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Klangwelten: Eddie VedderEin Hauch zu viel Mainstream

Klangwelten: Eddie Vedder / Ein Hauch zu viel Mainstream
Eddie Vedder – „Earthling“ Foto: Danny Clinch

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Eddie Vedder ist die Stimme von Pearl Jam, einer der großen Grunge-Bands aus den Neunziger Jahren. Sie sind bis dato ohne tragische, durch Drogen verursachte Todesfälle oder nennenswerte Skandale ausgekommen und zudem gut gealtert. Wer sie heutzutage live erleben will, muss leider tief in die Tasche greifen und froh sein, in den Massen einen guten Platz zu erhaschen, dafür ist ihre Show meist entsprechend entschädigend.

Nun ist ihr Frontmann wieder solo aktiv. Sehr sogar. 2020 gab es eine sechs Songs umfassende EP („Matter Of Time“) und im letzten Jahr den Soundtrack zu dem Sean Penn-Drama „Flag Day“, für den er neben Cat Power und Glen Hansard den Großteil der Songs beisteuerte. 2021 veröffentlichte er auch die Singles „Long Way“ und „The Haves“ und zuletzt noch „Brother The Cloud“, alles Auskopplungen aus seinem von Andrew Watt produzierten Soloalbum „Earthling“, das am 11. Februar auf den Markt kam. Ist „Long Way“ eine langweilige Mainstream-Rockballade, bei der das Beste das Gitarrensolo ist, gefällt „The Haves“, ebenfalls eine Ballade, schon besser. Zu Piano, Akustikgitarre und später auch Schlagzeug und Bass singt Vedder über die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. „Brother The Cloud“ setzt einen drauf: Der mitreißende, teils wütende Rocker könnte ebenso gut von Pearl Jam sein. Die Frage ist nun, wie der Rest der „Earthling“-Songs ausfällt, die Vedder mit Hilfe von Stevie Wonder, Ringo Starr, Elton John, Red-Hot-Chili-Peppers-Mitglied Chad Smith und Josh Klinghoffer einspielte?

Edddie Vedder
Edddie Vedder Foto: Danny Clinch

Das Album eröffnet mit dem risikolosen Rock/Pop-Song „Invincible“, in dem Vedder an eine Kreuzung aus Herbert Grönemeyer und Bruce Springsteen erinnert. Dieser erste Eindruck verfliegt, sobald der Song die Intro-Phase hinter sich hat und seine Coldplay-Bombasthaftigkeit entfaltet hat. Aber ob das besser ist? Erstmals laut wird es in „Power Of Right“, obwohl sich auch hier Mainstream-Pop-Klänge eingeschlichen haben. Aber auch anderswo: Der Schlagzeugsound in der Ballade „Fallout Today“ und dem okayen Stadionrocker „The Dark“ ist viel zu zart und klinisch. Das ist erfreulicherweise in dem wilden „Good And Evil“, in „Rose Of Jericho“ und „Try“ anders. Hier zeigen Vedder und seine Mitstreiter ihre Zähne und rocken befreit drauf los. Der Gastauftritt von Elton John („Picture“) ist ebenfalls gelungen, und so ist die zweite Albumhälfte tatsächlich die bessere. Sie endet mit der psychedelischen Ballade „On My Way“, und nach anfänglicher Skepsis bleibt dann doch ein positiver Gesamteindruck über.

Anspieltipps: „Brother The Cloud“, „Good And Evil“, „On My Way“

Punkte: 7 von 10 Punkten

(Kai Florian Becker)