Frühling ist im Périgord gleichbedeutend mit einer gewissen Exklusivität. Massentourismus gibt es, abgesehen von einigen wenigen Hotspots, ohnehin nie wirklich in dieser Gegend im Südwesten Frankreichs. Es lockt kein Meer, nur Flüsse, die wie die Dordogne, die Vézère oder Isle im Hochsommer oft über Trockenheit klagen und dann selbst das Kanufahren schwierig machen. Es gibt auch keine Autobahn, die ein schnelles Vorankommen ermöglicht, nur Straßen, auf denen man oft mindestens eine Stunde braucht, um 60 Kilometer zurückzulegen, um sich anschließend durchaus berührt von der Landschaft, aber auch geschüttelt von den Unebenheiten und Kurven zu fühlen.
Neben prähistorischen Höhlen, pittoresken Dörfern und Kleinstädten, Klöstern und Burgen zählen Gärten zu den Highlights des Périgord. Gärten gibt es viele. Zu den bekanntesten zählen die von Eyrignac, Marqueyssac, Limeuil oder Roque Gageac. Aber es gibt viele andere und jeder zieht auf seine Weise Besucher in seinen Bann. Mal wirken sie wild und naturbelassen, mal gezähmt oder abwechslungsreicher. Meistens gehört ein herrschaftliches Gebäude dazu und stets gibt es eine weit ins Land hineinreichende Aussicht.
Naturschauspiel mit Geschichte und Geschichten
Eigentlich ist das ganze Périgord ein einziger Garten, ein Naturschauspiel sondergleichen, in dem unzählige Burgen und Schlösser geschichtliche und architektonische Akzente setzen. Der Hundertjährige Krieg lässt grüßen. Dass die stattlichen Anwesen bis heute überdauert haben, verdanken sie weniger den Zuwendungen der französischen Denkmalschutzbehörde als den Bemühungen ihrer Besitzer. Jene haben sie in den vergangenen Jahren mit viel Eigeninitiative oft erst aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Ein gutes Beispiel dafür ist Commarque.
Die Burg sei bis vor wenigen Jahrzehnten fast komplett hinter üppiger Vegetation verschwunden gewesen, erzählt Aude de Commarque. Ihr Vater habe die Anlage seit 1968 nach und nach vom Wildwuchs befreit, die Mauern abstützen und im Donjon wieder Fußböden und Decken einziehen lassen. Das Ergebnis ist mehr als beeindruckend. Interessant ist vor allem auch, dass es sich eigentlich nicht um eine einzige Burg, sondern eher um ein Wehrdorf, eine befestigte Wohngemeinschaft mehrerer Ritter- und Adelsfamilien gehandelt hat. Zur Freude von Historikern wurde das vollumfängliche Anwesen vor gut 400 Jahren verlassen und es gab seitdem keine baulichen Veränderungen.
Von Bedeutung ist für den Ort ebenfalls, dass sich in den Felsnischen unterhalb der Burganlage seit der Jungsteinzeit Menschen niedergelassen und wie im ganzen Périgord ihre Spuren hinterlassen haben. In Commarque begeistern Forscher sich anders als im weltberühmten Lascaux nicht an Höhlenmalereien, sondern an in Stein gehauenen oder geritzten Tierreliefs.
Wer das Périgord als Region der 1.000 Schlösser und Burgen bezeichnete, hat untertrieben. Wer sie alle besichtigen möchte, braucht einen langen Atem und gute Beine. Was sollte man neben Commarque gesehen haben? Keine einfache Frage. Auf jeden Fall Beynac, die Burg der Eleonore von Aquitanien und deren Sohn Richard, genannt Löwenherz. Ja, genau, der aus den Robin-Hood-Erzählungen. Das gegenüberliegende Castelnaud lohnt ebenfalls, alleine schon wegen seiner nachgebauten Verteidigungsgeräte früherer Zeiten. Losse ist ebenfalls einen Abstecher wert, weil es mitten im Grünen und direkt am Wasser liegt.
Das Schloss der Josephine Baker
Zum Pflichtprogramm sollte besonders „Les Milandes“ gehören. Erbaut aus Liebe und geprägt von der Liebe Josephine Bakers zu ihren Kindern. Die in den USA geborene Künstlerin und als erste Schwarze im Pantheon in Paris bestattete französische Widerstandskämpferin hat den Renaissance-Bau 1947 gekauft, um ihren zwölf Adoptivkindern unterschiedlicher Nationalität und Konfession ein Zuhause zu geben. Die Innenräume sind originalgetreu aus der Zeit der „Grande Dame“ erhalten. Schloss Monbazillac darf auf unserer Liste natürlich auch nicht fehlen, alleine schon des bekannten Weißweins wegen, aber auch wegen seiner majestätischen Lage nahe Bergerac und der Geschichte, wie dereinst ein Adliger sich wendete, um die Jahre der Französischen Revolution zu überleben.
