Der Sektor der Logistik hat eine wichtige Rolle in der Luxemburger Wirtschaft. Er steht für rund 800 Unternehmen, 13.000 Jobs (vier Prozent aller Arbeitsplätze) und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von etwa 3,8 Milliarden Euro. Neben den firmeninternen Logistik-Abteilungen, die über das ganze Land verteilt sind, konzentriert sich der Sektor hierzulande vor allem auf drei Standorte: den Logistik-Hub Süd (Bettemburg), Findel und den Hafen in Mertert. In alle drei wurde in den letzten Jahren viel investiert. Der Findel, mit Cargo-Center und Freeport, zählt heute zu den zehn wichtigsten Frachtflughäfen Europas. Von Bettemburg aus beginnt die „Autobahn auf der Schiene“ („autoroute ferroviaire“), die unter anderem Lastwagenanhänger von Perpignan in Südfrankreich nach Bettemburg und zurück verfrachtet.
Damit die Branche mit einer gemeinsamen Stimme sprechen kann, wurde 2009 das Netzwerk „Cluster for Logistics“ (C4L) gegründet. Mittlerweile zählt das Cluster rund 100 Mitglieder. Dazu zählen Unternehmen wie die Cargolux, Transalliance, Kuehne & Nagel, Astron Buildings, Arthur Welter und B Medical Systems sowie Organisationen wie die Luxemburger Handelskammer, die Universität und das Forschungszentrum LIST. Zu den Missionen des Netzwerks zählen die Förderung der Innovation, der Austausch von Fachwissen, das Promoten des Standorts Luxemburg sowie die Vertretung der Interessen des Sektors.
In der Corona-Krise „hat die Logistik ihre Wichtigkeit erneut bewiesen“, so Malik Zeniti am gestrigen Mittwoch per Videokonferenz vor Journalisten. Seit nunmehr sechs Jahren ist er der zuständige Manager für das Cluster, das von einem kleinen Team von drei Personen verwaltet wird. „Die Mitarbeiter der Branche waren auf den Straßen unterwegs, als die anderen zu Hause blieben. Sie haben einen exzellenten Job gemacht, als es galt, Masken, Respiratoren, Schnelltests und Schutzkleidung quer durch Europa zu verteilen.“ Ein deutlicher Anstieg des Frachtvolumens (um sechs Prozent auf 947.000 Tonnen) wurde beispielsweise 2020 am Findel verzeichnet. Das ist das zweitbeste Ergebnis der Geschichte. „2021 geht das wohl noch weiter“, so Malik Zeniti.
Die wieder anziehende Konjunktur ist derweil nicht nur ein Segen. Sie bereitet auch Sorgen. Dank der Rezession konnte Luxemburg im vergangenen Jahr seine Klimaziele erreichen. „Nach Corona wird CO2 nun wieder zu einem Thema“, so der Cluster-Manager. Mit der Konjunktur steigt traditionell nämlich auch der CO2-Ausstoß. Doch für den Logistik-Sektor wird es schwer werden, die Klimaziele zu erreichen, sagt er. Bis 2030 soll der Sektor hierzulande 48 Prozent seines CO2-Ausstoßes einsparen.
In den Nachbarländern erlaubt – in Luxemburg tabu
Ein Luxemburger Unternehmen habe sich mittlerweile einen Elektrolastwagen geleistet, so Malik Zeniti weiter. Die Firma BioGros. „Doch dieser ist bis zu viermal teurer als ein herkömmlicher Lastwagen“, unterstreicht der Logistik-Fachmann. Damit sei dies alles andere als eine Förderung der Wettbewerbsfähigkeit. „Das macht uns Sorgen. Wie sollen wir diese Ziele erreichen?“, fragt er. „Wir wissen es nicht.“ Er befürchtet, dass in Zukunft „die Luxemburger Lkws stillgelegt werden und ausländische Brummer mit LNG hier fahren“.
Um den Unternehmen beim Wandel zu helfen, setzt die Branche seit einigen Jahren auf das europäische Programm „Lean & Green“. Dabei werden Unternehmen unterstützt, die einen Fünf-Jahres-Plan erstellen, um 20 Prozent CO2 einzusparen, wie Philippe Scholten vom Cluster erklärt. Europaweit beteiligen sich derzeit rund 600 Firmen an dem Zertifizierungsprogramm – in Luxemburg ein Dutzend.
Doch während es vor 20 Jahren noch einfach gewesen sei, durch Technologie und bessere Standards 20 Prozent des CO2-Ausstoßes einzusparen, so sei das heute anders, sagt Malik Zeniti. „Es ist bereits schwierig – wird das Ziel aber noch höher gesetzt, dann wird es sehr schwierig. Wir haben da unsere Bedenken.“
Die aktuellen technischen Mittel seien begrenzt, fügt auch Philippe Scholten hinzu. Erst wenn neue Techniken serienmäßig verfügbar seien, also nicht vor 2024, sei vielleicht mehr möglich. Damit ein Wandel wirtschaftlich möglich wird, müsse der Staat (etwa bei Wasserstoff) mit Hilfen einspringen, so Malik Zeniti. Ohne Hilfen hätte es auch keinen Boom bei Solarmodulen gegeben, erinnert er.
Sehr wenig Verständnis hat er in diesem Zusammenhang jedoch dafür, dass sogenannte „Eco Combis“ in Deutschland, Belgien oder den Niederlanden erlaubt sind, „in Luxemburg aber tabu sind wegen der Politik oder bestimmter Politiker“. Bei „Eco Combis“ handelt es sich um Lastwagen, die 24,5 Meter lang sind (normalerweise 18,7 Meter) und nur auf festgelegten Strecken fahren dürfen. „Es würde uns ermöglichen, wettbewerbsfähig zu bleiben“, so der Manager. Es würde Fahrer, Kosten und CO2 einsparen. Er könne sich ihren Einsatz beispielsweise gut vorstellen, um Reifen der Goodyear zwischen dem Werk in Colmar-Berg und dem Lager in Bettemburg zu transportieren.
Obwohl „Eco Combis“ in Luxemburg in der Theorie zugelassen sind, dürfen sie hierzulande nicht fahren. Dadurch würden Industriefirmen benachteiligt, so der Sprecher des Sektors. Dabei seien in der Stadt Luxemburg ja seit vielen Jahren immer mehr 25-m-Busse erlaubt und erwünscht, und „die Niederländer betreiben seit 2000 solche Lang-Lkws sehr sicher. Heute sind das etwa 2.000 Lkws, die mit fast 25 Prozent Einsparungen betrieben werden“, unterstreicht das Cluster. Doch hierzulande sei es einfach „politisch tabu“ – zum Nachteil für den Industriestandort.
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