Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 stellt Forscher und die Industrie vor eine Hürde. Die Richter aus Luxemburg hielten fest, dass Pflanzen, die mit dem Verfahren der sogenannten „Genschere“ erzeugt wurden, unter die gleichen strengen Regeln wie andere gentechnisch veränderte Pflanzen fallen. Industrieverbände und Forscher lehnen sich gegen das Urteil auf.
Europa ist traditionell vorsichtig, wenn es um Genmanipulation geht. Das Europaparlament hat Regeln erlassen, die dem Umgang mit genveränderten Pflanzen einen strengen Rahmen stecken. In der Begründung der entsprechenden Direktive heißt es: „Der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfordert eine gebührende Kontrolle der Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt.“ Genmanipulation ist aber nicht gleich Genmanipulation. Die Gentechnik kennt mehrere Arten, wie in den Bauplan einer Pflanze oder eines Tieres eingegriffen werden kann. Diese Methoden unterscheiden sich zum Teil stark.
Menschen betreiben seit Jahrtausenden Zucht von Tieren und Pflanzen. Lange bevor die genetischen Mechanismen dahinter bekannt waren, haben Menschen, bewusst oder unbewusst, Tiere und Pflanzen über Generationen hinweg verändert, indem nur die Exemplare zur Zucht verwendet wurden, die die gewünschten Kriterien erfüllen. So wurde über Hunderte Jahre hinweg aus dem Wolf ein Hund, aus dem Wildschwein ein Hausschwein und aus der ungenießbaren kleinen Banane die heutige Cavendish-Banane.
Später lernten die Menschen, diese Genveränderung gezielt einzusetzen. Gregor Mendel experimentierte mit Bohnen und entdeckte im 19. Jahrhundert die Vererbungslehre. Während der Industrialisierung setzen Züchter in Großbritannien zum ersten Mal komplizierte statistische Modelle ein, um die Schweinezucht auf ein neues Niveau zu bringen.
Zufällige Mutationen
Die Veränderungen, die Mutationen, die bei der Zucht vorkommen, sind allerdings zufallsbedingt. Der Züchter kann zwar immer die für sein Vorhaben am besten geeigneten Exemplare zur Zucht heranziehen und die Tiere und Pflanzen Bedingungen aussetzen, die die gewünschten Kriterien begünstigen. Allerdings muss er immer noch hoffen, dass zufällig eine Mutation entsteht, die seinen Vorstellungen entspricht und die er dann für die weitere Zucht verwenden kann.
Erst viel später lernten Menschen, direkt in das Erbgut von Tieren und Pflanzen einzugreifen. Zum einen mit dem Verfahren der Transgenese. Dabei wird fremdes Erbgut in eine Wirtszelle eingepflanzt. Ist die Transgenese erfolgreich, teilt sich die so veränderte Zelle und gibt das neue Erbgut an ihre Nachfahren weiter. Zum anderen existieren verschiedene Verfahren der Mutagenese. Dabei werden Zellen genetisch verändert, ohne dass fremdes Erbgut in die Zelle eingeschleust wird. Bei der konventionellen Mutagenese werden die Zellen so lange widrigen Umständen (zum Beispiel UV-Strahlung) ausgesetzt, bis eine brauchbare Mutation im Erbgut entsteht.
Immun gegen Unkrautvernichter
In den letzten Jahren wurden allerdings immer mehr Verfahren der Mutagenese entwickelt, die weniger zufallsbedingt sind. Wissenschaftler können heute ganz gezielt die DNS eines Lebewesens umbauen, indem sie zum Beispiel die sogenannte Genschere (Crispr/Cas-Methode) verwenden. Mit deren Hilfe kann DNS gezielt aufgeschnitten, gekürzt und um neue Teile ergänzt werden. Vor rund einem Jahr entschied der EuGH, dass Mutagenese ebenso wie Transgenese als Genmanipulation zu werten ist und deshalb der strengen EU-Direktive unterliegt. Auslöser für die Entscheidung war eine Klage französischer Umweltverbände gegen den französischen Staat. Der Gesetzgeber im Hexagon hatte Mutagenese-Verfahren nämlich zugelassen und von der strengen Regelung genmanipulierter Organismen ausgenommen.
Das machte es möglich, durch Mutagenese gewonnene, herbizidtolerante Rapssorten anzubauen und zu vermarkten. Diese Pflanzen werden so verändert, dass sie immun gegen Unkrautvernichter sind. Die Landwirte können diese Pflanzen anbauen und das Feld dann mit starken Pflanzenvernichtern eindecken, ohne Gefahr zu laufen, dass auch ihre Saat abstirbt. Die Kläger erklärten vor dem Gericht, „die Mutagenese-Verfahren hätten sich weiterentwickelt und erlaubten es nunmehr ebenso wie die Transgenese-Verfahren, herbizidresistente Sorten herzustellen“. Die Umweltschutzverbände hatten zweierlei Argumente hervorgebracht. Erstens sei es möglich, dass Unkraut resistent gegen die verwendeten Herbizide wird und es deshalb zu einem verstärken Einsatz verschiedener Herbizide kommen kann, was schlecht für Umwelt und Menschen ist.
