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Groovy & Snappy„Fouer“ vor 60 Jahren: Als sich die Jugend zu Sounds aus Amerika und England traf

Groovy & Snappy / „Fouer“ vor 60 Jahren: Als sich die Jugend zu Sounds aus Amerika und England traf
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Erinnerungen von René Oth an musikalische Glanzzeiten der Kirmeskarussells in den 1950er- und 1960er-Jahren

An den charakteristischen Sound, der auf der „Schueberfouer“ vor etwa 60 Jahren von den Schaustellerattraktionen des Glacisfelds auf die Besucher herüberschwappte, vermögen sich wahrscheinlich nur noch die allerwenigsten zu erinnern. Ein paar außergewöhnliche CDs vermögen es, unserem schwächelnden Gedächtnis musikalisch auf die Sprünge zu helfen.

Das größte Volksfest Luxemburgs

Immer schon lebte Kirmes von der Nostalgie-Sehnsucht der Menschen, was wahrscheinlich auch die Musikauswahl der Fahrgeschäfte bedingte. Früher, als wir noch zu den rummelbegeisterten Teenagern gehörten, waren wir auf die Discjockeys der Budenbesitzer angewiesen, um auf dem Kirmesplatz die „schräge“ Musik der heranwachsenden Generation zu hören, die gierig aufgesaugt wurde. In der Tat konnte man sich hier ohne die gestrengen Blicke der Eltern unter Gleichgesinnten locker treffen. Diskotheken gab es zur Zeit unserer Jugend nicht, was sich heute als kaum vorstellbar erweist. Damals war das Taschengeld äußerst knapp bemessen, und die Eisdiele mit der Musikbox war auf Dauer zu teuer.

So wurden Riesenrad, Überkopfschaukel, Kettenkarussell, Raupenbahn, Rollercoaster und Autoskooter mit ihrem rasanten Fahrspaß zum Treffpunkt für junge Leute, weil sie dort ungestört den neuesten Klängen aus Amerika und England lauschen konnten. Und bei Rock’n’Roll und Twist im Ohr wagte so manches Pärchen einen ersten zarten Kuss unter dem Verdeck der Raupenbahn.

Musikalische Zeitreise

Auf den bemerkenswerten neuen CDs „On the Dance Floor With a Twist“ (1) und „Meet Me at the Candy Store“ (2) erinnern 56 Hits und Raritäten an die klanglichen Highlights der Kirmeskarussells aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals lief die Musik der Jugendlichen auf dem Rummelplatz, wo man sich zum Flirten und Knutschen traf und wo gerockt und getwistet wurde. Später fand das alles in Discos statt, aber deren abgeschirmte Atmosphäre war einfach nicht vergleichbar mit dem außergewöhnlichen Flair eines nach allen Seiten offenen Jahrmarkts.

Auf den Plattentellern der Fahrgeschäfte drehten sich nicht nur die großen Erfolge jener Tage, sondern auch als Geheimtipps hoch gepriesene Raritäten, die derzeit beinahe vergessen sind und es trotzdem verdienen, wieder aus der Versenkung herausgeholt zu werden. Im Radio und auf den offiziellen Tanzböden wurde die Jugend immer noch mit den üblichen Schnulzen eingelullt, wohingegen auf dem Rummel mit „Rock auf der Raupe“ die Post richtig abging.

(1) Various Artists<br />
„On the Dancefloor With A Twist - 25 Tunes to Twist It Up“<br />
Bear Family Records,<br />
15,95 Euro
(1) Various Artists
„On the Dancefloor With A Twist - 25 Tunes to Twist It Up“
Bear Family Records,
15,95 Euro c

„On the Dance Floor With a Twist“ (1) erweist sich als eine höchst unterhaltsame und absolut tanzbare Zusammenstellung mit 25 der besten Beispiele aus einer Welt, die Anfang der ‘60er jahrelang vom Twistfieber infiziert blieb. Die Isley Brothers, Gary U.S. Bonds, Jo Ann Campbell und Danny and The Juniors sind mit großartigen Klassikern vertreten.

(2) Various Artists<br />
„Meet Me At The Candy Store - 31 Sweets for the Dentist's Joy“<br />
Bear Family Records,<br />
9,95 Euro
(2) Various Artists
„Meet Me At The Candy Store - 31 Sweets for the Dentist's Joy“
Bear Family Records,
9,95 Euro c

„Meet Me at the Candy Store“ (2) erinnert daran, dass Süßwarenladen mit ihren kleinen Freuden des Alltags immer schon als Treffpunkt galten – auch auf der Fouer, und liefert als liebevolle Zusammenstellung den nostalgischen Soundtrack dazu – mit 31 Einspielungen der Jahre 1950-1964 als musikalische Bonbons einer äußerst lebendigen Zeit. Hauptsächlich gibt es Rock’n’Roll mit reichlich Doo-Wop zu hören, wobei „Sweets For My Sweet“ der wohl bekannteste Song dieser Kompilation sein dürfte, hier in der Originalversion der Drifters (den meisten Hörern wird die englische Fassung der Searchers geläufig sein).

(3) Various Artists<br />
„Mit der Raupe fahr’n...“<br />
Bear Family Records,<br />
13,95 Euro
(3) Various Artists
„Mit der Raupe fahr’n...“
Bear Family Records,
13,95 Euro c

Oldies vom Rummelplatz

Die schon zum Kultklassiker gewordene CD „Mit der Raupe fahr’n“ (3) schwelgt auch in den unvergesslichen Erinnerungen, die mit den Fahrten auf den Karussells von Jahrmärkten und Volksfesten vertäut waren, und bietet dabei musikalisch einmalige Leckerbissen aus der ganz besonderen Ära der Fünfziger- und Sechzigerjahre.

Dazu gehören unter anderem das stampfende, mit Energie vollgeladene „Red River Rock“ von Johnny & the Hurricanes, eine hart rockende Neufassung der altbekannten Weise „Red River Valley“; der mitreißende Tanzklassiker „Woo Hoo“ der Rock-A-Teens, ein heftig vorwärtstreibender Instrumentalhit mit einigen heißen Solobreaks; das urwüchsige „Way Down Yonder in New Orleans“ des dynamischen Freddy Cannon, einer der letzten und besten Vertreter des wilden, lauten Rock’n’Roll; das dionysisch beseelte „Voodoo“ der Rhythm-and-Blues-Königin Lavern Baker; das rau vorwärts rollende „Ain’t Got No Home“ des auf musikalischen Mummenschanz bedachten Clarence „Frogman“ Henry, der in diesem lustigen Song den laut ihm seinerzeit vorherrschenden Zustand von Entwurzelung und Mangel an moralischen Normen beklagte, indem er im Falsett die Stimme einer Frau und eines Frosches nachahmte …

Ob die heutige Musik, die auf der „Schueberfouer“, einer der größten Kirmessen Europas, mit ihrer einzigartigen Mischung aus Tradition, Gastronomie und Attraktionen, von überall auf uns eindröhnt, auch noch nach fünfzig oder sechzig Jahren bei unseren inzwischen erwachsen gewordenen Enkeln Nostalgiegefühle zu erzeugen vermag, steht auf einem anderen Blatt.