädchen, zwei weitere Kinder erlitten leichtere Verletzungen.

Der Täter wurde von einem vorbeikommenden Motorrad-Kurier entwaffnet und von anderen Passanten sistiert; offenbar hatte er sich mit dem Messer selbst Verletzungen beigebracht. Der von aufgebrachten Passanten vorgebrachten Forderung nach Lynchjustiz stellten sich den vorläufigen Polizei-Ermittlungen sowie Medienberichten zufolge mehrere Frauen so lange in den Weg, bis die ersten Garda-Beamten vor Ort eintrafen.

400 Polizeibeamte im Einsatz

Bei dem Täter handelt es sich offenbar um einen auf gut 50 Jahre geschätzten Iren algerischer Herkunft. In der Nachbarschaft sowie auf den unsozialen Medien Telegram und X/Twitter war rasch von einem Asylbewerber die Rede. Anonyme Hassprediger riefen online zu Krawallen, ja sogar zur Tötung von Immigranten auf. Bis tief in den Abend hinein lieferten sich Hunderte von Männern Gefechte mit den herbeigeeilten Garda-Einheiten und skandierten fremdenfeindliche Parolen. Er habe 400 Beamte im Einsatz gehabt, berichtete Polizeipräsident Drew Harris, der höchste Garda-Chef des Landes: „Wir haben eine total durchgedrehte Gruppe von Hooligans, die von extrem rechter Ideologie durchdrungen sind, und schwere Gewalt ausüben.“

Am Freitagmorgen war die Stadtreinigung noch damit beschäftigt, die zahlreichen ausgebrannten Autowracks und das Gerippe einer Trambahn aus dem Weg zu schaffen. Die Bilanz der Garda sprach von dreizehn beschädigten und ausgeplünderten Geschäften, elf massiv oder komplett beschädigten Polizeifahrzeugen, drei ausgebrannten Bussen und einer ebenfalls komplett zerstörten Trambahn. 34 Randalierer wurden vorläufig festgenommen.

Krawalle mit Plünderungen und Brandstiftungen kennen die Südiren eigentlich nur aus dem britischen Norden der grünen Insel, wo solche Ausschreitungen aber seit dem Ende des Bürgerkrieges ebenfalls selten geworden sind. Die Bevölkerung der Republik hingegen hat beispielsweise das brutale Sparprogramm im Gefolge des Finanzcrashs von 2008, anders als etwa die Griechen, beinahe klaglos hingenommen. Allerdings sorgen vor allem in Dublin immer wieder Schießereien und Messerstechereien zwischen Mitgliedern krimineller Banden für Schlagzeilen.

Harte rechte Parteien sind bisher im Parlament Dáil nicht vertreten und für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar; winzige neofaschistische Gruppierungen machen gelegentlich von sich reden, weil Teilnehmer ihrer Kundgebungen in SS-Uniformen auftreten. Wie vergleichbare Strömungen auf dem europäischen Kontinent finden sich auf dem rechten Rand Klimawandel-Leugner, Kritiker der – in Irland sehr harten – Covid-Lockdowns sowie der zunehmenden Einwanderung zusammen. Die große Koalition unter Einschluss der Grünen dürfte bei der kommenden Wahl von einer Regierung unter Leitung der linkspopulistischen Sinn Féin abgelöst werden; dass der frühere Arm der katholisch-republikanischen Terrortruppe IRA seit Jahren in den Umfragen weit vorn liegt, dürfte der harten Rechten Zulauf verschaffen.