Es ist sinnlos, Plastikmüll zu vermeiden. Und das sage ich, nachdem ich es eine Woche lang versucht habe. Ein Erfahrungsbericht von Rebecca Baden*.
Meine Woche ohne Plastikmüll beginnt wie die meisten meiner guten Tage: mit einer Zahnbürste. Doch das Exemplar, das an diesem Samstag auf dem Kassenband einer bekannten deutschen Drogeriekette landet, ist anders als die bisherigen Modelle in meinem Leben. Der Griff ist aus Schweizer Buchenholz, die Borsten sind aus einem biobasierten Kunststoff aus Rizinusöl, der Preis ist mit 2,45 Euro fast viermal so hoch wie eine normale Zahnbürste.
Dafür steht auf der Rückseite der Papp-Verpackung, die Öko-Zahnbürste trage zur «Vermeidung von Plastikabfällen» bei. Ein Ziel, das ich in den nächsten Tagen so gewissenhaft verfolgen will wie zahnfleischschonende Schrubb-Bewegungen bei der Mundraumpflege. An dieser Stelle kann ich aber schon verraten: Die Zahnbürste fliegt nach meinem Experiment sofort in den Müll und sie ist längst nicht der einzige Reinfall in dieser Woche.
Seit ich lebe, waren Umweltthemen jungen Menschen wahrscheinlich noch nie so wichtig wie in diesem Jahr. Seit Monaten gehen Schüler und Schülerinnen für klimapolitische Veränderungen auf die Straße. Ende September demonstrierten in Deutschland schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen beim globalen Klimastreik. In Luxemburg-Stadt waren es laut Polizei etwas mehr als 1.000 Demonstrierende. Ich war keine davon.
Wenn alle so leben würden wie ich, bräuchten wir 3,7 Planeten
Es ist nicht so, dass mir der Klimawandel egal sei. Ich trenne meinen Müll, benutze Jute- statt Plastikbeutel und kaufe im Supermarkt immer die Gurke, die nicht in einer zusätzlichen Plastikfolie eingewickelt ist. Ich bewundere Greta Thunberg und finde die Fridays-for-Future-Bewegung toll. Gleichzeitig bin ich allein im September acht Mal geflogen, über 25.000 Kilometer. Laut einem Online-Test der Seite Brot für die Welt bräuchten wir 3,7 Planeten, wenn jeder so leben würde wie ich. Ich esse manchmal bei McDonald’s, auch Fleisch, und habe seit dem Spätsommer meine Heizung im Badezimmer aufgedreht, weil ich mich morgens gerne auf einen warmen Toilettensitz fallen lasse. Umweltschutz ist mir wichtig. Mein eigener Komfort allerdings auch.
Aber wenn es wirklich fünf vor 12 ist, jährlich hunderte Tierarten aussterben und meine Kinder möglicherweise nicht einmal mehr die „Spillschoul“ überleben – sollte ich dann nicht wenigstens von mir sagen können, dass ich versucht habe, etwas zu ändern?
Ich denke mir ein Experiment aus: Eine Woche lang will ich versuchen, keinen Plastikmüll zu produzieren. Ich möchte testen, wie leicht ich meine Gewohnheiten verändern kann und ob ich auch mit kleinen Schritten Teil einer großen Bewegung sein kann. Die Regeln: Plastikbehälter wie Shampoo, Duschgel und Schminkutensilien, die ich ohnehin zu Hause habe, darf ich noch ausleeren. Alle Neuanschaffungen, die Plastik- und Verpackungsmüll verursachen, sind verboten.
Zahnpasta-Tabs und kompostierbare Pads
Nach meinem Drogerie-Einkauf am ersten Tag des Experiments fühle ich mich erleichtert. Das Experiment scheint zunächst problemlos zu verlaufen – anders, als ich befürchtet hatte. Bis ich die Holzzahnbürste und eine Packung Zahnpasta-Tabs – natürlich in einer Papiertüte verpackt – aus dem Regal ziehe, vergehen wenige Minuten. Das geht normalerweise schneller, aber heute muss ich sichergehen, dass sich auch nirgendwo Plastik versteckt. Zum Glück sind die Pfefferminz-Bonbons, die ich immer kaufe, ohnehin in einer Papierverpackung.
In Berlin, wo ich wohne, scheint es kein großes Problem zu sein, plastikfreie Zahnpflegeartikel zu finden. Wie schwierig es aber im Alltag ist, Plastik zu vermeiden, wird mir aber bereits am nächsten Morgen klar, als ich gedankenverloren einen in Plastik umwickelten Schokoriegel aus dem Schrank ziehe und etwas genervt wieder zurückwerfe, als ich mich an meine Challenge erinnere. Stattdessen besteht mein Frühstück an diesem Tag aus Kaffee, den ich zum Glück ohnehin in kompostierbaren Pads kaufe – eine der kleinen Pro-Umwelt-Aktionen meines Alltags.
