Im Winter ist Beteigeuze in Luxemburg gut sichtbar. Die rote Riesensonne im Sternbild des Orion ist einer der hellsten Sterne am Nachthimmel. Seit dem letzten Oktober allerdings hatte sich der Stern so weit verdunkelt, dass geübte Sternenbeobachter mit bloßem Auge erkennen konnten, dass da etwas vor sich geht. Bis Februar hatte sich die Helligkeit des Sterns mehr als halbiert. Der Stern war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Mit einem kurzen Text auf der Internetseite Astronomer’s Telegram machten die beiden Forscher Edward Guinan und Richard Wasatonic von der Villanova University in Pennsylvania Interessierte aus der ganzen Welt zum ersten Mal auf das Phänomen aufmerksam. Mit ihrem Text wollten sie eigentlich nur die Aufmerksamkeit der Astronomie-Community auf ein „cooles Phänomen“ richten, sagte Guinan gegenüber dem Tageblatt. Journalisten bekamen Wind davon. Das Magazin National Geographics veröffentlichte einen Bericht. Schnell verbreitete sich die Story um den Planeten.
Über die Ursache wurde viel spekuliert. Während einige Medien schnell titelten, der Stern stünde kurz davor, sich mit einer gewaltigen Explosion in eine Supernova zu verwandeln, waren Wissenschaftler etwas zurückhaltender. Sie glauben nun, dass der Stern sich bald erholen wird.
Veränderlicher Stern
Beteigeuze ist seit langem als veränderlicher Stern bekannt. Guinan und Wasatonic beobachten ihn sehr genau und halten die astronomische Gemeinschaft im Astronomer’s Telegram über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden. Beteigeuze unterliege komplizierten wiederkehrenden Helligkeitsschwankungen, schreiben sie. Die Lichtveränderung werde zum einen durch ein Pulsieren des Sterns verursacht und zum anderen dadurch, dass sich mal hellere und mal dunklere Flecken auf dessen brodelnder Oberfläche bilden („Granulation“). Laut den Astronomen durchläuft der Stern komplizierte Zyklen, die seine Helligkeit beeinflussen.
Beteigeuze ist ein roter Riese, genauer ein Überriese. Nachdem er seinen Wasserstoffvorrat aufgebraucht hat, hat sich der Stern aufgebläht und ist rötlich geworden. In naher Zukunft (astronomisch gesprochen), so vermuten Wissenschaftler, wird Beteigeuze seine äußere Hülle in einer gewaltigen Explosion abstoßen und sein Kern zusammenfallen. Ein solches Ereignis wird als Supernova bezeichnet. Unsere Sonne wird mal ein ähnliches Schicksal ereilen. Allerdings verbrennt sie aufgrund ihrer geringeren Masse und Größe ihre Reserven sehr viel langsamer und wird deshalb um ein Vielfaches älter werden als Beteigeuze.
Über den genauen Zeitpunkt, wann der rote Überriese explodieren wird, herrscht Uneinigkeit. Um das zu berechnen, müssten die Wissenschaftler genauer wissen, wie viel Masse der Stern ursprünglich hatte, wie schnell er rotiert und seit wann er bereits ein roter Riese ist. Schätzungen reichen bis zu 100.000 Jahren, die dem Stern noch bleiben könnten.
Neugierige Journalisten
Den Grund, weshalb die Ereignisse um Beteigeuze so viel Aufmerksamkeit erhalten haben, vermutet Guinan darin, dass der Stern so bekannt und mit bloßem Auge gut auszumachen ist. „Es gibt andere Sterne, die viel stärker schwanken“, sagt der Wissenschaftler. Der Wirbel in den Medien stört ihn nicht. „Das passiert“, sagte er gelassen. Es sei lustig gewesen, das mitzuerleben. Die Journalisten hätten ihn immer wieder auf die Supernova angesprochen. Dabei sei das gar nicht sein Fachgebiet. „Wegen der Reporter musste ich mich in das Thema hineinarbeiten.“ Dadurch habe er unter anderem gelernt, dass Neutrinos die ersten Vorboten einer Supernova-Explosion sind. Neutrino-Detektoren dienen deshalb als Frühwarnsystem. Das soll Astronomen Zeit geben, ihre Teleskope und anderen Instrumente auszurichten, um eine Supernova studieren zu können. „Ich habe jetzt eine App, die mich warnt, wenn sich eine Supernova anbahnt“, so Guinan.
