Tageblatt: In Anbetracht der Größenordnung einer Losch-Gruppe, wie funktioniert so ein Lockdown mit vielen Mitarbeitern, zahlreichen Zweigstellen und Produkten aus diversen Herkunftsländern?
Damon Damiani: Der Grundgedanke war die Idee, dass wir zwei Ziele verfolgen: erstens die Sicherheit unserer Mitarbeiter zu garantieren und unsere Kunden zu schützen, zweitens den Fortbestand unserer Firma zu gewähren. Weil niemand weiß, wie lange diese Situation anhalten wird, sind dies die beiden Eckpfeiler, die man erst einmal errichten muss. Ja, das ist kompliziert, aber die Losch-Gruppe ist gut strukturiert, mit verschiedenen Geschäftsbereichen, wie dem Import, dem Handel oder Retail sowie Losch Services, Losch Real Estate und Losch New Business, in denen Leute sitzen, die diese Bereiche nicht nur leiten, sondern auch Verantwortung übernehmen können. Anders würde es bei unserer Größe auch gar nicht funktionieren.
Ich glaube, wir haben ziemlich schnell reagiert und sind intern gut organisiert. Klar, wir haben uns erst an die Fabriken gewendet, um herauszufinden, wie lange die noch produzieren und liefern können, denn das hat natürlich einen Einfluss auf unsere Arbeit. So lange noch Neuwagen ankommen, brauchen wir Leute an unseren Standorten. Diese Wagen müssen wiederum an die Händler verteilt werden und das Ganze hat natürlich einen Einfluss auf die Finanzen und das Cashflow-Management, denn wenn die Einkünfte versiegen und die Niederlassungen schließen und du hast plötzlich nur noch Rechnungen zu bezahlen, dann wirkt sich das auf die Leitung des Betriebes aus. Aber wir sind eine große Mannschaft, eine gute Mannschaft, der ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank ausdrücke. Wir haben vorletzten Montag damit angefangen, unser Team herunterzufahren, sodass jetzt der größte Teil der Mitarbeiter von Kurzarbeit („chômage technique“) betroffen ist. Ein paar wenige gehen noch ins Büro, in Howald sind das nur noch acht Personen. Ich selbst gehe auch jeden Tag dorthin, andererseits sind alle unsere Werkstätten noch geöffnet, wo wir jeweils ein Team für After-Sales im Einsatz haben. Dort garantieren wir Dienstleistungen für alle Menschen, die ihr Auto brauchen, wie u.a. die Notdienste, die ja auch dafür sorgen, dass man dieses Virus überhaupt bekämpfen kann.
Und die anderen Kunden?
Wir sind natürlich für alle Kunden da, die brauchen nur in unserer Telefonzentrale anzurufen und dann sehen wir, wie wir ihnen helfen können. Was wir vermeiden wollen, ist, dass die Kunden alle gleichzeitig zu uns kommen, denn wir müssen ja die Hygieneauflagen der Regierung einhalten. Wir können kleinere Reparaturen eventuell vor Ort ausführen, die Autos aber auch beim Kunden abholen und sie wieder zurückbringen. Wir passen uns da möglichst flexibel der jeweiligen Situation an.
Wie werden die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern der Produkte des VW-Konzerns koordiniert, genügt es, sich an die nationalen Spielregeln zu halten, oder wie funktioniert das?
Soweit es unsere Mitarbeiter und Kunden betrifft, halten wir uns an die Luxemburger Vorschriften, das versteht sich von selbst. Aber unser „Legal Department“ hat natürlich alle unsere Verträge akribisch analysiert, um zu sehen, ob es sich in diesem Fall um einen sogenannten „cas de force majeure“ handelt. Das ist derzeit ein großes Thema. Prinzipiell gilt aber das Luxemburger Gesetz.
Wie gestaltet sich die Zukunftsplanung? Oder andersrum gefragt: Ist es überhaupt noch sinnvoll, irgendetwas langfristig zu planen?
Planung ersetzt den Irrtum durch Fehler, hat mir mal ein sehr großer Chef gesagt. (lacht) Aber ganz im Ernst, ohne Planung geht es nicht. Wir haben natürlich eine Budgetplanung für das Jahr 2020 gemacht, die können wir jetzt getrost wegwerfen. Was uns aber nicht davon abhält, eine Projektion in die Zukunft zu machen. Wir arbeiten mit diversen Szenarien von „worst case“ bis „sehr optimistisch“. April wird sicher noch unter dem Zeichen des Coronavirus stehen, aber wie es danach aussieht, das ist die Frage. Wenn die Produktion wieder anrollt, wie viele Autos sind dann zu erwarten und wie wird das Verhalten der Kunden dann sein? Das weiß derzeit niemand, aber natürlich planen wir für den Tag danach. Diese Planung muss aber sehr flexibel sein, eventuell jede Woche oder gar jeden Tag nachgebessert werden, doch sie ist unvermeidlich bei unserem Volumen von mehr als 15.000 Autos pro Jahr.
Werden jetzt Ihrerseits neue Wege der digitalen Vermarktung verstärkt ausgelotet? Und falls ja, wie wird sich das auf die Zusammensetzung der Belegschaft auswirken?
