Headlines

Menschenrechte „Eine enttäuschende Entscheidung“: Gilbert Pregno kritisiert Lydie Polfers Bettelverbot

Menschenrechte  / „Eine enttäuschende Entscheidung“: Gilbert Pregno kritisiert Lydie Polfers Bettelverbot
Bettelei soll zukünftig in der Hauptstadt verboten sein. Das hat der Gemeinderat entschieden.  Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das am 27. März vom hauptstädtischen Gemeinderat durchgewinkte Verbot gegen Bettelei schlägt weiter Wellen. Jetzt meldet sich der Präsident der Menschenrechtskommission zu Wort. Gilbert Pregno empfindet das Vorgehen als eine „enttäuschende Entscheidung“. Seit zehn Jahren kämpft die Kommission für die Achtung der Menschenrechte. Pregno ist „schockiert“.

Bei Gilbert Pregno löst das sektorielle Verbot der Bettelei grundsätzliche Überlegungen zum Zusammenleben aus. Er appelliert an das, was allgemein unter „Solidarität“ verstanden wird. „Ich lebe gern in einem Land, wo die Armen auch ihren Platz haben“, sagt er. „Es gehört für mich dazu, dass eine Gesellschaft das aushält und dass sie sich solidarisch zeigt.“ Der Präsident der Menschenrechtskommission schämt sich „fremd“.

„Ich kann dieses Verbot nicht annehmen“, sagt er. Für ihn ist das Aussortieren der Bettler und ihre Verbannung aus dem Stadtbild eine „Beleidigung“ für Rechtsstaat und Menschenrechte. Das sehen die obersten Hüter der Menschenrechte in Europa, am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, genauso. Im Januar 2021 entschieden die Richter, dass das Recht auf Privatleben den Anspruch einschließt, „die eigene Notlage zum Ausdruck zu bringen und andere um Hilfe zu bitten“.

Das berichtet der Schweizer Ableger der NGO humanrights.ch, unter Berufung auf das Urteil. In dem Fall hatte eine Roma aus Rumänien geklagt, die in Genf, wo es ein Verbot dazu gab, gebettelt hatte. Die Frau erhielt eine Buße von 500 Schweizer Franken – beziehungsweise die Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen wegen Nichtzahlung. Das beurteilte der Gerichtshof als unverhältnismäßig und als eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Letzteres gilt auch für ein absolutes Bettelverbot.

Organisierte Kriminalität keine Begründung

Die Frau, arm, ohne soziale Unterstützung und Analphabetin, hielt sich laut humanrights.ch 2011 für einige Zeit in Genf auf und fand keine Arbeit. Sie bat Passanten um Almosen und wurde zwischen Juli 2011 und Januar 2013 mehrfach zu Bußen von insgesamt mehreren hundert Franken verurteilt. Die zuständigen Behörden begründeten die Strafen mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität sowie dem Schutz der Rechte von Passanten, Anwohnern und Geschäftsinhabern, was gewisse Parallelen zur aktuellen Diskussion hier im Land aufweist.

Die DP-Bürgermeisterin der „Stad“, Lydie Polfer (DP), wird bei rtl.lu mit Aussagen zitiert, die in die gleiche Richtung gehen. In einem Background-Gespräch vom vergangenen Wochenende, wo es unter anderem um die Bettlerproblematik geht, zitierte sie nach eigenen Angaben eine EU-Beauftragte mit den Worten: „Wenn ich Menschenhändler wäre, würde ich eine Filiale in Luxemburg aufmachen.“ Damit begründet sie den Wunsch nach mehr Kontrolle und härterem Durchgreifen.

Menschenrechtsvertreter Pregno zweifelt an Begründungen wie diesen. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Bettler in der Hauptstadt Opfer von Menschenhandel sind“, sagt er. „Das müsste erst einmal noch bewiesen werden.“ Außerdem stimme zwar der Wortlaut des Zitats, aber der Urheber sei ein anderer. Gilbert Pregno stellt richtig: „Ich war den ganzen Tag über in Luxemburg mit der Frau unterwegs, die Koordinatorin des Kampfes gegen Menschenhandel der EU-Kommission ist. Sie hat nichts dergleichen gesagt. Das Zitat stammt von mir, und zwar von vor sechs Jahren.“

Polfer zitiert Pregno, gibt andere Quelle an

Wiederholt habe er das durchaus provokant gemeinte Selbstzitat in einer Ausschusssitzung des Parlaments anlässlich des Besuchs besagter EU-Koordinatorin, Diane Schmitt, am 24. März. In der war die Abgeordnete Lydie Polfer ebenfalls anwesend. Gleichzeitig sagte er in der Sitzung: „Das wäre heute aber schwieriger, denn es gibt viele Fortschritte in der Bekämpfung des Menschenhandels hier im Land – auch wenn noch viel zu tun bleibt.“

Pregno fordert schon lange härtere Strafen für Menschenhändler. Ganz davon abgesehen, ob es sich um Menschenhandel handelt oder nicht, bleibt es zweifelhaft, über die Kriminalisierung der Opfer Bettelnetzwerke zu bekämpfen. In der Schweiz erfolgte nach dem Urteil aus Straßburg eine schnelle Reaktion.

Das Bettelverbot in Genf wurde von der Staatsanwaltschaft bis zu einem Entscheid der politischen Behörden außer Kraft gesetzt. In Luxemburg kann das Vorgehen des hauptstädtischen Gemeinderates als „Wahlgetrommel” interpretiert werden. Da gilt es, Entschiedenheit zu demonstrieren. Bleibt die Frage, ob das der aktuellen Mehrheit in dem politischen Gremium bei den Wahlen im Juni und Oktober wirklich nützt.

Es gehört für mich dazu, dass eine Gesellschaft das aushält und dass sie sich solidarisch zeigt“

Gilbert Pregno, Präsident der Menschenrechtskommission

viola
30. März 2023 - 21.16

Menschenrechte?

Die greifen hier nicht.

Die Gemeinde Luxemburg darf auch Einwohner anderer Städte benachteiligen, und z.B. höhere Preise für Musikschulen, Eintritt für Schwimmbäder usw.

Länder dürfen das nicht.

Sie könnten z.B. nur denjenigen das Betteln erlauben die in der Grossgasse wohnen.?

max.l
29. März 2023 - 14.25

gut esou Gilbert Pregno,
schued dat verschidde Läit nëmmen nach de "Wouelstand" am Kapp hun.. well am richtege Liwen gët ët dee nët, just fiir e puer Priviligéierter.. an deen ass künstlëch a kann vun engem op den aaneren Dag verschwannen..
ma de klenge "Schluckert" muss op d'Zänn bëissen..
ëch sën dach mol frou, dat ët nach Läit gin déi de Mond op din, oder doriwwer schreiwen, vläicht geet dann eventuel verschidde Lait eng Liichtchen op..

Tess Pulli
29. März 2023 - 8.30

Jidderengem vun ons kann am Liewen vun enger Sekonn
op dei aner eppes onerwaartes geschéien an dann setzen mer op der Strooss ze Bettelen . Dann hoffe mer mool dass Madame Polfer ni an esou eng Situatioun kennt, well ech denken net ,dass ech hir dann een Cent géif an Déppchen geheien.
Mee wann et engem ze gutt geet, dann vergesst een gáren ,dass mer eng emmer méi Aarm Gesellschaft hunn virun allem krit ons Jugend et emmer méi schwéier sech no hierer Schoul eppes opzebauen.An verschiddener vun deenen Jonken gesinn mer dann villáicht op den Stroossen beim Bettelen erem.
Mee keng Aangscht Madame Polfer hélleft bestemmt.