Wer an australisches Essen aus dem Busch denkt, der stellt sich gerne die süßen Honigameisen oder die dicken, weißen Witchetty-Maden vor, die die Aborigines über dem Feuer rösten oder auch roh verspeisen. Doch es gibt noch weitaus mehr Essbares im australischen Busch.
„Insgesamt haben wir über 6.500 essbare Pflanzen, die uns Aborigines über 60.000 Jahre gesund gehalten haben“, sagt Dale Tilbrook, eine indigene Bushfood-Spezialistin aus Westaustralien, die einen eigenen Bush-Tucker-Online-Shop betreibt. Doch lange Zeit interessierten sich außer den australischen Ureinwohnern nur wenige Menschen für die einheimischen Nahrungsmittel. „Ich habe 25 Jahre lang versucht, Bush Tucker zum Trend zu machen“, berichtet Greg Hampton, Chefkoch im Restaurant Charcoal Lane in Melbourne, einer Nonprofit-Organisation, die indigene Jugendliche im Bereich der Gastronomie ausbildet, und mit das Beste serviert, was einheimische Genüsse zu bieten haben. Selbst Prinz Harry und seine Frau Meghan waren bei Hampton zu Gast, als sie Australien besuchten.
Hampton war als junger Koch einst durchs Land gereist und hat dabei von indigenen Australiern viel über die einheimische Pflanzen- und Tierwelt gelernt. Während seiner Reisen traf er auch auf einen Wissenschaftler, der damals als einer der Ersten versuchte, einheimische Zutaten zu kommerzialisieren. Doch jahrelang war es schwierig, den Leuten die Zutaten aus dem Busch schmackhaft zu machen. „Jetzt dagegen scheinen viele erstmals aufzuhorchen“, sagt Hampton. Während der Pandemie haben die Zutaten deutlich mehr Medienaufmerksamkeit erhalten – in Artikeln wie auch in Kochsendungen im australischen Fernsehen.
Wie eine „Reise zum Mond“
Den Ball ins Rollen brachte Jahre zuvor bereits ein Europäer. René Redzepi, der dänische Küchenchef des Noma, des zweitbesten Restaurants der Welt, öffnete den Australiern 2016 erstmals die Augen, als er ein Pop-up-Restaurant in Sydney auf die Beine stellte und dort plötzlich raffinierte Gerichte mit Kakadu-Pflaumen, Salzbusch, Youlk, Krokodilfett und Pfefferbeeren servierte. Die Zutaten verglich er mit einer „Reise zum Mond“. „Die Nahrungsmittel sind so alt – sie sind 50.000 Jahre alt“, sagte er damals gegenüber lokalen Medien. Das sei einzigartig und etwas ganz Besonderes.
Auch im Ausland wächst das Interesse stetig: Hier ist vor allem die Nachfrage nach Früchten und Nüssen groß. Macadamianüsse sind dabei wahrscheinlich der bekannteste Bush-Tucker-Export Australiens. Die große, wohlschmeckende Nuss, die zu den teuersten Nüssen der Welt gehört und daher auch gerne als „Königin der Nüsse“ bezeichnet wird, wurde bereits von den australischen Ureinwohnern verzehrt. Ihren Durchbruch erlebte die Nuss aber, als die Europäer 1848 mit ihr in Kontakt kamen.
Superfood aus dem Busch
Für Hampton sind die „Stars des Bush Tuckers“ aber eher die weniger bekannten Pflanzen. Er kocht gerne mit Sandelholznuss, Zitronenmyrtenblättern, Fingerlimette oder Salzbusch. Sein Favorit ist dabei der Salzbusch. „Dieser wächst in saliner Erde, dort wo andere Pflanzen oft gar nicht mehr gedeihen können“, sagt der Koch. „Am besten frittiert man ihn, sodass er schön knusprig wird.“ Roh könne man ihn dagegen nicht essen. Zu seinen Lieblingskräutern gehört beispielsweise Geraldton Wax. Dieser Bush Tucker wird derzeit von dem in Perth ansässigen Pflanzenzüchter Helix Australia vermarktet. Helix-Geschäftsführer Adrian Parsons ist selbst ein begeisterter Koch, der den Geschmack der Blume als „pikant mit Zitrusnoten, ein bisschen wie Zitronenmyrte“ beschreibt. Ähnlich wie beim Rosmarin streift man die Blätter der Blume ab, mischt sie mit etwas Öl und einer Prise Salz und gewinnt so eine grüne Salsa-verde-Paste, die bestens zu Fisch, Garnelen oder Lamm passt.
