Luxemburg blieb bisher von großen Naturkatastrophen verschont, einige schlimme Überschwemmungen ausgenommen. Orkane fegen zwar regelmäßig übers Land, richten aber nur selten wirklichen Schaden an. Das änderte sich am 9. August dieses Jahres, als ein Tornado der Stärke F2 über Teile des Südens Luxemburgs hinwegfegte. Die Gemeinden Petingen und Käerjeng waren besonders betroffen. 14 Personen erlitten Verletzungen. Zwei Opfer schwebten sogar einige Zeit in Lebensgefahr. Glücklicherweise überlebten aber beide. Über 300 Häuser wurden durch den Sturm beschädigt. Viele davon waren nicht mehr bewohnbar.
Auch wenn dieser Wirbelsturm die Nerven der Leute arg strapazierte und viel Leid verursachte, so hatte er doch etwas Gutes. Er zeigte nämlich, dass auch in einer Zeit, wo der zunehmende Verlust der zwischenmenschlichen Beziehungen bedauert wird, wahre Solidarität noch existiert. Wenn es darauf ankommt, sind die Menschen durchaus in der Lage, ihre Komfortzone zu verlassen, auf die Straße zu gehen und dort anderen Menschen zu helfen.
Denn wie wäre es sonst zu erklären, dass schon einige Wochen nach der Katastrophe außer ein paar Schutthaufen und Baustellen in den betroffenen Straßen quasi nichts mehr vom Durchzug des Tornados zu sehen war? Hunderte freiwillige Helfer, nicht nur aus der betroffenen Region, sondern aus dem ganzen Land, eilten noch am Abend der Katastrophe nach Petingen und Käerjeng und boten ihre Hilfe an. Vereine, Firmen, Verwaltungen, Gemeinden, Rettungsdienste, Privatleute … alle arbeiteten unermüdlich Hand in Hand, um des Chaos Herr zu werden. Überstunden, Nachttarife, Termine spielten für einmal keine Rolle. Man sah schnell, wie effizient verschiedene Akteure in einer Notlage zusammenarbeiten können. Die Familien, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten, wurden schnell und ohne administrative Hürden woanders untergebracht. Beschädigte Häuser wurden gesichert. Die Trümmer wurden beiseite geschafft und entsorgt. Stunden nach dem Wirbelsturm begannen bereits die ersten Reparaturarbeiten.
Ohne die psychologische Hilfe zu vergessen. Es ging darum, den Opfern zu zeigen, dass sie nicht allein mit der schwierigen Lage fertig werden müssen. Die diversen Spendenaufrufe, u.a. via soziale Netzwerke, sind denn auch ein weiterer Beweis dafür, dass Begriffe wie Solidarität und Mitgefühl auch hierzulande keine leeren Hülsen sind.
Mittlerweile liegt der Ball quasi nur noch bei den Versicherungsgesellschaften. Diese hatten schon kurz nach dem Sturm großes Entgegenkommen angekündigt. Auch beim Familienministerium gingen Anträge auf Hilfe ein. Bis zum 31. März kann man dort noch seine Anfrage einreichen. Danach wird geschaut, wer noch zusätzliche finanzielle Hilfe benötigt. Diese kommt dann aus dem gut gefüllten Spendentopf. Darin befindet sich laut Pierre Mellina, Bürgermeister von Petingen, inzwischen mehr als 1 Million Euro. Es wurden bereits etliche Anträge eingereicht. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden versprachen beide, niemanden im Regen stehenzulassen. Stand Dezember sind dank dem engagierten Einsatz der Handwerksbetriebe aus dem ganzen Land die meisten akuten Baustellen abgeschlossen.
Auch Monate nach dem Tornado herrscht noch immer große Anteilnahme. Die Reaktion auf die Katastrophe in Petingen und Käerjeng ist auf jeden Fall ein hervorragendes Beispiel von gelebter Solidarität. Ein Beweis dafür, dass die Individualisierung in unserer Gesellschaft zwar voranschreitet, aber auch ihre Grenzen hat. Glücklicherweise.
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