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EditorialDie Tour de France: Ein gelbes Himmelfahrtskommando

Editorial / Die Tour de France: Ein gelbes Himmelfahrtskommando
Primoz Roglic schleppte sich auf der dritten Etappe blutverschmiert ins Ziel Foto: AFP/Benoit Tessier

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Superspreader-Event, Regenbogenfahnen-Debatte, Favoritensterben: Die vergangenen Tage wurden von UEFA-Skandalen und Fußball-Überraschungen dominiert. Im Schatten der paneuropäischen Europameisterschaft kämpfte allerdings auch das größte Radsportrennen der Welt mit hausgemachten Problemen.

Denkt man an die klassischen Themen bei der Übertragung der Tour de France, kommen einem meist Bilder von architektonischen Kunstwerken und weitläufiger Natur, ein Panoramablick auf der Alpe d’Huez oder klirrende Sektgläser auf den Champs-Elysées in den Sinn. 2021 dominieren andere Fotos und Nachrichten: Stürze und verletzungsbedingte Aufgaben überschatten sportliche Ergebnisse und Namen der Gesamtführenden.

Die größte Aufmerksamkeit bei der „Grande Boucle“ erreichte bislang die Enkelin mit ihrem „Omi-Opi“-Pappkarton. Aufgrund ihrer Unachtsamkeit landete sie in Polizeigewahrsam und ein Großteil des Pelotons auf dem Asphalt. Inzwischen ist mitgeteilt worden, dass die 30-Jährige während ihres Verhörs von Scham und Reue sprach. „Sie scheint überfordert von dem, was sie eine Dummheit nennt“, hieß es vonseiten des französischen Magistrats. Nichtsdestotrotz brachte die Frau mit ihrem fahrlässigen Verhalten auf der Strecke Menschenleben in Gefahr.

Dass mit dem Vorjahreszweiten Primoz Roglic (SLO) oder Sprinter Caleb Ewan (AUS) bereits Aushängeschilder aufstecken mussten, geht aber nicht nur auf unbelehrbare Zuschauer entlang der Straßengräben zurück – trotz der großen Nervosität, die nach solch prägenden Ereignissen im Peloton herrscht. Nach der vierten Etappe waren bereits sieben Aufgaben gezählt worden. Marc Madiot, Manager des französischen Teams Groupama-FDJ, hatte es bereits nach der ebenso chaotischen dritten Etappe in seiner medialen Brandrede auf den Punkt gebracht: „Wenn wir so weitermachen, wird es Tote geben.“

Die Schuldfrage in diesem Dossier ist allerdings nicht so einfach zu beantworten. Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis einer Aufstockung der hausgemachten Probleme. Ewan beispielsweise kollidierte mit dem slowakischen Routinier Peter Sagan. Eine einzige Unaufmerksamkeit im dichten Fahrerfeld kann fatale Folgen haben. Doch andere Ursachen für gebrochene Knochen und aufgeschürfte Schenkel wären definitiv vermeidbar, angefangen mit fragwürdigen Entscheidungen bei der Zusammenstellung des Parcours. Was für den Zuschauer möglicherweise ein zusätzlicher Spannungsfaktor ist, stellt für die Fahrer unsinnige Gefahrenquellen dar: kurvenreiche Strecken, zahlreiche Verkehrsinseln oder verengte Straßen in den Städten. Als das Fahrerfeld und der Organisator sich darauf geeinigt hatten, die Neutralitätszone bei der Flachetappe am vergangenen Montag von drei auf fünf Kilometern zu verlängern (da vor dem Zielstrich eine scharfe Kurve auf das Fahrerfeld wartete), stellte sich die „Union cycliste internationale“ (UCI) quer. Das Resultat: Stürze en masse und verärgerte Radprofis, deren Warnung ignoriert worden war.

Der fünfminütige Fahrerstreik diente in diesem Fall eigentlich wenig. Die Stimmung ist aufgeheizt, auf den Straßen der Tour de France geht es weiterhin rasant zu. Wer dieses Risiko nicht eingeht, hinkt meilenweit hinterher. Noch immer erhält das komplette Fahrerfeld gleichzeitig die identische Warnung über „oreillettes“ und wird von einer Sekunde zur nächsten in Lauerstellung versetzt. 

Was die „Grande Boucle“ braucht, ist kein Komplettumbruch, sondern ein Entgegenkommen aller Betroffenen. Ein wenig mehr Einsicht bei der UCI, weniger Hektik und Kontrollwahn bei den Teamchefs sowie die Geschlossenheit der Fahrer, weniger Risiken einzugehen.

de Prolet
9. Juli 2021 - 9.30

Die Gier der Menschen: höher, weiter, schneller, immer mehr. Und diese ungesunde Mentalität ist in allen Sparten und Lebenslagen wiederzufinden. Entschleunigen ist angesagt, beschleunigen findet statt. Vernunft und Verstand werden immer weniger eingesetzt.

HTK
7. Juli 2021 - 21.47

@jul,
kënnt dat hei eng Äntwert op är Fro sinn?
"O hochverehrtes Publikum,
sag mal: Bist du wirklich so dumm,
wie uns das an allen Tagen
alle Unternehmer sagen?
Jeder Direktor mit dickem Popo
spricht: „Das Publikum will es so!“
Jeder Filmfritze sagt: „Was soll ich machen?“ Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!“ Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht: „Gute Bücher gehn eben nicht!“
Sag mal, verehrtes Publikum:
Bist du wirklich so dumm?
( K.Tucholsky )
"Es wird bald Tote geben?" Die sind schon überfällig.Eine Tour mit Doping-Legende Armstrong hatte einen Gesamtschnitt von über 38Km/St.Wie soll das gehen mit normalen Mitteln? Und dann hauen die Organisatoren noch immer eins drauf,als wäre die Tour nicht schon schwer genug.Mit Nudeln und Müsli ist das nicht zu schaffen,das weiß jeder der schon einmal auf einem Rad saß.
Ich selbst schaue diese Apothekenrundfahrt nicht mehr an.Vielleicht rette ich damit Leben?

jul
7. Juli 2021 - 18.09

êt ass nêt nêmmen am Sport esou,
mir All gin haut des Dags nêmmen nach gestriitzt
nêmme viirun, séier, séier
dat ass tatsächlech nêt méi normal
viir wat ass dat esou!?

de Schéifermisch
7. Juli 2021 - 13.25

Das ist kein Sport mehr, das ist Krieg.