Plastik vermeiden ist leichter mit Geld und Restaurantbesuchen
Ich verbringe den zweiten Tag meines Experiments größtenteils zu Hause. Nur am Abend treffe ich eine Freundin zum Essen in einem vietnamesischen Restaurant im Prenzlauer Berg. Einem Berliner Viertel, das für Soja-Latte und Öko-Familien bekannt ist und in dem wahrscheinlich mehr Klima-Aktivistinnen wohnen als in einem Backpacker Hostel auf Bali. Im Restaurant gibt es Wasser aus Glasflaschen und Essstäbchen aus Holz. Im Café, in das wir für den Nachtisch gehen, stehen auf dem Tresen Holzlöffel für die Eiswaffeln. Doch wir nehmen an diesem Abend an einem der kleinen Tische davor Platz.
Außerhalb essen, ohne Plastikmüll zu verursachen: Das funktioniert in Berlin auch in vielen günstigen Läden erstaunlich gut. «Ich denke nicht, dass du mit deinem Vorhaben Probleme haben wirst», sagt auch meine Freundin, als ich vom Experiment berichtet hatte. «Vor allem nicht im Prenzlauer Berg oder bei dir in Friedrichshain, wo es noch andere Ökos gibt.»
Ich stimme zu. Dass ich irgendwann nicht mehr nur außerhalb essen, sondern auch mal wieder einkaufen muss, vergessen wir in dem Moment beide.
Experiment läuft, bis ich einkaufen muss
Die meisten Supermärkte in Berlin sind nicht so konzipiert, dass sie wenig Plastikmüll abwerfen. Im Gegenteil: Auch auf den Obst- und Gemüsesorten, die nicht unter einer Plastikfolie stecken, klebt meistens ein kleiner Sticker. Die meisten Milchprodukte haben eine Plastikverpackung. Nüsse, Klopapier, und fast alle Süßigkeiten sind ohne Plastik nicht erhältlich.
Meine Supermarkt-Experience besteht in dieser Woche vor allem aus Mikro-Einkäufen, Wut und viel verlorener Zeit. Am dritten Tag stehe ich eine Viertelstunde vorm Käseregal. Ich fasse fast jeden Weichkäse an, ziehe ihn aus der Reihe, drehe und wende ihn im Licht, um zu sehen, ob er unter der Holz- oder Pappverpackung in ein Papier mit Plastiküberzug eingewickelt ist. Eine ältere Frau steht irritiert neben mir, als ich unter lautem Schnaufen einen Blauschimmelkäse, den einzigen ohne Plastikfolie, in meinen Korb werfe. Ich hasse Blauschimmelkäse. An den anderen Tagen finde ich eine Mango, bei der das Bio-Siegel nicht aufgeklebt, sondern eingebrannt wurde, einen Haselnuss-Joghurt im Glas und eine Pappschachtel mit Tiefkühlspinat.
Ich ärgere mich an diesen Tagen sehr über die vielen Plastikverpackungen im Supermarkt vor meiner Tür. Und dieses Gefühl hatten offensichtlich schon andere Menschen vor mir: In vielen Städten gibt es kleinere Supermärkte wie den „Original Unverpackt“-Laden in Berlin oder „OUNI“ in Luxemburg, in denen man Lebensmittel und Haushaltswaren ohne Verpackung einkaufen kann. Dafür müssen Kundinnen und Kunden ihre eigenen Behältnisse und Boxen mitbringen. Obst und Gemüse gibt es plastiklos auch auf dem Wochenmarkt. Und als ich an einem der letzten Tage des Experiments nach der Uni in einem der zentraleren City-Supermärkte ein paar Karotten und eine Avocado kaufen will, hängen dort statt Plastiktüten Papierbeutel zum Einpacken. Die Freude darüber hält so lange, bis ich schon wieder ohne Ausbeute aus der Süßigkeiten-Abteilung hinaus trotte.
Es ist nicht so, dass ich während des Experiments schummele. Aber ich weiß auch, dass ich die Challenge nur deshalb schaffe, weil ich auf Sachen verzichte oder nicht zu Hause esse. Ich schaffe es zwischen meiner Arbeit und der Uni nicht, nur fürs Einkaufen den umständlichen Weg zum Unverpackt-Laden in einem anderen Viertel auf mich zu nehmen. Ich habe keine Lust, nach Stunden in der Bibliothek Natron und ätherische Öle zu einem festen Deo anzumischen. Und ich habe ziemlich großes Glück, dass ich nicht ausgerechnet in dieser Woche neue Kontaktlinsen kaufen muss.
