Europa im Jahr 2023. Wie in den vergangenen 40, 50 oder 60 Jahren quälen sich Abermillionen von Menschen jeden Tag über vollgestaute Straßen oder in überfüllten Zügen zu ihrem Arbeitsplatz. Sie pendeln zu ihrer Arbeit – das ist absurd. Und besonders deutlich wird die ganze Absurdität dieser umweltschädigenden, nervenaufreibenden, geldvernichtenden allmorgendlichen und allabendlichen Aktivität am Beispiel von Luxemburg.
Denn hier wird nicht nur von der Vorstadt ins Zentrum gependelt – sondern auch von einem Land ins andere. Hunderttausende reisen aus anderen Nationen über Autobahnen, Nationalstraßen, Gleise und Trassen an. Kann man bei Anfahrtsstrecken von 80, 90, 100 Kilometern – und mehr – überhaupt noch von „Pendeln“ reden? Zu ihnen gesellen sich jene viele Luxemburger, die sich genauso wie ihre Nachbarn aus der Großregion keine Bude direkt neben dem Büro auf dem Kirchberg leisten können – und sich tagtäglich über teilweise abenteuerliche Landstraßen ihren Weg in die Zentren suchen.
Jeden Tag. Jede Woche: Hunderttausende. In Autos, Bussen und Zügen auf dem Weg von A nach B und abends wieder zurück. Die Lebenszeit, die vernichtet wird. Die (fossilen) Ressourcen, die verbrannt werden. Die Nerven, die strapaziert werden. Es ist Wahnsinn.
Dabei ist die Lösung für das Problem schon lange da. Sie ist einfach und hat sich auch schon bewährt. Nur umgesetzt wird sie nicht: die Telearbeit. Ihr stehen altmodische Firmenstrukturen, Steuerabkommen – und nicht zuletzt die Nachbarregionen im Weg.
In Deutschland wird gerade jetzt wieder geätzt. Über die Ausweitung der Homeoffice-Tage bei der Steuer-Bagatell-Regelung von 19 auf 34 Tage im Jahr. Das würde den Luxemburger Arbeitsmarkt noch attraktiver für die Bürger auf der anderen Seite von Mosel und Sauer machen – und den Brain-Drain verschärfen. Höhere Löhne, bessere Sozialleistungen, attraktivere Jobs – nein, ein halber Tag Homeoffice in der Woche soll der ausschlaggebende Faktor für die Stellensuche im Großherzogtum sein.
Anstatt die Neiddebatte über den Steuerwettbewerb anzuheizen, sollten sich die Akteure lieber bewusst werden, wo und zu welchem Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte wir uns befinden: in einem grenzenlosen Europa mitten im Klimawandel, das mit einem Datennetz durchzogen ist, mit dem dezentrales Arbeiten zu einem Klacks wird.
Anstatt über entgangene Einkommenssteuern zu klagen, sollten sich die Akteure lieber Gedanken darüber machen, wie man gemeinsam und mit Luxemburg als Partner die Großregion als Gesamtes aufwertet.
Und anstatt seine Arbeitnehmer übers Steuerrecht zu zwingen, den morgendlichen Ritt zur Arbeit anzutreten, sollten die Akteure ihnen lieber einen Deal aushandeln, mit denen vielleicht beide Parteien glücklich werden.
Denn eines ist ziemlich sicher: Keiner der 225.000 Luxemburg-Pendler pendelt gerne.
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@jung.luc.lux
Attraktive Grenzregionen gibt es viele in Europa, nicht nur rund um Luxemburg, Polen/Tschechien zu Deutschland, oder Frankreich/Deutschland/Italien zu Schweiz um nur zwei Beispiele zu erwähnen. Auch dort profitieren die Pendler, sie stellen ja auch ihr Wissen und Arbeitspower den Firmen zur Verfügung.
Wären Sie als Arbeitnehmer einer luxemburgischen Firma und in Frankreich arbeitend bereit, für den geltenden französischen Lohn zu arbeiten?
Was das mit "grünem Wischwaschi" zu tun hat, erschließt sich mir nicht, es ist wohl eher Ihr Reflex auf diese Farbe.
