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StudieFeuchtfröhliches Überschätzen im Straßenverkehr

Studie / Feuchtfröhliches Überschätzen im Straßenverkehr
Alkohol am Steuer kann nicht nur die Fahrer finanziell teuer zu stehen kommen, sondern auch dramatische Folgen für andere Verkehrsteilnehmer haben Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Silvester steht vor der Tür, der Jahresausklang wird häufig feuchtfröhlich mit dem Genuss alkoholischer Getränke begangen. Für die Heimfahrt ist das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Taxis angeraten, doch viele Menschen nehmen ihr eigenes Auto, um nach Hause zu kommen. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Universitäten von Cambridge und Witten/Herdecke zeigt aktuell auf, wie schnell man die eigene Fahrtüchtigkeit überschätzen kann.

Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge gehört Alkoholeinfluss weltweit zu den häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle. Luxemburger Statistiken bestätigen diese WHO-Aussagen deutlich: Mehr als 80 Prozent der Führerscheinentzüge gehen auf Alkohol am Steuer zurück, bei jedem fünften Verkehrsunfall spielt ebenfalls Alkohol eine Rolle. Nach Polizeiangaben wurden jährlich etwa 1.400 Führerscheine eingezogen, nachdem die Fahrer(innen) jeweils einen Blutalkoholgehalt oberhalb des gesetzlichen Limits von 0,5 Promille nachwiesen.

Viele Menschen fühlen sich jedoch selbst mit einem solchen Blutalkoholniveau noch fahrtauglich und reaktionsfähig. Wissenschaftler der Universitäten von Cambridge (UK) und Witten-Herdecke (BRD) wollten diesem Phänomen nachgehen und untersuchten in einem gezielten Experiment, in welchem Grade Menschen noch in der Lage wären, den Pegel ihres Alkoholkonsums annähernd richtig einzuschätzen. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten sie Anfang Dezember im Fachjournal „Harm Reduction Journal“.

Zieltrinken erwünscht

Die Mediziner unter Forschungsleiter Kai O. Hensel gewannen für das Experiment 90 Probanden, zur Hälfte Frauen, die in einer gesundheitlich und körperlich guten Verfassung waren. Nach einer Online-Umfrage hatten die Wissenschaftler junge Menschen im Alter von durchschnittlich 24 Jahren ausgewählt, die angaben, mäßig, aber regelmäßig Alkohol zu konsumieren. Aufgrund dieser Prämisse nannten die Forscher um Hensel die Probandengruppe „soziale Trinker“. An zwei Testtagen wurde den Probanden zu einem geselligen Essen Alkohol – Pilsner Bier und Weißwein – gereicht. Regelmäßig, aber verdeckt wurde der Atemalkoholgehalt der Testpersonen gemessen. Deren Aufgabe war es, selbst einzuschätzen, ab welchem Getränkegenuss sie den gesetzlich erlaubten Blutalkoholwert (in Deutschland 0,5 Promille, in UK 0,8 Promille) erreicht hätten und sich noch fahrtüchtig wähnten.

Das Ergebnis war – wenn das Bonmot an dieser Stelle erlaubt ist – ernüchternd: Am ersten Testtag unterschätzten 39 Prozent der Probanden die Wirkung des Alkohols. Sie hatten den gesetzlich erlaubten Wert überschritten, in einigen Fällen sogar sehr deutlich.

Am zweiten Testtag fiel das Ergebnis noch deutlicher aus. Diesmal waren es sogar 53 Prozent der Probanden, die über einen höheren Blutalkoholpegel verfügten, als rechtlich zulässig war. Dennoch gaben viele der Testpersonen an, sich zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen in der Lage zu fühlen, ein Fahrzeug sicher steuern zu können.

Fehleinschätzung mit Folgen

„In den meisten Ländern mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Alkohollimit sind es zumeist die Fahrer, die einschätzen müssen, ob sie noch fahrtauglich sind“, meint Studienleiter Kai O. Hensel und warnt: „Wie unsere Tests gezeigt haben, kann man dabei deutlich Fehleinschätzungen unterliegen – gut die Hälfte unserer Probanden erklärten, noch fahrtauglich zu sein, obwohl sie gesetzlichen Begrenzungen bereits überschritten haben. Fehlreaktionen und Unfälle mit zum Teil dramatischen Folgen können die Konsequenzen solcher falschen Einschätzungen sein.“

Denn, wie sich beim Erfüllen weiterer Aufgaben zeigte, waren Probanden in einem Fahrzeugsimulator in vielen Fällen nicht in der Lage, das Auto in der Spur zu halten. Reaktionen auf plötzlich eintretende Situationen kamen deutlich zu spät. In der Praxis auf der Straße würde dies zu Unfällen, häufig mit Personenschaden, führen. Nach WHO-Angaben sind Verkehrsunfälle die häufigste Todesursache bei Menschen im Alter zwischen fünf und 29 Jahren. Als eine der wichtigsten Ursachen für diese Unfälle sieht die Gesundheitsorganisation den Genuss von Alkohol an.