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DiversitätDer Weltraum braucht mehr Frauen

Diversität / Der Weltraum braucht mehr Frauen
Abigail Calzada Diaz arbeitet seit Jahren in der Weltraumbranche in Luxemburg Foto: Editpress/Tania Feller

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In der Weltraumbranche braucht es die Erfahrung von Frauen, sagt Abigail Calzada Diaz. Die Planetenforscherin wirbt dafür, dass mehr Mädchen und junge Frauen denselben Weg einschlagen wie sie.

Die Weltraumbranche ist immer noch sehr stark von Männern dominiert und es fehlt an Geschlechterdiversität. Nur rund ein Fünftel der Menschen auf diesem Gebiet sind Frauen.

Eine von ihnen ist die Wissenschaftlerin Abigail Calzada Diaz. Die Planetenforscherin ist seit Jahren in der Weltraumbranche in Luxemburg tätig und hat u.a. daran mitgearbeitet, Rover zum Mond zu bringen, indem sie potenzielle Landezonen analysiert hat. Gleichzeitig war sie für die ESA und NASA aktiv. Heute forscht sie am Europäischen Innovationszentrum für Weltraumressourcen (Esric) auf Belval. Sie wirbt dafür, dass mehr junge Frauen ihr auf ihrem Weg folgen und sich für ein MINT-Fach (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) begeistern.

Mehr Perspektiven

Warum ist es so wichtig, dass mehr Frauen in der Weltraumbranche arbeiten? Diversität sorgt dafür, dass wir ein Interessengebiet aus mehr Perspektiven beleuchten können, erklärt Calzada Diaz. „Jeder Mensch macht andere Erfahrungen, und die Erfahrungen von Frauen unterscheiden sich stark von denen der Männer.“ Nicht nur in den MINT-Feldern sei es unglaublich wichtig, viele unterschiedliche Perspektiven zu vereinen, um eine komplette Sicht der Dinge zu erhalten. „Wir müssen die Erfahrungen von Frauen, von Minderheiten und von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen mit einbeziehen.“

Wie können nun Frauen für diese Fächer gewonnen werden? Eine wichtige Rolle dabei spielen Vorbilder. In der Wissenschaft, in der Technik und in der Geschäftswelt gebe es starke Frauen, unterstreicht Calzada Diaz, die wir aber oft nicht sähen. „Es ist aber wichtig, dass Mädchen und Schülerinnen diese Vorbilder haben – dass sie diese Frauen sehen und ihnen nacheifern wollen. Wir müssen Mädchen und jungen Frauen zeigen, dass sie genauso dazu in der Lage sind, Wissenschaft, Mathematik und Technologie zu betreiben wie Männer und jeder andere“, so die Wissenschaftlerin.

Doch mit Vorbildern und gutem Willen alleine ist es nicht getan. Auch politische Entscheider sind gefordert, so Calzada Diaz. „Für Frauen ist es in einigen Jobs komplizierter, in bestimmten Lebensabschnitten. Etwa, wenn es darum geht, eine Schwangerschaft oder kleine Kinder mit der Arbeit zu vereinbaren. Deshalb braucht es Maßnahmen, die Frauen in diesem Lebensabschnitt unterstützen. Aber nicht nur Frauen, auch Väter müssen dabei unterstützt werden.“

Pause rächt sich

Besonders in der Wissenschaft mit ihren Besonderheiten spiele das eine gehörige Rolle. „Wir werden daran gemessen, wie viele wissenschaftliche Arbeiten wir veröffentlichen“, erklärt Calzada Diaz. Ein Umstand, den viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen seit Jahren beklagen. „Wenn wir eine Weile nichts veröffentlichen, um uns um kleine Kinder oder auch kranke Eltern zu kümmern, sieht das schlecht aus.“ Studien hätten gezeigt, dass Frauen hiervon mehr betroffen sind als Männer. „Idealerweise bräuchten wir eine neue Art und Weise, wie unsere Arbeit bewertet wird“, so die Forscherin. Danach sieht es momentan aber nicht aus. Andere Lösungen müssen her. „In einigen Ländern gibt es Programme, die Wissenschaftlerinnen, die ihre Forschungstätigkeit für eine Zeit unterbrochen haben, beim Wiedereinstieg in den Beruf unterstützen.“ Im Vereinigten Königreich etwa wurden solche Programme von Non-Profit-Organisationen geschaffen. Die Wissenschaftlerin glaubt allerdings, dass sie auch von Regierungen aufgelegt werden sollten.

Wie sieht denn eine perfekte Welt aus? „Idealerweise sollte ein akademisches Feld die Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln – nicht nur in der Weltraumbranche. Gibt es in einer Gesellschaft einen gewissen Anteil an Frauen, nicht weißen Menschen oder Menschen mit einem gewissen sozialen Hintergrund, sollte die akademische Welt das reflektieren.“

Idealerweise sollte ein akademisches Feld die Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln – nicht nur in der Weltraumbranche

Abigail Calzada Diaz, Planetenforscherin

Davon ist die Realität aber noch entfernt: „In den Planeten- und Mondwissenschaften gibt es sehr viele Frauen und sie machen großartige Arbeit. In anderen Teilen der Weltraumindustrie ist der Anteil von Frauen viel niedriger.“ In ihrem Beruf beobachtet Calzada Diaz ein merkwürdiges Phänomen: „Viele Frauen studieren Weltraumwissenschaften. Im Laufe der Karriere verschwinden sie dann.“ Gleichzeitig beschwerten sich Personalabteilungen, dass sie Stellen nicht mit Frauen besetzt kriegen. „Männer verkaufen sich vielleicht besser. Frauen denken, wenn sie gute Arbeit leisten, wird ihre Leistung belohnt. Aber das ist nicht der Fall. Wenn die Arbeit nicht sichtbar ist, wird man nicht anerkannt.“

Welche Rolle spielt die Erziehung? Calzada Diaz regen die überholten, aber immer noch vorhandenen Geschlechterrollen auf, denen Kinder unterworfen werden. „Im Supermarkt wird Spielzeug als Mädchen- oder Jungenspielzeug beworben. Warum? Spielzeuge haben kein Gender. Ein Spielzeug ist ein Spielzeug.“ Sie selbst habe mit Puppen und mit Autos gespielt. Und selbst wenn: „Ich mochte Prinzessinnen und Puppen und bin trotzdem in die Weltraumbranche gegangen“, gibt sie zu bedenken.

Abigail Calzada Diaz berichtet von unfairen Bewertungskriterien in der Wissenschaft
Abigail Calzada Diaz berichtet von unfairen Bewertungskriterien in der Wissenschaft Foto: Editpress/Tania Feller