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Klimawandel/UmweltFilmkritik: Der „Waldmacher“ 

Klimawandel/Umwelt / Filmkritik: Der „Waldmacher“ 
Für die von ihm entdeckte Methode des „Farmer Managed Natural Regeneration“ (FMNR) erhält Tony Rinaudo (65) 2018 den alternativen Nobelpreis. Hier zeigt er, wie es geht.  Foto: World Vision

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Die Szenarien sind durchweg düster. Hitzewellen, ausgedörrte Böden und Nahrungsmittelknappheit sind Folgen des Klimawandels. Vor diesem Hintergrund macht der Film „Der Waldmacher“ Mut. Er dokumentiert das Leben und Werk von Tony Rinaudo (65). Der australische Agrarwissenschaftler hat Teile der Sahelzone wieder begrünt, ohne einen einzigen Baum zu pflanzen. 2018 erhält er den „Right Livelihood Award“, den alternativen Nobelpreis.

Schlüsselsätze können einiges bewegen. Oft völlig unvorhersehbar. „Über Tony Rinaudo wird gesagt, er lasse ganze Wälder wachsen, ohne einen einzigen Baum zu pflanzen“, ist so ein Satz. Damit steigt die Dokumentation über den australischen Agrarwissenschaftler, der fast zwei Jahrzehnte in Afrika lebt, ein. Dieser Satz bewegt den heute 83 Jahre alten Oscarpreisträger und Grand Seigneur des deutschen Films, Volker Schlöndorff, sich erstmals an eine Dokumentation zu wagen.

Die Ergebnisse dieses Satzes sind in der Sahelzone zu sehen. Als Rinaudo in den achtziger Jahren mit seiner Familie in den Niger zieht, sind viele Böden durch Abholzung verkarstet und verödet. Die Wüste breitet sich scheinbar unaufhaltsam aus. Per Zufall entdeckt er, dass das Wurzelwerk der gefällten Bäume unterirdisch weiterlebt. Die vereinzelt sichtbaren oberirdischen Triebe wachsen, wenn sie regelmäßig beschnitten werden.

Groß genug spenden die Bäume schließlich Schatten, schützen vor weiterer Erosion. Die herabgefallenen Blätter kühlen den Boden und werden zu Humus. „Farmer Managed Natural Regeneration“ (FMNR) nennt Rinaudo seine Methode, mit der heute Kleinbauern in Afrika wieder Erträge erwirtschaften. Er ist überzeugt, dass Afrika mit den richtigen Anbaumethoden die ganze Welt ernähren könnte, würden noch mehr Landwirte mitmachen.

Bescheidenheit und Optimismus 

Für Schlöndorffs Dokumentation kehrt er noch einmal in den Niger zurück, wo seinerzeit alles begann. Der Film zeigt einen in sich ruhenden, bescheidenen Protagonisten, der jedem geduldig zuhört und mit unerschütterlichem Optimismus an seine Methode glaubt. Kein Dorfpalaver und kaum eine Radiostation, die er auf dieser Reise nicht benutzt, um für FMNR zu werben.

Das Radio ist, erfährt der Zuschauer, oftmals die einzige Verbindung in die entlegenen Dörfer der dünn besiedelten Regionen. Dabei bleibt es aber nicht. Behutsam nähert sich Regisseur Schlöndorff gleichzeitig Afrikanern an, die Rinaudos Methode anwenden. Mit den eingeblendeten Sequenzen afrikanischer Kollegen zollt er ihnen seinen Respekt. Damit geht der Film über das Leben seines Protagonisten hinaus in die afrikanische Wirklichkeit.

Sie zeigt eine Bevölkerung, die wenig bis kein Vertrauen in ihre Politiker hat und Menschen, die auf sich selbst gestellt das Beste daraus machen. Zwischen den Sequenzen spart Schlöndorff nicht mit Kritik an der aktuellen Entwicklungspolitik. Milliarden US-Dollar und Euro landen häufig in den Taschen afrikanischer Eliten, sprich Politiker. Die Landbevölkerung sieht davon wenig bis nichts. Sie sind die ersten, die hungern, wenn es Missernten oder Dürren gibt.

Blut, Schweiß und Tränen

Schlöndorff ist mit der Dokumentation das Porträt eines beeindruckenden Vordenkers und Vorbildes gelungen, ohne Probleme zu verschweigen. Denn auch Rinaudo muss herbe Rückschläge einstecken, ist zeitweise kurz davor aufzugeben. Das Bewusstsein, dass Veränderungen lange brauchen, hat den Optimisten auch nach seinem Durchbruch nie verlassen. Inzwischen wenden Bauern in 25 afrikanischen Ländern seine Methode an.

„Es braucht Hingabe, Ausdauer und ein bisschen Blut, Schweiß und Tränen“, wird Rinaudo am Ende des Films sagen. „Wenn es das braucht, dann los!“ Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt an dem Film gibt, dann gilt sie dem religiös-spirituellen Einstieg am Anfang der Produktion. Er ist verzichtbar angesichts der eigentlichen Botschaft: Es gibt Wege aus der Krise, man muss sie nur sehen. Zu der Einsicht gelangt auch der Regisseur. Mit der Feststellung, „dass es Lösungen gibt, habe ich gesehen“, entlässt Schlöndorff den Zuschauer nach 86 Minuten ins Hier und Jetzt. Das macht Mut.

Ferientipp

Ab 25. 8. gibt es den Film laut dem Verleih Weltkino als DVD und digital. Für alle Daheimgebliebenen – und nicht nur sie – ist es ein schöner Filmabend in den Ferien. www.weltkino.de