Unter den Früchten stechen vor allem die Davidson-Pflaume wie auch die Kakadu-Pflaume heraus. Davidson-Pflaumen sind Regenwaldfrüchte mit einem würzigen, eher säuerlichen Geschmack, die sich gut für Nachspeisen eignen oder um Soßen zu verfeinern. Die Kakadu-Pflaume ist nicht nur schmackhaft, sondern auch sehr gesund. Kakadu-Pflaumen sind reich an Antioxidantien und enthalten mehr als die 100-fache Menge Vitamin C einer Orange. Indigene Völker verwenden die Frucht seit Jahrtausenden wegen ihrer konservierenden und medizinischen Eigenschaften. Ein beliebtes Bushfood sind auch die einheimischen Pfirsiche, die sogenannten Quandongs. Sie schmecken gut mit Wildfleisch – aus ihnen lassen sich aber auch leckere Marmeladen und Kuchen herstellen.
Chancen in der Fusionsküche
Ein beliebtes, schmackhaftes Gemüse ist Youlk, auch als Ravensthorpe-Rettich bekannt. Youlk ist eine von vielen essbaren Wurzeln im australischen Busch und kann ganzjährig geerntet werden. Youlk ähnelt dabei weniger einem Rettich, wie wir ihn kennen, sondern eher unseren Karotten. Die Wurzel hat eine knackige, apfelähnliche Textur und ähnelt geschmacklich einer Mischung aus Karotte und süßem Eukalyptus. Youlk eignet sich für Salat, Eintopf, Kuchen oder Gratin.
Auch Dale Tilbrook liebt das Gemüse, vor allem als Salat, wie sie sagt. Die indigene Expertin sieht die größten Chancen für die einheimischen australischen Genüsse in der Fusionsküche. „Die Zutat sollte der Star des jeweiligen Gerichts sein“, findet sie. Deswegen müsse auch nicht das gesamte Gericht aus australischen Zutaten bestehen. Gerade eine Mischung der Essenskulturen ist in ihren Augen reizvoll.
Dem stimmt auch der australische Koch Hampton zu. Für Anfänger der australischen Küche empfiehlt er Zitronenmyrte. Diese eignet sich sowohl zum Würzen von gebratenem Huhn, fügt aber auch in Süßspeisen wie Käsekuchen eine interessante Note hinzu. Auch der einheimische australische Pfeffer ist ein gutes Gewürz für all diejenigen, die mit der einen oder anderen australischen Zutat aus dem Busch starten und sie in das eigene Kochen miteinbinden wollen, wie der Chefkoch erklärt. „Er hat einen tollen Geschmack – eine Mischung aus Wacholder, Eukalyptus und Pfeffer.“ Außerdem enthält der einheimische Pfeffer viermal so viele Antioxidantien wie Blaubeeren und ist damit sehr gesund.
„Eigentlich gibt es für praktisch alle Frucht-, Gemüse- und Getreidesorten, die wir kennen, ein einheimisches Pendant“, sagt Hampton. Vieles würde nur anders schmecken, als man auf den ersten Blick vermuten würde: „Buschbananen beispielsweise schmecken nicht wirklich wie Bananen, sondern eher wie Erbsen“, sagt er. Daran müsse man sich gewöhnen.
"Außerdem enthält der einheimische Pfeffer viermal so viele Antioxidantien wie Blaubeeren und ist damit sehr gesund."
Blaubeeren isst man Pfundweise, Pfeffer eher nicht.