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WissenschaftForscher in Luxemburg suchen nach Lösungen für Allergiker

Wissenschaft / Forscher in Luxemburg suchen nach Lösungen für Allergiker
 Foto: dpa/Uwe Anspach

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Allergien wie Heuschnupfen sind seit Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt. Seither sind viele Medikamente entwickelt worden, die betroffenen Personen das Leben erleichtern können. Auch in Luxemburg wird an der Aufdeckung und Bekämpfung von Allergien geforscht, wie unsere Korrespondentin Elke Bunge herausfand.

Allergien sind heutzutage in aller Munde. Statistiken zufolge zählen sie zu den „Volkskrankheiten“ erster Ordnung, etwa 30 bis 40 Prozent der Europäer leiden an irgendeiner Form von Allergien. Die Kosten, die im Zusammenhang mit allergischen Erkrankungen entstehen, sind beachtlich: EU-weit rechnet man mit jährlichen Summen in Höhe von 150 Milliarden Euro.

Fachbegriffe entstand Anfang des 20. Jahrhunderts

Der medizinische Fachbegriff wurde erst im Jahr 1906 durch den Wiener Kinderarzt Clement von Pirquet geprägt. Beobachtete Überreaktionen, die unmittelbar nach Impfungen ausgelöst wurden, bezeichnete von Pirquet als „Allergien“. Bereits vier Jahre zuvor entdeckten Paul Portier und Charles Richet bei Immunversuchen an Hunden ein Phänomen, das sie Anaphylaxie nannten: Bei Experimenten injizierten sie den Tieren ein Extrakt aus dem Gift des Samtanemonenfisches. Zwei Wochen später wurde der Versuch wiederholt. Statt einer erhofften Immunität trat jedoch ein plötzlicher Schock auf. Und statt des erhofften Schutzes – griechisch „Phylaxie“ – zeigte sich das Gegenteil, die sogenannte Anaphylaxie. So entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei medizinische Fachbegriffe, die bis heute eng miteinander verbunden sind.

Die Geschichte allergischer Reaktionen und ihrer Erkenntnis ist jedoch schon viel älter, auch wenn es damals noch an wissenschaftlichen Erklärungen fehlte. Bereits um 1570 hatte der Wiener Hofarzt Pietro Andrea Mattioli bei einem Patienten das Phänomen erkannt, dass dieser mit heftigem Augentränen und Schnupfenattacken kämpfen musste, sowie er sich mit einer Katze in einem Raum befand.1833 äußerte der englische Arzt John Elliotson nach Beobachtung etlicher Patienten erstmals die Vermutung, dass Gräserpollen Auslöser für eine Erkrankung seien, die ebenfalls mit Schnupfen und tränenden Augen einherging. Er und weitere Kollegen von der britischen Insel nannten das Phänomen „hay fever“, im deutschsprachigen Raum hat sich dieser Begriff als „Heuschnupfen“ verbreitet.

Mitte des 20. Jahrhunderts fasste man den Begriff der Allergien noch weiter. Neben den Reaktionen auf Pollenflug, Hausstaub und Hausmilben wurden auch solche auf Kosmetika und Lebensmittel einbezogen. Die Wissenschaft hat schließlich 1967 herausgefunden, dass der Antikörper Immunglobulin E (IgE) in engem Zusammenhang mit allergischen Reaktionen steht. Immunglobulin E kann sich an Mastzellen und bestimmte Leukozyten lagern und dort über Jahre hinweg im Körper bleiben. Bindet es dort Allergene, so veranlasst IgE diese Zellen, Stoffe auszuschütten, die eine Allergie auslösen. Mediziner können schließlich über den IgE-Spiegel eines Patienten schließen, welches Allergierisiko der betroffene Mensch hat.

Spitzenforschung in Luxemburg mit zwei Schwerpunkten

In Luxemburg ist das Departement of Infection and Immunity des Luxembourg Institute of Health (LIH) in Esch/Belval Vorreiter in der hiesigen Allergie-Forschung. Die Wissenschaftler um Professor Markus Ollert haben ihre Arbeiten dabei auf zwei Schwerpunktgebiete gerichtet. Eine Arbeitsgruppe unter Markus Ollert beschäftigt sich mit dem Thema „Allergie und Klinische Immunologie“, hier richten sich Forschung und klinische Tätigkeit vor allem auf die Entwicklung neuer therapeutischer Verfahren.

Die zweite Gruppe – geleitet von Christiane Hilger und Annette Kuehn – widmet sich in erster Linie der Grundlagenforschung. Ihr Themenkreis ist überschrieben mit den Begriffen „Molekulare und Translationale Allergologie“. Translational bedeutet dabei die Umsetzung von Forschungsergebnissen aus Biochemie und Medizin in die aktuelle Gesundheitsversorgung. Und so arbeiten beide Arbeitsgruppen des LIH eng miteinander zusammen. Die Forschung von Hilger und Kuehn richtet sich insbesondere auf die weitere Entschlüsselung und Katalogisierung von Allergenen. „Wir erforschen die molekularen und immunologischen Eigenschaften der Allergene sowie ihre Interaktionen mit dem menschlichen Körper, um besser verstehen zu können, wie Allergien entstehen“, erklärt Christiane Hilger ihr Forschungsgebiet. Ziel sei es dann, Wege zu finden, wie Allergien besser behandelt werden können oder man sich durch Vorbeugung schützen kann. Für diese Arbeiten erlangte die Forschungsgruppe auch internationale Anerkennung und arbeitet mit vielen Gruppen europäischer Forschungseinrichtungen zusammen.

In der Gruppe „Klinische Immunologie“ entwickeln die Wissenschaftler um Ollert Methoden zur allergenspezifischen Immuntherapie, auch bekannt als „Hyposensibilisierung“. Ihre Erkenntnisse aus der Allergenforschung gelangen direkt in therapeutische Anwendung, ein Augenmerk wird derzeit auf die Behandlung der allergischen Rhinitis gelegt. Dabei verfolgt man zwei Therapieansätze: Zum einen wird die sublinguale allergenspezifische Immuntherapie (SLIT) entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Behandlungsform, bei der das Medikament „spritzenfrei“ als Schmelztablette gereicht wird. Doch auch an der Weiterentwicklung der klassischen subkutanen Spritzentherapie (SCIT) wird weiter geforscht. „Unser Anliegen ist, unseren Rhinitis-Patienten eine schnellere Linderung ihrer Leiden zu ermöglichen“, erklärt Markus Ollert. Derzeit liegt die Therapiezeit noch zwischen drei und fünf Jahren, das Institut arbeitet daran, mit modernen Medikationen diese Zeit deutlich zu verkürzen.

Allergien und Covid-19

Zurzeit jedoch schaut alles auf die Covid-19-Pandemie, auch Allergiker gelten als Risikopatienten. Zwar ist nach Angaben des LIH nicht bekannt, dass eine allergische Rhinitis oder ein allergisches Asthma eher dazu führt, an Covid-19 zu erkranken, doch dürften die ohnehin von Heuschnupfen oder Asthma bronchiale angegriffenen Atemwege ein idealer Ansatzboden für eine Infektion mit den tödlichen Viren sein. Dies könnte bei Erkrankungen zu schwereren Verläufen führen.

Auch bei einer Impfung müssen Allergiker achtsamer vorgehen. Treten bei der Erstimmunisierung bereits heftige allergische bis anaphylaktische Reaktionen auf, darf eine Zweitimpfung nur unter Notfallbereitschaft erfolgen. Möglicherweise sollte dann auch der Impfstoff gewechselt oder überhaupt auf eine zweite Injektion verzichtet werden.