André Bauler (DP)
„Der Bericht der Finanzministerin in der Finanzkommission ist eine Momentaufnahme, ein Foto. Er beschreibt nur den Istzustand des Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Fest steht: Wir sind finanziell in einer guten Lage, mit 1,1 Milliarden Euro Überschuss“, sagt der DP-Abgeordnete André Bauler gegenüber dem Tageblatt. Das sei erst einmal eine beruhigende Feststellung.
„Doch es gibt mehrere große Aber. Die Ausgaben der Tripartite-Maßnahmen für 2022 kommen erst noch auf uns zu. Das Budget für die Europäische Union müssen wir 2023 nachzahlen, was ebenfalls unsere Ausgaben erhöht. Die Kosten für die Sozialkassen kommen noch nach. Die hohe Inflation treibt die Preise nach oben.“ Kurzum, die nächsten sechs Monaten könnten für den Staat noch richtig teuer werden. „Wir müssen realistisch und vorausschauend bleiben.“ Denn, mit dem nahenden Winter und einer eventuellen Rezension sei man froh, wenn der Staat ausreichend Reserven besitze, um zusätzliche Kosten zu übernehmen.
Luxemburg sei noch gut durch die Pandemie gekommen. „Das auch dank unseres Finanzsektors, der durch Homeoffice weiterlaufen konnte.“ Doch man dürfe dies nun nicht verspielen, sondern müsse kurz-, mittel- und langfristig vernünftig handeln. „Vielleicht sind genug Reserven da, um 2023 den ein oder anderen Akzent zu setzen“, meint Bauler. Doch wichtiger sei es, die AAA-Wertung zu erhalten und kreditwürdig zu bleiben. Außerdem wolle man die junge Generation nicht noch mehr belasten. „Schulden machen – nicht mit uns“, betont Bauler.
Dan Kersch (LSAP)
„Es war sicher interessant“, ordnet der LSAP-Abgeordnete und frühere Arbeitsminister Dan Kersch die von Finanzministerin Yuriko Backes vorgestellten Zahlen des Budgets ein. „Was die Ausgaben anbelangt, kann man von Schadensbegrenzung sprechen.“ Aufgrund der allgemeinen Lage – Ukraine-Krieg, Inflation, Covid – sei Luxemburg schon unter Druck. „Die Finanzministerin hat uns gewarnt, dass viele Unsicherheiten herrschen und man nicht davon ausgehen kann, dass es die nächsten sechs Monate ebenso gut weitergehen wird.“ Sollte sich in diesem Jahr wieder eine Indextranche anbahnen, müsse eine weitere Tripartite einberufen werden. „Das würde dann wieder Kosten generieren.“
Doch der Bericht bestätige auch, was er schon länger fordere: Steuerentlastungen für bestimmte Haushalte seien möglich. Eine komplette, große Steuerreform sei nicht tragbar, doch die Lohnsteuer nehme einen immer größeren Platz gegenüber anderen Steuern ein. „An dieser Stellschraube kann gedreht werden“, argumentiert Kersch. „Diejenigen, denen es besser geht, müssen auch mehr leisten.“ Die Regierung sei auch dabei, an Vorschlägen zu arbeiten, habe die Finanzministerin bestätigt. So solle die Senkung der Preise für Benzin und Diesel um 7,5 Cent/Liter inkl. Steuern verlängert werden, eine Maßnahme, die auch im Ausland diskutiert werde.
Josée Lorsché („déi gréng“)
„Die Situation ist alles andere als sicher“ sei auch das, was „déi gréng“ aus der Präsentation der Finanzministerin herausziehe. Das sagt die Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Josée Lorsché gegenüber dem Tageblatt. Zwar stehe man gut da, doch die zukünftige Entwicklung beunruhige, insbesondere mit Blick auf Inflation und Energieversorgung.
Es sei trotzdem wichtig, in eine ganze Reihe Maßnahmen zu investieren, zum Beispiel für besseren Klimaschutz und eine nachhaltigere Mobilität. Denn hier gelte die Philosophie: „Wir müssen investieren und bauen, denn nicht investieren kommt uns später noch teurer zu stehen.“ Auch in Sachen Steuerpolitik sehen die Grünen aktuell Handlungsspielraum. Doch vor allem müsse man für Hilfen in einer Krise gerüstet sein, ohne dabei in eine „Gießkannenpolitik“ zu verfallen. Eine Verlängerung der 7,5 Cent-Senkung etwa sehe man sehr skeptisch.
Außerdem müsse man analysieren, wo weitere potenzielle Einnahmequellen liegen. Als Beispiel führt Lorsché eine Spekulationssteuer auf leerstehenden Bauflächen an. Die solle aber nicht kleine Familien, die eventuelle Grundstücke für ihre Kinder kaufen, sondern Großgrundbesitzer treffen. Zudem könne sich die Grünenpolitikerin vorstellen, die Verbrauchssteuer auf Tabakprodukten zu erhöhen. Die sei sowieso, im Vergleich zum Ausland, sehr niedrig. Die besteuerten Produkte würden der Gesundheit der Bürger schaden und die Gesundheitskasse so belasten. Zwar würden auch viele Ausländer Tabak bei uns einkaufen, „aber damit exportieren wir eigentlich Lungenkrebs“.