Höchstens ein Date beeindrucken
Eine Woche plastikfrei zu leben, mag ein nettes Gesprächsthema für ein Date sein, die Welt verändern kann man damit leider nicht. Denn während ich nun ständig mit Besteck und einer Glasflasche in meiner Tasche durch die Stadt renne, brettert irgendwo (die Chance ist hoch, dass es in Luxemburg ist) ein Mensch mit seinem SUV zur Arbeit. Politiker wie Donald Trump und Jair Bolsonaro leugnen, dass es den Klimawandel überhaupt gibt. Und große Konzerne roden weiterhin Wälder, um dort Rohstoffe abzubauen.
In einem kapitalistischen System retten plastikmüllfreie Wochen die Umwelt auf eine so effiziente Weise wie ein Käfer einen meterhohen Amazonas-Baum. Experten und Expertinnen fordern vor allem für Industriestaaten strengere Richtlinien, um CO2-Emissionen und Bodenerosionen nachhaltig einzudämmen. Nur: Diese Veränderungen setzen sich auf politischer Ebene nur langsam durch. Und genau deswegen gehen Aktivistinnen wie Greta Thunberg und zahlreiche andere Menschen auf die Straße.
Ich werde in Zukunft weiterhin versuchen, Plastikmüll zu vermeiden und umweltbewusster zu leben. Aber ich werde mich auch stärker dafür einsetzen, dass die Politik die gleichen Ziele verfolgt. Auch wenn das bedeutet, dass ich vielleicht schon bald auf einer Fridays-for-Future-Demo mitlaufe und ein Schild hochhebe, auf dem es heißt: Fickt den Kapitalismus, nicht den Planeten.
Zur Person
* Die Luxemburgerin Rebecca Baden, 27, lebt seit neun Jahren in Berlin und arbeitet dort bei der deutschen Version des VICE-Magazins. Sie schreibt unter anderem über Rassismus, feministische Themen und soziale Medien. Aktuell forscht sie für ihre Masterarbeit im Bereich Medienwissenschaft.
Et geht méi wäit wéi just de Plastik-Müll, et ass dee ganze Systeem wou mer dra sen a net méi esou einfach rauskommen.
Ee Beispill : Fréier goufen öt an all Duerf zu mindest eng Épicerie, ee Bäcker an ee Metzeler. Ech errönnere mech, meng Boom ass all dach ze Fouss an déi Geschäfter akaafe gaangen, se hat ee Kourf aus Stréih, do goufen Äppel, Är, Fleesch, Brout dra gepaakt ouni Plastik, also kee Müll. De Möllechmann koum an de Stroosse laanscht an huet d'Möllechdeppercher geföllt, déi do bausse stongen, ouni Plastik, de Föschmann koum all Freides, de Bäcker och an huet d'Brout oofgin oder an een Duchkuerf deen dobaussen hung geluegt.
Esou war dat, a natierlech wöll kee méi haut esou liewen, Ass jo och net méi méiglech. Keng Geschäfter méi an den Diefer a Stiedt, nömme grouss Supermarchéen baussen de groussen Ourtschaften, do fiehrt da jiddereen mat sengem Auto hin asw.
Dat wöll a ka keen änneren, et wär awer dach méiglech oder!?
Dann hätte mir vill Emwelt-Verschotzung manner. Durch déi Entwecklung sen all déi kleng Geschäfter futti gaangen, da missten haut déi grouss Konzerner awer sech béis ömstellen wa mer dat géifen änneren, do geht et öm dat richtegt Geld, an do möcht kee mat
Jeder ist überzeugt, er könne Bücher (in dem Fall Journalisten) kritisieren, nur weil er lesen und schreiben gelernt hat.
William Somerset Maugham
Plastikstute sin iwwregens agefouert gi fir Pobeierstuten ze ersetzen. Well d'Produktioun vu Popbeierstute wesentlech méi energieopwändeg ass. Dat war viru kuerzem an engem Reportage op dem Site vun der BBC ze liesen. Et ass sécher nach ze fannen.
Recht hud Dir!!!!!!!!!!!! D'Qualitei't vun den Tageblatt-Artikelen léisst ze wönschen iwereg...mais RTL ass net besser.Ech froen mech wou se dei Journalisten siche gaange sin.
Es wäre doch gut, einen Artikel erst komplett zu lesen, bevor man ihn kritisiert. Die Folgerung der Autorin, dass es sinnlos ist auf Plastikmüll verzichten zu wollen, entspringt nicht ihrem Unwillen diesen zu vermeiden, sondern vielmehr der dem Kapitalismus systemimanenten Logik, dass ständig weiter produziert und konsumiert werden muss.
