Jeunesse-Präsident Marc Theisen brachte es auf den Punkt. Er wünsche sich endlich mehr Informationen über den tödlichen Zwischenfall beim Jugendtraining vor fast drei Wochen, damit sein Verein endlich zur Ruhe kommen kann. Denn der Fußball-Rekordmeister müsse sich auf seine prekäre sportliche und finanzielle Situation konzentrieren. Da es aber keine offiziellen Informationen vonseiten der Behörden gibt, werden auch die Eltern der vielen Jugendspieler im Ungewissen gelassen. Sie fragen sich: Hatte der Angreifer etwas mit dem Klub zu tun und ist mein Kind dort überhaupt noch sicher?
Die Sorgen des Fußballvereins stehen hier stellvertretend für ein fundamentales Problem im Land: In Sachen Informationspolitik der Behörden ähnelt Luxemburg einer Bananenrepublik. Justiz und Polizei geben sich alle Mühe, dass im Ländchen so wenig wie möglich an die Öffentlichkeit gelangt. Im Fall der tödlichen Messerattacke beim Jeunesse-Training wollte zum Beispiel die Justiz dem Tageblatt weder etwas über die Identität des Toten noch über die genaue Todesursache verraten. Auch bleibt es ihr Geheimnis, ob Täter und Opfer der Polizei im Vorfeld bekannt waren. Sogar dass die Polizei gleich zweimal an diesem Tag vor Ort war, wurde in den Tagen nach dem Vorfall verschwiegen.
Begründet wird das Schweigen stets mit dem Verweis auf die laufenden Ermittlungen. Das gleiche Argument wird tagtäglich von der Polizei benutzt. Und so geht das weiter bis in die Ministerien, die inzwischen mehr Kommunikationsbeauftragte beschäftigen als die größte Redaktion des Landes Journalisten. Was von der Politik genauso gewollt ist. Obwohl Premier- und Medienminister Xavier Bettel bei jeder Gelegenheit die Wichtigkeit der Presse als vierte Gewalt im Land und unabhängige Informationsquelle für die Bürger unterstreicht, blockiert er seit zehn Jahren das Informationszugangsrecht für Journalisten. Was im Grunde genommen einer Gängelung der Journalisten und einer Täuschung der Öffentlichkeit gleichkommt. Eine Täuschung, die zudem die Medien diskreditiert. Nicht selten ist in den sozialen Netzwerken der Vorwurf zu lesen, die Medien steckten mit der Politik und der Justiz unter einer Decke und verschwiegen den Menschen die Wahrheit.
Es ist ein gefährliches Spiel, was die Behörden da mithilfe der Politik treiben. Wenn Menschen aus Mangel an Informationen das Gefühl haben, die Dinge würden unter den Teppich gekehrt, dann ist der Weg zur Verschwörungstheorie nicht mehr weit. Und die Suche nach alternativen Fakten auch nicht. So wird den Populisten in die Karten gespielt. Sie nutzen das Vakuum und schüren in den sozialen Medien Ängste.
Demnach ist es höchste Zeit, dass sich etwas ändert. Vielleicht hilft ja ein Blick über die Grenzen. Auch in unseren Nachbarländern gibt es das Untersuchungsgeheimnis. Mit Zwischenfällen wie beim Jugendtraining der Jeunesse wird aber offener umgegangen. Staatsanwaltschaft und Polizei informieren unmittelbar, meist in einer Pressekonferenz. Die Öffentlichkeit erhält dabei elementare Informationen über Täter und Tathergang. So bleibt die Tür für Spekulationen geschlossen. Wie drückte es einst die österreichische Lyrikerin Ingeborg Bachmann aus: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.
@ Emilia / Das haben Sie richtig bemerkt. Aber mein Kommentar bezieht sich auf: "Herr Bettel, es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zur Wahl, erfüllen Sie endlich ihr Wahlversprechen und schaffen Sie Transparenz". Ist jetzt alles klar und in Ordnung? Ein schönes Wochenende wird gewünscht.
@dmp
"Nun scheint tatsächlich nicht den Journalisten hier die Schuld anzulasten sein, sondern der polizeilichen „Informationspolitik“.
Nein, es ist der böse Gesetzgeber, der das verbietet und als dieses Gesetz gestimmt wurde, waren die Schwarzen am Ruder.
2Anatole
"Was kann man schon von dem Blingbling Bettel erwarten."
Bettel ist die Exekutive, der darf sich nicht in die Justiz einmischen.
Mit Ihrem Alter sollten Sie das wissen.
@ Jill / Was kann man schon von dem Blingbling Bettel erwarten.
Seine Bühne ist international und nicht die Provinz Luxemburg.
Seit 1933 wird die Wahrheit über Luxemburg nicht zugemutet. "Too big to tell."
MfG
Robert Hottua
Ein wichtiger Artikel! Man kann nicht oft genug auf diesen Skandal hinweisen!
In einem Rechtsstaat darf es keine Tabuthemen geben, die Bürger haben Anspruch auf Informationen, ansonsten haben wir keine funktionierende Demokratie mehr.
Herr Bettel, es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zur Wahl, erfüllen Sie endlich ihr Wahlversprechen und schaffen Sie Transparenz!
Ein bedenkenswerter aber ebenfalls bedenklicher Zustand in Luxemburg.
Gleicher Fall mit der Tötung durch Messerstiche eines jungen Mannes vor wenigen Wochen quasi vor meiner Haustür. Nichts wurde darüber bekannt. Der Vorfall wurde verschwiegen. Bis heute.
Kleinere Aufreger, zum Beispiel einer Frau wurde ihr Geldbeutel entwendet, oder ein Auto wurde des nächtens aufgebrochen, finden in den Medien Niederschlag. Oft wirken solche Berichterstattungen ihrer Nichtigkeit wegen provinziell. Nun scheint tatsächlich nicht den Journalisten hier die Schuld anzulasten sein, sondern der polizeilichen "Informationspolitik".
Es ist zu einfach, sich hinter "laufenden Ermittlungen" zu verstecken, dabei aber das Recht der Bürger auf Informiertheit zu ignorieren.