Zweitens sei nicht ausgeschlossen, dass durch die Genmanipulation in den Pflanzen, die für Nahrungsmittel- und Futtermittelzwecke bestimmt seien, versehentlich eine Veränderung an anderer Stelle der DNS ausgelöst wurde, durch die die Pflanze krebserregend wird oder andere gesundheitliche Probleme auslösen kann.Die Regierung argumentierte, die von den Verbänden hervorgehobenen angeblichen Gefahren seien nicht auf die Eigenschaften der genetisch veränderten Pflanzen, sondern auf die Anbaupraktiken zurückzuführen. Daneben seien die durch die modernen Gefahren gezielt hervorgerufenen Mutationen mit denen der konventionellen Mutagenese und sogar spontanen Mutationen vergleichbar.
Strenge Prüfung und Kennzeichnung
Das französische Gericht, vor dem der Fall ursprünglich verhandelt wurde, fügte hinzu, „In-vivo-Mutagenese-Methoden würden seit Jahrzehnten angewandt, ohne dass Umwelt- oder Gesundheitsrisiken aufgetreten seien“. Ältere Mutagenese-Verfahren, zum Beispiel die Bestrahlung mit Licht, sind von dem Urteil der Luxemburger Richter ausgenommen.
Der Europäische Gerichtshof gab den klagenden Umweltverbänden recht. „Folglich sind mit Verfahren/Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen als GVO im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18 anzusehen“, heißt es in dem Urteil. Pflanzen, die mit der Crispr/Cas-Methode oder einem anderen modernen Verfahren geschaffen worden sind, müssen deshalb in Europa genauso behandelt werden wie jede andere genmanipulierte Pflanze. Das bedeutet unter anderem, dass sie sehr streng geprüft und gekennzeichnet werden müssen. Bevor sie auf einem Acker landen dürfen, muss ausgiebig geprüft werden, welche Risiken dadurch potenziell entstehen.
Das Problem? Gezielte Mutagenese hinterlässt keine Spuren. Es ist nicht möglich, im Nachhinein festzustellen, ob eine Mutation spontan entstanden ist oder ob sie durch eine gezielte Mutagenese hervorgerufen worden ist, wie Holger Puchta, Professor für Pflanzenmolekularbiologie und Biochemie am Karlsruher Institut für Technologie, gegenüber der FAZ erklärte. Das ist zum Beispiel ein Problem, wenn solche Pflanzen aus den USA importiert werden, wo sie ohne Weiteres angebaut und verkauft werden dürfen.
Druck aus der Forschung
Während Umweltschutzverbände das Urteil begrüßten, monierten Pflanzenzucht-Unternehmen, es bremse die Innovation in Europa. Carl-Stephan Schärfer vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter äußerte in der Tagesschau die Befürchtung, dass Unternehmen ihre Forschung nun ins Ausland verlagern. Das Unternehmen Lyckeby aus Schweden hat nun einen neuen Versuch gestartet, eine genveränderte Kartoffel auf den Markt zu bringen. Die Kartoffel wurde mittels Crispr gezielt so verändert, dass sie nur noch eine bestimmte Sorte Stärke herstellt, die für die Industrie von Nutzen ist.
Laut www.transgen.de hat das Unternehmen jetzt bei den schwedischen Behörden den Antrag gestellt, die Kartoffel auf 1.500 Hektar ausbringen zu dürfen. Die Kartoffel soll die gleichen Eigenschaften haben wie die durch konventionelle Mutagenese erzeugte und mittlerweile vom Markt verschwundene Sorte Amiflora. Am Montag war bei dem Unternehmen niemand zu sprechen, der diese Information gegenüber dem Tageblatt bestätigen konnte, allerdings arbeitet das Unternehmen seit langem gemeinsam mit der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften an einer solchen Kartoffel.
Auch aus der Forschung kommt Druck. Wissenschaftler aus rund 120 von der EU geförderten Institutionen, darunter vielen Universitäten, fordern das neue Europäische Parlament auf, den Rechtsrahmen für genveränderte Organismen zu überdenken. Die Direktive von 2001 entspreche nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft, heißt es in dem Schreiben. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, genverändertes Saatgut anders zu behandeln als konventionell gezüchtete Sorten mit ähnlichen Veränderungen.“ Dass die Wissenschaftler sich durchsetzen können, ist fraglich. Bei Umfragen spricht sich regelmäßig eine große Mehrheit der europäischen Verbraucher gegen genmanipulierte Lebensmittel aus.
"" Der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfordert eine gebuehrende Kontrolle der Risiken infolge . . . . "
Et wir och gutt wann so'u een Saatz geif bei Pestiziden an Herbiziden ausgesprach ginn !