Nach dem Hin und Her, wer rechtlich über das weitere Schicksal der Ex-Umweltministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“) zu entscheiden hat, haben die Mehrheitsparteien des Luxemburger Parlaments Mitte Mai entschieden, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Der soll die weiteren Prozeduren und die Zuständigkeiten in der Affäre klar regeln. Der Gesetzentwurf ist nun da – öffentlich auf der Chamber-Internetseite einsehbar und versehen mit der Nummer 8049. Doch: Das Gesetz soll mit dem Inkrafttreten der Verfassungsanpassung seine Gültigkeit verlieren, weil darin eine eigene Regelung für solche Fälle vorgesehen sein soll.
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„Wäre die neue Verfassung schon in Kraft, dann könnte ein Regierungsmitglied ganz normal angeklagt und verurteilt werden“, erklärt der DP-Abgeordnete Gilles Baum am Dienstag gegenüber dem Tageblatt. Da das aber nicht der Fall ist, musste der Gesetzentwurf her. Aber was steht da drin? Im Prinzip gehe es in dem Vorschlag darum, dass laut dem Text jedes Regierungsmitglied ganz „normal“ verklagt werden könne – eben nach dem Recht, das auch für alle anderen Menschen in Luxemburg gilt, so Baum in seiner Zusammenfassung des Vorschlags. „Derjenige kann dann genauso vor Gericht aussagen, Fragen der Polizei beantworten oder eine Durchsuchung durchlaufen, wie jeder andere Bürger auch“, ergänzt er. Ausnahmen für bestimmte Personen gebe es laut dem DP-Abgeordneten dabei nicht.
Den Fall schließen oder Anklage erheben?
Baum erklärt, man wolle das Gesetz möglichst zügig verabschieden, damit es mit der Causa Dieschbourg vorangehen könne. „Daher haben wir jetzt das Gesetz ausgearbeitet und auf den Weg gebracht, in der Hoffnung, dass der Staatsrat das begleitet und Carole Dieschbourg bald aussagen kann“, sagt der Politiker. „Wenn alles klappt und der Staatsrat mitspielt, können wir das Gesetz im Oktober stimmen, und dann wäre der Weg von der Prozedur her endlich frei.“ Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei könnten dann ihre Arbeit machen und den Bericht fertigstellen, anhand dessen die Chamber dann schließlich darüber entscheiden könne, ob der Fall „geschlossen“ oder Anklage erhoben werde.
Zur Erinnerung: Anfang Mai, rund zwei Wochen nach Dieschbourgs Rücktritt am 22. April, kommen in der Präsidentenkonferenz der Chamber nach einem Tageblatt-Artikel Zweifel auf, ob das Parlament tatsächlich darüber zu befinden hat, ob die Ex-Ministerin sich vor einem Gericht verantworten muss. In dem Artikel kam der Verfassungsexperte Luc Heuschling zu Wort, der schließlich einige Zeit später zu dem Thema in der Chamber gehört wurde.
Heuschling stellte in dieser Anhörung zwei mögliche Wege vor. Option 1: Die Verfassung anders zu interpretieren. In der Verfassung stehe „membre de gouvernement“, doch Ex-Minister müssten dort nicht automatisch mit einbegriffen sein, Carole Dieschbourg sei jetzt nicht mehr Teil der Regierung. „Aber dann muss man den Mut haben zu sagen, wir ändern die Interpretation“, sagte Heuschling Mitte Mai. Das Problem sei allerdings, dass die Staatsanwaltschaft das nicht so sehen könnte. Dann sei man in einer Situation, in der sich sowohl Chamber als auch Staatsanwaltschaft nicht zuständig fühlen – und dann wäre niemand verantwortlich. Option 2: ein neuer Gesetzestext. „Die Chamber könnte die Arbeit dann an die Staatsanwaltschaft outsourcen“, so Heuschling damals. Die Staatsanwaltschaft würde also ganz normal ermitteln und eine Schlussfolgerung ziehen.
Ein Gesetz für die Übergangszeit bis zur neuen Verfassung
Die Zwickmühle aus Option 1 könnte demnach erklären, warum vermutlich folgender Abschnitt seinen Weg in den Gesetzentwurf gefunden hat: „Dieses Gesetz gilt für amtierende Regierungsmitglieder für Straftaten, die ihnen während der Ausübung ihres Amtes vorgeworfen werden, unabhängig davon, ob diese Straftaten innerhalb oder außerhalb ihres Amtes begangen wurden; es gilt auch für Straftaten, die vor dem Beginn der Amtszeit des amtierenden Regierungsmitglieds begangen wurden; und für ehemalige Regierungsmitglieder für Straftaten, die ihnen vorgeworfen werden, während der Ausübung ihres früheren Amtes begangen zu haben.“
Wird der Vorschlag wie von Baum angesprochen demnächst gestimmt, verliert der für den Übergang gedachte Gesetzestext seine Gültigkeit „mit dem Inkrafttreten eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung und zur Aufhebung des derzeit geltenden Artikels 82 der Verfassung“, heißt es in dem Entwurf. Laut dem DP-Abgeordneten peile man für die neue Verfassung derzeit den Mai oder Juni des kommenden Jahres an.
Hier können Sie die Hintergründe zu dem Thema nachlesen:
– Causa Dieschbourg: Entscheidung vertagt – Chamber will Ausführungsgesetz ausarbeiten
– Opposition zur Anhörung von Luc Heuschling: „Das hätten wir uns sparen können“
– Warum eine Anklage gegen einen Minister in Luxemburg so schwierig ist
– Medienbericht: Dieschbourg wusste bereits vor den Abgeordneten von Weiterleitung des Dossiers
– „Nicht meine Entscheidung“: Luxemburgs Generalstaatsanwältin äußert sich zu Dieschbourg-Fall
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