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Editorial„En garde“ vor Olympia: Warum das IOC endlich handeln muss

Editorial / „En garde“ vor Olympia: Warum das IOC endlich handeln muss
Das FEI hatte entschieden, die Suspendierung von Olha Charlan für das Team-Event aufzuheben. Am Sonntag unterlag die Ukraine im Bronzematch gegen Südkorea. Foto: AFP/Andreas Solaro

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Mailand, Ende Juli 2023. Aus Luxemburger Sicht ist die Fecht-Weltmeisterschaft beendet – und zwar mehr als erfolgreich: Die junge Anna Zens (49. unter 192 Teilnehmerinnen) und Flavio Giannotte schafften es beide ins Hauptfeld. Der Escher holte am vergangenen Donnerstag einen hervorragenden 16. Platz unter 249 Konkurrenten. Doch das Event droht wieder einmal zum politischen Schlachtfeld zu werden.

International wird seither nämlich weniger über Siege und Niederlagen gesprochen als über ein außersportliches Ereignis. Was sich beim Turnier in Italien abspielte, untermauert wieder einmal, dass Sport und Politik auf diesem Niveau schlicht und ergreifend nicht zu trennen sind. Die Konsequenzen für die Handlungen einer Athletin gießen Öl ins Feuer – und das exakt ein Jahr vor den Olympischen Spielen. Die Diskussionen zur Handhabung eines Konflikts, dessen Ende nicht absehbar ist, drängen das Internationale Olympische Komitee (IOC) weiter in die Ecke.

Konkret geht es um den Fall der Ukrainerin Olha Charlan, immerhin Nummer neun der Welt und viermalige Weltmeisterin, die am Donnerstag schon in Runde eins aufgrund ihrer finalen Geste disqualifiziert worden war. Nach ihrem 15:7-Sieg im Gefecht gegen die Russin Anna Smirnova hielt die Favoritin nämlich nur ihren Säbel hin und verweigerte den Handschlag. Während der Pandemie war diese Art des „Handshake“ eingeführt worden, inzwischen aber wieder aus dem Regelwerk verschwunden. Das Heikle an der Geschichte: Charlan hatte gerade gegen eine russische Athletin gewonnen, die unter neutraler Flagge angetreten war. Es handelte sich um das erste Fecht-Duell zwischen Sportlern der beiden Nationen seit der russischen Invasion im Februar 2022.

Die Russin wirkte zunächst etwas bedröppelt, nutzte die Situation dann allerdings knallhart aus. Während 45 Minuten verharrte sie demonstrativ auf der Planche, ließ sich bei ihrem stillen Protest sogar einen Stuhl bringen. Der internationale Fechtverband (FIE) entschied sich zwei Stunden später dazu, das Regelwerk anzuwenden, das besagt, dass „die beiden Fechter (…) dem Gegner die Hand schütteln, sobald die Entscheidung gefallen ist“. Somit war für Charlan der Einzel-Wettkampf aufgrund ihres Verhaltens frühzeitig beendet. 

In ihrer Heimat war der Aufschrei groß. Der frühere Boxer Wladimir Klitschko, inzwischen Bürgermeister in Kiew, postete auf Twitter ein Foto, auf dem Smirnova an der Seite ihres Bruders posiert – einem Soldaten in russischer Uniform. Er sprach von „blutigen Händen einer falschen neutralen Sportlerin“. 

Für Charlan hatte die Aktion nicht nur enorme Rückendeckung eingebracht, sondern eine Regeländerung zur Folge: Das FIE entschied, den bis dato obligatorischen Handschlag aufzuheben. Von einer Lösung der aktuellen Debatte kann aber keine Rede sein. Es ist nur ein Beispiel der enormen Probleme, die im kommenden Jahr auf das IOC zukommen werden. Die Überprüfung der Echtheit der sogenannten Neutralität, die Vielzahl der demonstrativen Gesten der Athleten bei einem „politisch-neutralen“ Event oder die anhaltenden Boykott-Drohungen der Ukraine, sollten russische Sportler teilnehmen dürfen: All dies sind Themen, welche die sportlichen Leistungen bei Paris 2024 überschatten werden. Präsident Thomas Bach und das IOC müssen – im Sinne der Athleten – endlich für Klarheit sorgen, statt weiterhin zu hoffen, dass sich diese Probleme bis dahin in Luft auflösen. Sich vor der Verantwortung zu drücken und bis dahin den internationalen Verbänden diese Entscheidungen zu überlassen, statt eine generelle Richtlinie vorzugeben, wird die Konflikte nur noch anheizen.

liah1elin2
2. August 2023 - 13.23

Die Politik hat den Sport doch schon längst vereinnahmt. Der internationale Fechtverband hat null Rückgrat und ist wohl finanziell immer noch vom Oligarchen und Putinfreund Usmanow abhängig, wie sonst ist der Entscheid vor Monaten zu verstehen, FechterInnen aus Russland und Belarus wieder zuzulassen. Und der Handschlag ist nun ganz plötzlich Geschichte. Und der andere Putinfreund, IOC Präsident Thomas Bach möchte am liebsten alles aussitzen und handelt erst, wenn internationaler Druck ihm schaden könnte und deswegen grossherzig Olga Charlan einen Startplatz für Olympia 24 garantiert hat. Frau Charlan hätte sich bestimmt liebend gerne sportlich qualifiziert, ohne diese schleimige Geste. Das ist alles so ekelhaft und abstoßend.