Diane Adehm (CSV)
„Wir fühlen uns in unseren Einschätzungen durch die guten Zahlen bestätigt“, sagt die Abgeordnete der CSV, Diane Adehm, gegenüber dem Tageblatt. Man sei allerdings sehr überrascht, dass die „Finanzministerin Weltuntergangsstimmung an die Mauer gemalt hat“. Natürlich wisse man nicht, was in dem nächsten halben Jahr auf Luxemburg zukomme, doch die aktuellen Zahlen würden zeigen, dass die Regierung durchaus Handlungsspielraum bei der Lohnsteuer habe. Immerhin sei dies einer der größten Einkommensposten. „Wir wollen keine Steuerreform, sondern argumentieren für eine Anpassung der Steuertabellen an die Inflation.“
So müssten die fünf letzten Indextranchen in eine bereinigte Steuertabelle mit einfließen. Die niedrigste Steuerklasse mit einem Einkommen von bis zu 15.000 Euro zahle aktuell 5 Prozent Steuern. Rechne man aber die jeweils 2,5 Prozent der fünf entfallenen Indextranchen dazu, dann sind einige Menschen automatisch in eine höhere Steuerklasse gerutscht. Und das, ohne dass ihre Kaufkraft zugelegt hat. Die Grenze für die jeweiligen Steuersätze müsste also angepasst werden. Laut Adehm schlage die CSV außerdem eine weitere Steuerklasse für Höchstverdiener mit einem Steuersatz von 45 Prozent vor. So würden die Bürger durch die Bank weniger Steuern zahlen. Damit würde der Staat ihnen „das zurückzahlen, was sie in den letzten Jahren zu viel bezahlt haben“.
Adehm kritisiert außerdem eine Auflistung der durch die Covid-Krise entstandenen Kosten. Die von Finanzministerin Backes vorgelegten Zahlen würden nicht mit Aussagen von Regierungs- und Parteikollegen übereinstimmen. Sogar das ehemalige Regierungsmitglied Dan Kersch habe in der Sitzung darauf hingewiesen, dass die Auflistung nicht komplett sei. Wo genau der Fehler liege, könne man nicht sagen, aber man habe als CSV Probleme „die genannten Zahlen wiederzufinden“. Das sei „bemerkenswert“.
Sven Clement (Piraten)
Mehr Mut von der Regierung erwartet sich Piraten-Abgeordneter Sven Clement. Auch er hält im Gespräch mit dem Tageblatt den Bericht von Backes für ein „außerordentlich gutes Resultat“. Doch die Ministerin habe sich alle Mühe gegeben, zu erklären, wieso dieses kein Bestand haben werde. „Sagen wir so, hätte die Regierung diese Zahlen vergangene Woche vorgelegt, hätte sie Probleme gehabt zu erklären, wieso angeblich keine ,marge de manoevre‘ vorhanden ist.“ Schließlich habe man das beste Resultat seit fünf Jahren.
Natürlich könne man nicht voraussehen, wie es mit der Energiekrise und dem Ukrainekrieg weitergehe und wo Luxemburg am Ende des Jahres stehen werde. „Da müssen wir der Regierung nun vertrauen“, sagt Clement, lässt aber seine Skepsis durchblicken.
Seiner Meinung nach mache die Regierung derzeit nicht alles in ihrer Macht Stehende, um die Kaufkraft zu stärken und die soziale Gerechtigkeit weiterzubringen. Woran das liege, könne er nicht einschätzen. „Vielleicht will die Regierung am Ende des Jahres auch nur eine schwarze Bilanz ziehen können. Vor einem Wahljahr ist das sicher gut.“
Man befinde sich aktuell in einer bisher nie gesehen makroökonomische Situation, in der die Zuwachsrate des BIP abnimmt und die Beschäftigungsrate wächst. „Da hilft es nicht, in die Vergangenheit zu schauen“. Die Regierung müsse, laut Clement, nun eine mutige, antizyklische Politik betreiben. „Damit dürfen wir nicht warten, bis der Baum brennt. Denn für die Ärmsten brennt er schon längst.“
Fernand Kartheiser (ADR)
Die ADR teilt, im Gegensatz zu den anderen Oppositionsparteien, die Analyse von Finanzministerin Yuriko Backes und der Regierungsparteien. „Ich stimme der Finanzministerin in allen Punkten zu“, sagt der Abgeordnete Fernand Kartheiser am Telefon. „Doch wir würden politisch anders darauf reagieren.“ Als Beispiel nennt er ein Aufheben der Sanktionen gegen Russland und die von der Tripartite beschlossene Indexverschiebung mit den ausgehandelten Maßnahmen.
Ein Auge aufs Budget
In der Finanzkommission wurde am Montag außerdem ein neuer Berichterstatter für das Budget 2023 bestimmt. Der DP-Abgeordnete Max Hahn wurde für die Position gewählt. „Ich bin ganz stolz und es ist mir bewusst, dass dies mit ganz viel Arbeit verbunden ist. Ich freue mich auf die Herausforderung“, schreibt Hahn in einer Pressemitteilung der DP.
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