Schon die Alchemisten im alten Ägypten oder Griechenland versuchten sich erfolglos mit der Herstellung von Gold. Flüssiges Gold hingegen, aus einem Jahrhundertjahrgang, pressen die Weinmacher der Genossenschaftskellerei zu einem „vin de paille“. Herbert Becker war für das Tageblatt mit dabei.
Die Weinberge entlang der Luxemburger Mosel sind bereit für den Winterschlaf. Bei unserer Fahrt am frühen Morgen entlang der Rebenhänge tauchen der Nebel und die Morgensonne sie in einen weißen Schleier – die Rebstöcke wirken karg, der überragende Jahrgang 2018 ist eingefahren und alle Wein- und Crémant-Freunde sind in freudiger Erwartung auf das, was die Weinmacher zwischen Wasserbillig und Schengen in die Flaschen füllen werden.
Unser Ziel ist der Sitz der Genossenschaftskellerei „Vinsmoselle“ in Wellenstein.
Generaldirektor Patrick Berg, Vizepräsidentin Claudine Kohll-Lambinet, Kellermeister Matthias Lambert und Weinbauberater Harald Beck haben die Medienvertreter aus der Großregion eingeladen, live bei der Pressung des „vin de paille“ des aktuellen Jahrgangs dabei zu sein. Der sogenannte „Strohwein“ ist einer der begehrenswertesten Tropfen, die ein Weinbaubetrieb oder eine Kellerei hervorbringen kann. Das Herstellungsverfahren ist aufwendig in jeglicher Hinsicht, der Ertrag zumeist nur minimal, die Erstehungskosten sind im obersten Preissegment angesiedelt.
Lesegut ist handverlesen
Matthias Lambert erklärt das Herstellungsverfahren des „vin de paille“. Aus der diesjährigen Ernte haben die Mitgliedswinzern je 1.900 kg Auxerrois- und Gewürztraminer-Trauben nach Wellenstein geliefert. Das Lesegut ist absolut gesund und handverlesen und wird in speziellen Kunststoffboxen, die die Kellerei zur Verfügung stellt, angeliefert.
Die Boxen sind mit einem Lochmuster versehen, welches eine angemessene Luftzirkulation während des Trocknungsprozesses garantiert. Durch Belüftung mittels Ventilatoren und der vorgegebenen Zeit vollzieht sich der Wasserentzug. Der Gesetzgeber schreibt hier acht Wochen vor, die Trauben bei Vinsmoselle darren gar zehn Wochen in den Boxen und werden ständig umgestapelt.
Einen Tag vor der Pressung werden die Trauben – jetzt eigentlich nur noch Rosinen – eingemaischt und nun vor unseren Augen in die Presse gefüllt. Neben Auxerrois und Gewürztraminer sind in Luxemburg zudem noch Pinot gris und Pinot blanc für die Strohweinpressung zugelassen.
Mindest-Oechslewert von 80°
Weiter vorgeschrieben ist ein Mindest-Oechslewert von 80° bei der Ernte, die beiden eingelieferten Chargen lagen bei über 90°. Mit Spannung erwarten die Macher und Medienvertreter das Messergebnis der ersten Pressung: Matthias Lambert verkündet beachtliche 189° Oechsle. „Das wird ein ausgezeichneter Tropfen,“ lässt er uns wissen. „Wenn alles gut läuft, werden wir aus beiden Rebsorten zusammen zwischen 700 und 800 Flaschen je 0,375 Liter abfüllen können, das geschieht jedoch frühestens im Mai oder Juni nächsten Jahres. Die Strohweine zeigen sich am Anfang stets immer noch ein wenig disharmonisch. Da sie aber nahezu unbegrenzt lagerfähig sind, sollte man sie frühestens zwei oder drei Jahre nach der Abfüllung degustieren.“
So lange sind wir jedoch nicht gewillt zu warten und Marketingleiterin Hanna Meyer zeigt sich generös und offeriert zwei Strohweine aus den Jahrgängen 2015 und 2016. Gülden präsentiert sich das köstliche Nass in unseren Gläsern, elegant, vollmundig am Gaumen, Nase und Zungen vernehmen gelbe, reife Früchte, kurz: flüssiges Gold oder ein Schluck Glückseligkeit für jeden Weinliebhaber.
Strohwein
Je nach Herkunftsland wird der „vin de paille“ auf unterschiedliche Weise getrocknet. Wurde das Lesegut früher ausschließlich auf Strohmatten getrocknet, erlaubt die EU-Verordnung diese Praxis aus hygienischen Gründen heute nicht mehr. Während im Großherzogtum die im Text beschriebenen Kunststoffboxen verwendet werden, benutzt man z.B. in Italien oder Österreich Holzgestelle oder spezielle Folien für den Trocknungsprozess.
Bekannteste Strohweine sind der aus Italien kommende Amarone della Valpolicella oder der Commandaria aus Zypern. Letzterer ähnelt sehr dem Sherry wegen seines hohen Alkoholgehaltes und die autochthonen Traubensorten werden auf fast 2.000 Hektar Rebfläche angebaut und europaweit vermarktet. Ähnliche Erzeugnisse in Deutschland heißen „Beerenauslese“ oder „Trockenbeerenauslese.
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