Ein weiterer Besuch-Tipp ist, last but not least, Biron, eine imposante Festung im Süden des Périgord. Die Anlage beeindruckt bereits aus der Ferne und überrascht durch einige authentisch ausgestattete Säle und durch eine Sammlung an historischen Geschicklichkeitsspielen, mit denen die Herrschaften sich einst die langen Winterabende vertrieben.
Wochenmärkte
Von Biron bis nach Monpazier ist es nicht weit. Die von den Engländern im 13. Jahrhundert als Bastide gegründete Stadt ist allein schon wegen ihres Wochenmarktes einen Besuch wert. Märkte sind einer der absoluten Publikumsmagnete im Périgord. Sie animieren, wie in Sarlat-la-Canéda, ein Stadtbild, das in unzähligen Historienfilmen als Kulisse diente. Wer Geselligkeit, „Foie gras“, Würste und süßlichen Wein mag, kommt hier auf seine Kosten. Antiquitätensammler ebenfalls. Gleiches gilt für Périgueux, die äußerst attraktive Hauptstadt des Périgord, aber eigentlich für alle Dörfer und Städte der Region. Wie zum Beispiel für die Stadt Bergerac, Namensgeberin des gleichnamigen und berühmten Weinanbaugebietes und Heimat von Cyrano de Bergerac. Die Nase dieses Mannes hat ihn berühmt gemacht, mit Depardieu wurde seine Geschichte verfilmt und sie fand sogar Eingang in eine Luxemburger Werbung der Domaines Vinsmoselle: „Wat huet deen eng Nues.“ Cyrano hat allerdings nie existiert, er ist eine Erfindung des Schriftstellers Edmond Rostand aus dem 19. Jahrhundert.
Dem Charme der Region, rund 900 Kilometer von Luxemburg entfernt, tun diese und andere Legendenbildungen keinen Abbruch. Im Gegenteil.
Von Luxemburg ins Périgord
Bei einer Reise ins Périgord besuchen wir stets natürlich auch Bettina und Christophe. Nach rund 20 Jahren in Luxemburg leben unsere Freunde, die Deutsche und der Belgier, heute in der Region im Südwesten Frankreichs. Auf einem herrschaftlichen Bauernhof in Pressignac-Vicq, nahe Bergerac, hat das Paar es sich gemütlich eingerichtet und vermietet seit Anfang 2020 Ferienwohnungen. „Mittlerweile fühlen wir uns hier heimisch, kennen nicht nur unsere direkte Umgebung, sondern auch viele schöne Orte im Périgord, die wir trotz eines intensiven Arbeitspensums mittlerweile besichtigen und bewundern konnten“, sagt Bettina. Ihre Erfahrungen teilen sie und Christophe gerne mit. Schwierigkeiten mit den französischen Behörden würden sie wohl ein Leben lang begleiten, „aber mein Nachname Opretzka wird mittlerweile allerdings meistens richtig geschrieben“. Bei unserem Besuch sind die beiden mitten in den letzten Vorbereitungen für die Saison 2023; die erste, in der Corona komplett abgehakt ist. „Wir fühlen uns als ‘gebrannte Kinder’, nachdem wir unsere touristische Aktivität ausgerechnet 2020 – im Jahr der Covid-Pandemie – begonnen haben“, sagt Bettina. „Entsprechend ängstlich schauen wir in die Zukunft und hoffen, dass uns weder die Inflation noch sonstige aktuelle oder künftige Krisen an der Ausübung unserer Tätigkeit hindern werden.“ Da die Tendenz im Tourismus weiterhin zur Suche nach Ruhe, schönen Landschaften und Authentizität zu gehen scheint, stehen sie mit ihrem Landgut inmitten der Natur nicht allzu schlecht da. „Wir arbeiten daran, das Bestehende durch Renovierung, Reparation und Neuanschaffungen zu verschönern, unser Angebot durch diverse Extras zu vervielfältigen – und unsere Arbeitsabläufe zu optimieren, damit wir endlich auch wieder ein bisschen Zeit für uns finden.“
Infos: perrot@location-vacances-dordogne.fr.
Bruno, Polizist und Botschafter
Bruno Courrèges ist Polizist. Mit seiner Romanfigur hat Schriftsteller Martin Walker zugleich auch einen der besten Botschafter des Périgord erfunden. In diesen Tagen ist mit „Troubadour“ nun der bereits 15. Fall des sympathischen „Chef de police“ in deutscher Sprache bei Diogenes erschienen. Wieder einmal nimmt der seit gut 20 Jahren nahe Le Bugue im Périgord ansässige Schotte seine Leser mit auf eine Reise zu Weinbergen, Schlössern und Gärten und weckt so den Appetit auf eine Region, die reich an Geschichte und Geschichten ist. Der Autor und seine Romane, die mittlerweile in 18 Sprachen übersetzt werden, darunter auch Französisch, haben den Winzer Julien de Savignac zur Cuvée „Bruno“ inspiriert. Es ist eine leckere Merlot-Cabernet-Mischung, mit Spürnase Balzac, Brunos Hund, einem Basset, auf dem Etikett.
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