Das Luxemburger Gesundheitswesen ist pandemiebedingt seit nun zwei Jahren fast täglich in den Schlagzeilen. Mit der „Carte sanitaire“, einer Art Landkarte für das Luxemburger Krankenhauswesen, hat Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Montagmorgen auf einer Pressekonferenz insgesamt über 300 Seiten an Datenmaterial präsentiert, die einen strukturellen und funktionalen Überblick über Luxemburgs Krankenhäuser liefern. „Diese Daten sind wichtig, damit wir wissen, was in Zukunft gebraucht wird“, sagte Lenert. Zukünftig soll das komplette Gesundheitswesen und nicht nur Luxemburgs Krankenhäuser in der „Carte sanitaire“ erfasst werden. „Wir wollen die ,Carte sanitaire‘ über das Krankenhauswesen ausweiten“, kündigte Lenert an.
Observatoire national de la santé
Das nationale Gesundheitsobservatorium wurde 2021 geschaffen und ist dem Gesundheitsminister unterstellt ist. Das nationale Gesundheitsobservatorium genießt jedoch wissenschaftliche und berufliche Unabhängigkeit. Die Verwaltung soll durch die Vernetzung von Daten gesundheitspolitische Entscheidungen und Maßnahmen untermauern und deren Auswirkungen bewerten. „Bis Oktober soll das nationale Gesundheitsobservatorium personell vollständig sein“, sagte Ministerin Paulette Lenert auf der Pressekonferenz am Montag.
Die „Carte sanitaire“ wird im Zwei-Jahres-Rhythmus vom nationalen Gesundheitsobservatorium herausgegeben.
Die Erhebungen der nun präsentierten Gesundheitslandkarte wurden im Jahr 2021 getätigt und vom „Observatoire national de la santé“ aufbereitet. Aufgrund der Pandemie aber sind die Daten nur teilweise vollständig. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 sind einige Daten nur lückenhaft erhoben worden. „Die Krankenhäuser wurden von der Kodifizierung befreit, da sie ihre Ressourcen anderweitig konzentrieren mussten“, sagte Françoise Berthet im Hinblick auf die Belegung und Nachfrage an Operationssälen während der Pandemie.
Zahlen der Pandemie
Stichwort Pandemie: Ein Großteil des Zahlenmaterials beschäftigt sich wenig überraschend mit den Pandemiejahren 2019 und 2020. Mit dem Coronavirus musste das Luxemburger Gesundheitswesen mit deutlich mehr Arztbesuchen klarkommen. Diese zusätzliche Last wurde von den vier „Centres de soins avancés“ (bis Juni 2020) und den „Centres de consultations Covid-19“ (ab Oktober 2020 bis Juni 2021) aufgefangen.
Die Krankenhausbelegung ist in Korrelation mit den Corona-Neuinfektionen während der verschiedenen Corona-Wellen gestiegen und wieder abgefallen. Mit 488 und 480 Krankenhausaufenthalten waren besonders im November und Dezember 2020 – dem Zeitpunkt, an dem die Delta-Variante in Luxemburg grassierte – die Krankenhäuser stark belastet. Auffällig ist, dass trotz der explosionsartig ansteigenden Infektionsfälle mit der Omikron-Variante im Jahr 2021 die Krankenhausaufenthalte nicht annähernd an die gleiche Belastungsgrenze gelangten wie noch im Jahr 2020. Das deckt sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in der Omikron-Variante eine deutlich infektiösere Variante sehen, die aber eine weniger schwere Symptomatik aufweist.
Wenig überraschend kommt auch die Erkenntnis, dass vor allem Personen ab 50 Jahren zu einem Krankenhausaufenthalt in Folge einer Corona-Infektion gezwungen wurden. Interessanter ist jedoch die Disparität zwischen den Geschlechtern: 72,2 Prozent der Krankenhausaufenthalte gehen auf männliche Patienten zurück, während 27,8 Prozent der in Folge einer Corona-Infektion hospitalisierten Patienten Frauen waren. 62 Prozent der Covid-Toten waren Männer, 38 Prozent Frauen.
Ambulante Wende
Einen weiteren Schwerpunkt bei den nun präsentierten Zahlen hat das nationale Gesundheitsobservatorium auf die ambulante Wende gelegt. 44,8 Prozent der Hospitalisierungen im Jahr 2019 waren Tagesaufenthalte. 2010 betrug die Anzahl noch 31 Prozent. Die durchschnittliche Dauer eines Krankenhausaufenthaltes bleibt im Vergleich zu 2010 bei 7,4 Tagen.
Die ambulanten chirurgischen Eingriffe sind im Jahr 2019 und 2018 in absoluten Zahlen ebenfalls regressiv – auch das ein Effekt der Corona-Pandemie. Der Gesamtanteil an ambulanten Eingriffen ist seit 2015 jedoch stetig gestiegen. In den Pandemiejahren 2019 und 2020 betrug dieser Anteil 68,5 beziehungsweise 73,3 Prozent der Eingriffe. 2015 lag er noch bei 58,9 Prozent.
Die Rohdaten
Die Daten für die vorliegende „Carte sanitaire“ stammen aus der Gesundheitsdirektion. Der „Service épidémiologie et statistiques“ und die „Documentation et classification des séjours hospitaliers“ (DCSH) haben die nötigen Daten geliefert. Das Luxemburger Gesundheitswesen verfügt über 13 Krankenhauseinrichtungen mit insgesamt 2.667 Betten. Somit stehen in Luxemburg pro 1.000 Einwohner 3,2 Betten zur Verfügung. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Ratio bei 6,0, in Belgien bei 5,0, in Frankreich bei 3,0 und in den Niederlanden bei 2,7 Betten pro 1.000 Einwohner. Der Blick ins nahe Ausland bringt eine weitere interessante Statistik zutage: 14,4 Prozent von Luxemburgs Bevölkerung sind über 65 Jahre alt – und damit vergleichsweise jung. In Deutschland liegt der Prozentsatz der über 65-Jährigen bei 21,5 Prozent, in Frankreich bei genau 20 Prozent und in Belgien immerhin noch bei 18,9 Prozent.
13 Scanner, elf MRT, sieben Gammakameras, sieben Mammografen, ein PET-Computertomograf und ein Tisch für stereotaktische Brustbiopsien in Bauchlage stehen den Ärzten insgesamt in Luxemburg zur Verfügung. Obwohl nur 64,6 Prozent der durch die gesetzliche Krankenkasse versicherten Patienten Luxemburger sind, wurden 93,9 Prozent der erfolgten Krankenhausleistungen an Luxemburger Staatsbürgern durchgeführt. 35,4 Prozent der bei der CNS versicherten Personen stammen aus Luxemburgs Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Belgien – diese haben jedoch nur in 6,1 Prozent der Fälle eine Krankenhausleistung in Luxemburg in Anspruch genommen.
Die Daten sollen zukünftig noch durch Daten der DCSH zu den Gründen der Krankenhausaufenthalte, der im Krankenhaus erfolgten Leistungen sowie mit genaueren Daten zu den Aktivitäten der Notaufnahmen ergänzt werden.
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