Tageblatt: Patrizia Van der Weken, die Universitätsweltmeisterin. Haben Sie diesen Erfolg überhaupt schon realisieren können?
Patrizia Van der Weken: Es ist ein bisschen surreal. Schon wieder (lacht). Ich war angereist, um eine Medaille mit nach Hause zu nehmen – im besten Fall natürlich Gold. Nach dem Halbfinale wusste ich schon, dass es möglich ist. Ich habe mich gut gefühlt. Im Finale war nach dem Start alles ok und ich habe dann relativ früh gemerkt, dass ich gewinnen werde. Ich bin mega froh und auch dankbar, dass alles so geklappt hat. Es ist einfach gesagt: Ich gehe zur Universiade, versuche in Topform zu sein und nehme eine Medaille mit nach Hause. Dass mein Körper das alles mitmacht und auch mental alles geklappt hat, war toll. Das ist auch meinem Trainer Arnaud (Starck) zu verdanken. Er hat alles super geplant.
Hatten Sie schon Zeit, die Medaille zu feiern?
Die letzten Stunden waren ziemlich stressig (lacht). Ich bin am Mittwoch um 18.30 Uhr das Halbfinale gelaufen, um 21 Uhr folgte das Finale. Danach gab es eine Ehrenrunde mit den anderen beiden Medaillengewinnerinnen durchs Stadion. Ich verstehe mich wirklich gut mit ihnen und freute mich auch für sie. Das war ein schöner Moment. Nach der Podiumszeremonie ging es dann zur Pressekonferenz. Diese fand in einem großen Raum mit immens vielen Journalisten statt. Das hatte ich so auch noch nie erlebt. Es war neu, Fragen auf Chinesisch gestellt zu bekommen und dann von einem Dolmetscher übersetzt zu werden. Das war eine tolle Erfahrung. Danach musste ich noch zur Dopingkontrolle. Am Tag danach wurde ich morgens noch zu einer TV-Talkshow der FISU („Fédération internationale du sport universitaire“) eingeladen. Ich habe mir dann noch ein paar Pandas angeschaut (lacht) und wurde danach auch schon zum Flughafen gebracht, um wieder nach Hause zu reisen.
War die Universiade der Höhepunkt Ihrer Sommersaison?
Ja genau. Am Anfang der Saison wollte ich einfach nur bei der Universiade starten und einen guten Platz machen, um Punkte für das World Ranking und damit die Olympiaqualifikation zu sammeln. Der Teil ist weggefallen, da ich schon über die Norm qualifiziert bin. Das Ziel war es aber weiterhin, einen guten Platz zu machen.
Ihre Zeit im Finale der Universiade (11,22 Sekunden) lag deutlich über Ihrer eigenen Bestzeit (11,02 Sekunden). Wie ordnen Sie diesen Erfolg nun ein?
Mein Palmarès wurde mit dieser Medaille sicherlich aufgewertet. Ich habe zwar auch davor schon Medaillen gewonnen, zum Beispiel bei den Spielen der kleinen europäischen Staaten oder den Meisterschaften der kleinen Länder. Aber diese Wettbewerbe haben alle einen geringeren Stellenwert. Jetzt habe ich eine internationale Medaille geholt, bei einem Wettbewerb, der international anerkannt ist und einen hohen Stellenwert genießt. Dementsprechend hat auch die Medaille einen hohen Stellenwert. Bei einem solchen Rennen ist die Platzierung am Ende auch wichtiger als die Zeit. Die Bedingungen in Chengdu waren zudem nicht extra gut. Es war immens warm, 34 Grad, und sehr schwül. Dazwischen hat es noch in Strömen geregnet. Es war ehrlich gesagt ein ekliges Gefühl. Aber die Bedingungen waren natürlich für jeden gleich und man musste einfach versuchen, das Beste daraus zu machen.
Ich muss meinen Kopf und meine Gedanken jetzt erst einmal sortieren, um selbst zu realisieren, was alles passiert ist
Sie waren in Chengdu durch Ihre schnellen Zeiten in den vergangenen Wochen die Favoritin auf den Sieg. Wie sind Sie mit dieser Rolle umgegangen?
Ich war schon bei meinen letzten Wettbewerben immer ein bisschen in der Rolle der Favoritin. Früher ist es mir schwergefallen, zu einem Rennen zu gehen und zu gewinnen. Mittlerweile gefällt mir diese Rolle. Selbst mache ich mir überhaupt keinen Druck. In China habe ich gar keinen Stress verspürt, ich war einfach nur froh, dort zu laufen. Die Atmosphäre war richtig gut und die Menschen sehr offen und freundlich. Es war alles top organisiert. Ich war selten bei einem Wettbewerb, bei dem alles so gut geplant war.
Wie kommt es, dass Sie mittlerweile gerne in dieser Favoritenrolle sind?
Ich gewinne einfach gerne (lacht). Es klingt ein bisschen blöd, aber es ist für mich das beste Gefühl, das es gibt. Man setzt sich gegen Leute durch, die das Gleiche machen wie man selbst. Gegen sie die Nase vorn zu haben, ist ein super Gefühl. Ich habe über die vergangenen Jahre viele Etappen durchlebt. Vom totalen Underdog zur teilweisen Favoritin – es hängt natürlich immer davon ab, wer noch am Start steht. Diese Entwicklung hat mir aber auf jeden Fall geholfen, in solchen Situationen die Nerven zu wahren und das abzurufen, was ich kann.
Wie anstrengend war diese Sommersaison, in der Sie die Olympiaquali geschafft und jetzt auch noch Gold bei der Universiade geholt haben?
Im Moment bin ich müde, das liegt aber eher am Jetlag und daran, dass ich in den vergangenen beiden Tagen nicht viel Schlaf bekommen habe. Körperlich fühle ich mich gut. Ich habe keine Wehwehchen. Das war in den vergangenen Jahren immer anders. Ich habe meine Saison meistens beendet, weil ich irgendwo Schmerzen hatte und diese auskurieren wollte. Diesmal ist das weniger der Fall. Mein Körper macht die Anstrengungen besser mit. Diese Saison ist aber vor allem mental eine große Herausforderung. Ich hatte mir nicht erwartet, die Olympiaquali zu laufen. In China hatte ich zwar gehofft, eine Medaille zu gewinnen – zwischen Hoffen und Machen liegt aber auch noch ein Unterschied. Ich muss jetzt schauen, wie ich die ganze Saison verarbeitet bekomme. Ich muss meinen Kopf und meine Gedanken jetzt erst einmal sortieren, um selbst zu realisieren, was alles passiert ist.
Ganz ist Ihre Saison allerdings noch nicht vorbei. In knapp zwei Wochen starten Sie noch bei der Weltmeisterschaft (19.-27. August) …
Budapest ist nicht das ganz große Ziel dieser Saison. Ich will schon anständig laufen. Ich reise nicht an, um nur dabei zu sein. Aber ich muss abwarten, wie mein Körper in den kommenden Tagen reagiert, da ich doch eine Sechs-Stunden-Zeitumstellung hinter mir habe. Ich habe in dieser Saison aber schon alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte – sogar noch mehr – und muss nichts mehr beweisen.
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