Die Erklärung für das seltsame Dimmen des Sterns sei gewesen, dass einer der Zyklen, denen der Stern unterliegt, viel länger gewesen sei als üblich. Durch diese Beobachtung hofft der Wissenschaftler nun, von dem Stern lernen zu können.
Guinan ist bekennender Science-Fiction-Fan. „Star Trek“ hat es ihm angetan und „Flash Gordon“ habe ihn dazu bewegt, sich mit dem Weltall zu beschäftigen, erzählt er. Aufgrund seiner Forschung komme er heute allerdings nicht mehr zu so etwas. Seinen Doktortitel erlangte er 1970. U.a. war er an der Entdeckung der Neptunringe beteiligt. Zu den Spezialgebieten des Astronomen gehören das Pulsieren von Sternen sowie Exoplaneten. Dass er Beteigeuze beobachtet, hat auch mit Lichtverschmutzung zu tun. „Wir beobachten helle Sterne. Unser Observatorium liegt in der Stadt“, sagte er.
„Es wäre erstaunlich und wunderschön“
Beteigeuze ist „nur“ 642,5 Lichtjahre von der Erde entfernt. Nah genug, damit eine Supernova von der Erde aus gut sichtbar wäre, und weit genug weg, damit die Erde nicht zu Schaden kommt. Für einige Zeit würde sich den Erdbewohnern ein fantastisches Schauspiel bieten. Die Supernova wäre hell genug, damit sie auch tagsüber am Himmel zu sehen wäre. Ein solches Schauspiel bietet sich nur sehr selten. Ob Guinan das gerne sehen würde? „Klar würde ich es gerne sehen“, sagte er. „Es wäre erstaunlich und wunderschön.“
1987 habe der Astronom schon einmal eine Supernova beobachtet. Er sei zufällig auf der Südhalbkugel gewesen, von wo aus sie beobachtet werden konnte. Die Rede ist von der Supernova „SN 1987A“. Sie war im Februar 1987 zu sehen und ereignete sich in der großen Magellanschen Wolke rund 157.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Sehr viel weiter also als Beteigeuze.
Seine Beobachtungen und der Medienhype haben eine Reihe anderer Wissenschaftler auf den Plan gerufen, erzählt der Professor. So widmete das VLT – das „Very Large Telescope“, das beste Teleskop der Erde – einen Teil seiner Zeit Beteigeuze. Wofür das VLT verwendet wird, wird lange im Voraus festgelegt. Aber ein Teil der Zeit ist ständig für besondere Ereignisse reserviert. Die Verantwortlichen entschieden, dass das Dimmen von Beteigeuze ein solches besonderes Ereignis ist.
Daneben gab es eine Sofia-Mission, die sich mit dem Phänomen beschäftigt hat. Bei Sofia (Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie) handelt es sich um eine umgebaute Boeing 747. Sie ist mit einem großen Teleskop ausgestattet und fliegt bis in Atmosphärenbereiche, von denen aus Astronomen einen besseren Blick ins Weltall haben. Bei Sofia handelt es sich um eine Kooperation zwischen der US-Weltraumbehörde NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Am Freitag haben Guinan und seine Kollegen eine neue Meldung im Astronomer’s Telegram veröffentlicht, in der sie erklären, dass Beteigeuze nun wieder heller wird. Die Wissenschaftler bereiten jetzt einen Fachartikel vor, in dem sie das Phänomen diskutieren.
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