Also prinzipiell ist der Wandel in der Automobilindustrie ja nicht erst mit dem Coronavirus eingetreten, das wissen Sie ja genauso gut wie ich. In den letzten drei bis fünf Jahren hat sich in dieser Hinsicht sehr viel verändert. Früher sind die Kunden im Showroom aufgetaucht und hatten vorher bestenfalls einen Katalog gesehen, jetzt surfen sie stundenlang im Internet und wenn sie dann an uns herantreten, sind sie bereits sehr gut informiert. Wir haben seit zwei Jahren unsere Firma Cube4T8, die im digitalen Bereich sehr aktiv ist, und wir haben selbst in Porto ein Team von zwölf Leuten, das für unsere Gruppe sowie für externe Kunden arbeitet. Ja, die Digitalisierung kommt und Corona wird sie vermutlich beschleunigen, aber Corona bringt nichts fundamental Neues. Es macht mir auch keine Angst, denn wir sind gut aufgestellt.
Ich hatte gehofft, Sie würden mir als bekennendem Papier-Anhänger etwas anderes erzählen.
(lacht) Ach, wir beide gehen noch zusammen in den Showroom, ganz „old school“.
Gibt es eine generelle Marschrichtung von VW aus Wolfsburg?
Wir kommunizieren mit den Marken untereinander und auch mit Wolfsburg. Klar, am Anfang hat jeder versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen, aber in der Zwischenzeit ist alles gut koordiniert. Ich muss dazu sagen, dass ich, der ich vierzig Jahre Erfahrung in dieser Branche habe, der Ansicht bin, dass wir ein gutes Verhältnis mit unseren Werken haben, da wird nichts einfach von oben herab entschieden. Die müssen ja auch ihre Rechnungen bezahlen, haben ihrerseits Cashflow-Engpässe, aber wir finden zusammen einen Weg, um die Hürden zu meistern, wann und wie Rechnungen bezahlt werden müssen, wie Liefertermine eingehalten werden, was für Zinsen fällig sind usw. Es ist eine sehr faire Art der Kommunikation. Wir haben natürlich auch den Vorteil als Importeur, dass wir direkt mit den Leuten sprechen, die auch die Entscheidungen treffen.
China ist seit einiger Zeit im Abwärtstrend, Amerika dürfte folgen und 2020 wird kein grandioses Jahr für die Branche. Nach der Diesel- und Klimadebatte scheint ein Fluch auf ihr zu liegen. Sehen Sie überhaupt noch ein Licht am Ende des Tunnels?
Ich bin kein Zukunftsforscher, aber ich habe eine persönliche Meinung dazu. Ich glaube nicht, dass die Automobilindustrie der Grund aller Umwelt- und Wirtschaftsprobleme ist. Sie ist ein Teil des Problems und ein Teil der Lösung, ohne das Automobil geht es nicht. Ich glaube auch, dass eine gewisse politische Haltung, die sich derzeit in Luxemburg exklusiv auf E-Mobilität einschwört und ein richtiges Dogma darstellt, genau das Gegenteil ihrer Ziele erreichen wird, sowohl was die Umwelt als auch was die Verbraucher angeht. Etwas weniger politische Scheuklappen und etwas mehr Pragmatismus kämen jetzt ganz gut. Klar, wir müssen zusehen, dass unsere Natur wieder zu dem wird, was sie einmal war, aber ich glaube nicht, dass das Coronavirus jetzt alles verändert, es handelt sich nur um einen neuen Fokus. So ist der Mensch, wenn das hier vorbei ist, wird er sich einen neuen Fokus für seine Entrüstung und seine Katastrophen-Szenarien suchen. Dazu tragt ihr als Journalisten ja auch euer Scherflein bei, wenn ich das mal so sagen darf. (lacht)
Gibt es eine Zusammenarbeit mit Luxemburger Föderationen, wie der Fedamo (Ex-ADAL/Fegarlux), der Handwerkskammer usw.?
Ja, eine ganz positive sogar. Früher, unter der ADAL, hätte ich mir Sorgen gemacht, aber jetzt haben wir eine gute Mannschaft dort sitzen, die weiß, wie man Gespräche mit der Politik führt. Besonders positiv hervorzuheben sind auch die Arbeit und Kommunikation der HOA (Anm. d. Red.: Vereinigung der Automobilvertreter der ADAL, Fegarlux, Mobiz und Febiac). Auch die Handwerkerkammer, der Geschäftsverband, die Fédil … das klappt ganz gut, die sind stark in der Kommunikation. Jeder hat inzwischen verstanden, das die Stunde geschlagen hat.
Haben Sie die Entwicklung in Italien verfolgt, was bewirken diese Bilder in Ihnen?
Also ich selbst gehe so lange wie möglich ins Büro, ich bin nämlich der Meinung, dass der Kapitän als Letzter von Bord geht – bin ja kein Schettino. (lacht) Andererseits habe ich natürlich nicht nur eine Vorliebe für Italien, sondern auch Familie dort. Es ist grausam, was dort passiert, weil du den Eindruck bekommst, dass es keinen Ausweg gibt. Wir sind in Luxemburg sehr verwöhnt, Gott sei Dank, aber wir klagen oft auf einem sehr hohen Niveau. Wir sollten jeden Tag dankbar sein, dass wir diesseits der Grenze geboren wurden. Ich sage nur dies: Ein Lob für all die couragierten Menschen aus dem Gesundheitssektor! Was die alles leisten und was die für Risiken eingehen – Chapeau! Und danke dafür, dass wir so viele Grenzgänger haben. Ich hoffe, dass diese Diskussion jetzt auch endlich ein Ende hat.
Wenn die Betrugsfirmen es nicht überleben würden, Tränen würde ich ihnen nicht nachweinen.