Oder anders gesagt, nur weil wir hier irgendwann alle mit Elekrtoautos fahren, heißt das noch lange nicht, dass nicht irgendwo anders auf der Welt weiter fossile Brennstoffe verfeuert werden, solange jemand am Verkauf fossiler Brennstoffe Geld verdienen kann.
Ech hun 99.5% vun aal den Kichenutensilien aus Plastik, dei' an Berei'erung mat Liewensmettel kommen , eliminei'ert an an den Recycling ginn !
Manner Plastik ass besser !
Recykelen, Jo, mee Vermeiden ass besser !
Ech hunn net den Premium, duerfir hunn ech just den éischten Abschnitt gelies, mais folgendes muss awer direkt gesot ginn:
1. "Es ist sinnlos Plastikmüll zu vermeiden" ass eng, fir et politësch korrekt auszedrécken, "onglécklech formuléiert Aussoh"... VERMEIDEN soll een en, "komplett vermeiden" ass flaicht eppes anescht. Mais hei gëllt wéi baal bei allem: Extremismus, also eng Zocht Dogma, as selten richteg.
2. "[...]der Preis ist mit 2,45 Euro fast viermal so hoch wie eine normale Zahnbürste." -> Ja, und?
Hei leit nämlech genee den Knackpunkt. Wann alles just um monetären Waert festgemach gëtt, an dat dat absolut Gebot ass, dann ass déi Zännbischt sëcher manner gut, mais et ass awer GENEE DAT wat ons heihinngefouert huet: "bëlleg, um jeden Preis und jede Kosten" -> den Preiss ass Iwwerzichtung vunn Planzen an Déieren, matt Ofholzung fir déi benéideg Fläschen ze hunn, kënschtlech modifizéiert Organismen, bëllegst Rohstoffer (matt der evtler Kannerarbëscht an sonsteger Ausbeutung an aneren Länner), Fracking, asw.
-> soulang gesot gëtt "den kg Gehacktes fir 0,99€ as den Mosstab, esou lang kann een an mengen Aaen keng sënnvoll Diskussioun féieren well par rapport dozou schéingt alles anescht daier, also och schlecht (wann dat deen eenzegen Critère ass deen gekluckt gëtt). An esou lang dat den Fall ass, kann een keng nei Weeer fannen.
Forderungen stellen ist halt leichter als diese selbst im Alltag umzusetzen.
Ich verzichte seit einigen Monaten auf die paper-edition des ‘Tageblatt’, um sinnlosen Papiermüll zu vermeiden. Nach Ihrem hirnlosen, den Leser demotivierenden Titel, der - meiner Meinung nach - keineswegs die Absicht des Artikels widerspiegelt, überlege ich ernsthaft, auch auf den e-Müll zu verzichten.
Der Mensch produziert Müll.Es gibt nirgends in der Natur eine andere Lebensform die Müll produziert.Alles wird dort wiederverwendet. Im Grunde kaufen wir Produkte mit dem Hintergedanken sie bald wieder loszuwerden um etwas neues zu kaufen. Waschmaschine,TV,Handy,Auto...alles muss weg. Müll ist lästig,aber nur solange man ihn sieht. Müllcontainer,Müllauto und weg. Das Zauberwort ist "Recycling". Vom Metall über Plastik,von Holz bis Glas.Das meiste kann wiederverwendet werden. Wie kommt Plastik ins Meer? Weils einer dorthin entsorgt hat.Über Flüsse,Schiffe usw. werden die Meere zugemüllt.Das hat aber mit der Einstellung der Leute zu tun,nicht mit der Produktion von nützlichen Gegenständen. Ob eine Flasche nun aus Plastik,Glas oder Aluminium besteht,alle drei Materialien sind Rohstoffe mit einem bestimmten Wert. Der größte Müllberg entsteht durch den Verpackungswahn der Industrie.Alles muss sicher und leicht stapelbar sein. Die Verpackung eines Kugelschreibers oder einer Barbiepuppe wirft mehr Müll ab als das Produkt. Wie gesagt: Auch Plastik wird erst zum Müll wenn wir es wegwerfen ( am Besten aus dem Autofenster),statt es wieder zu verwenden.
NICHTS ist sinnlos und der kunde kann mit seinem kaufverhalten mit sicherheit dinge beeinflussen. ohne den artikel gelesen zu haben: der titel ist (plastik)müll
Man kann den Plastikmüll nicht 100% vermeiden, man kann in jedoch stark reduzieren. Wo ein Wille, da ein Weg!