Pendler pendeln alle gerne. Besonders jene die aus Frankreich kommen. Nun verdient man nicht in Luxemburg besser?
Nun sollen auch noch Pendler nicht nur von Home Office profitieren sondern auch noch von niedrigen Lebenshaltungskosten. Dieses gilt insbesondere für Frankreich.
Das grüne Wischiwaschi zu diesem Thema ist einfach skandalös.
Die Innenstädte für Autos sperren, dann geht's ganz schnell.
Zitat: „Keiner der 225.000 Luxemburg-Pendler pendelt gerne“.
Das stimmt so nicht, ich kenne viele die froh und dankbar sind, dass sie bei uns arbeiten können und dank ihrem „Luxemburg-Gehalt“ in ihrem Land ein besseres Leben haben. Die beschweren sich nicht über das Pendeln, die freuen sich auf ihre spätere „Luxemburg-Rente“.
@Moimoi - Top Kommentar! Danke dafür.
"das mit einem Datennetz durchzogen ist, .." Das deutsche Datennetz ist so berüchtigt wie die deutsche Bahn. Natürlich werden es einige sein die ihren Job von daheim aus machen können,aber viele Bauarbeiter,Handwerker usw. müssen sich eben bewegen,zu ihrem Arbeitsplatz ,der eben nicht immer direkt hinter der Grenze liegt. Luxemburg, attraktiver Arbeitgeber für Deutsche,Belgier und Franzosen,aber ohne Wohnmöglichkeiten und knappem Straßennetz. Und da wäre ja noch der Tank-und Tabaktourismus der auch nicht mit Telearbeit zu erledigen ist. Es bleibt dabei: Die Menge machts. Und da ist kein Ende abzusehen. Auswandern nach der Pension um den Tinitus und die Nervenstränge wieder zu beruhigen bleibt einzige Alternative und schafft Platz für die nächsten armen Teufel die das alles mitmachen müssen.
Steiler Kommentar, wirklich . Und doch seeehr einseitig die Sichtweise des Verfassers vorgetragen. Pendelt er hat selbst täglich (über die Grenze)..?
Ich will nicht in das Horn blasen, dass der Krankenpfleger, die Kellnerin, die Ärztin, der Handwerker eh nicht von zu Hause arbeiten können und es somit ein Luxusproblemchen der vom-Schreibtisch-Arbeitenden ist. Das kommt bestimmt von anderen und würde ebenfalls zu kurz denken.
Was ist denn mit dem Thema Lohngerechtigkeit? Ein Grund für die hohen Löhne in Luxembourg sind ja bekanntlich die Lebenshaltungskosten. Warum sollte jemand, die / der vorwiegend bzw. häufig von zu Hause aus dem Ausland arbeitet , mit einem luxemburgischen Gehalt vergütet werden, wenn diese Person doch nur eingeschränkt die lokalen Kosten hat. Klar, sind die Immobilienpreise zB in Trier für den dt. Markt recht hoch und klar wird’s Richtung von Thionville Richtung Grenze immer teurer egal wie dörflich es ist. Es ist aber in keinster Weise zu vergleichen mit den Preise vor Ort .
Wenn man sich entschieden hat, Wohneigentum in Luxembourg zu erwerben , dann geht das häufig nur mit Krediten, die bis zum Renteneintritt 65 zu tilgen sind - wo gibt’s das denn so im Ausland ? Ich würde sagen, dass ausnahmslos alle Kolleginnen, mit denen ich mich im Laufe der Jahre unterhalten habe und die eine Immobilie auf der anderen Seite der Grenze gekauft haben (egal in welchem der drei Nachbarländer) , dann tilgen die meisten grob gepeilt 10-15 Jahre weniger - bei vergleichbaren Ausgangsbedingungen was Startkapital und Zinssätze betrifft.
Und diese Kollegen erhalten ein gleiches Salär und sind auch noch eher mit der Tilgung fertig.
Natürlich sehe ich die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Pendelns. Aber ein zum Großteil von daheim aus dem Ausland arbeiten - wie es hier suggeriert wird - kann nicht die Lösung sein. Wieso bedarf es dann ein luxemburgischen Gehalts …?
Es ist an der Zeit eine neue Pandemie auszurufen um den Wahnsinn zu drosseln!