Sie gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt, war gleichsam engagierte Pazifistin und Frauenrechtlerin. 1937 startete Amelia Earhart zu einem Flug von Neuguinea zu der Howlandinsel. Es war eine Etappe ihrer zweiten Pazifiküberquerung und gehörte zum Programm, die Welt über dem Äquator zu überfliegen. Doch ihre Maschine kam nie am Tagesziel an. Jetzt will ein bekannter Unterwasserarchäologe das Rätsel lösen.
Von unserer Korrespondentin Elke Bunge
Marie Curie, Amelia Earhart, Leni Riefenstahl oder Heidi Hetzer – Frauen, die zu Pionierinnen von Technik und Wissenschaft wurden, zeigen, dass nicht nur die Männerwelt zu Bewältigung außergewöhnlicher Abenteuer in der Lage ist.
Die 1897 in Atchison, Kansas, geborene Amelia Earhart war einige Wochen vor ihrem 40. Geburtstag zu einer Umfliegung der Welt auf der Äquatorlinie gestartet. Das Gros des Fluges lag schon hinter Earhart und ihrem Navigator Fred Noonan. Die letzte Etappe sollte der Überflug über den Pazifik werden. Den hatte die Pilotin bereits im Januar 1935 von Honolulu nach Oakland, Kalifornien, als erste Alleinfliegerin überquert. Das Duo startete am 2. Juli 1937 in Lae, Neuguinea. Tagesziel war die Howlandinsel – doch dort kam die Lockheed 10 Electra nie an.
Experte im Aufspüren verschollener Mythen
Robert Ballard ist im Aufspüren verschollener Mythen ein erfahrener Experte. Der 1942 ebenfalls in Kansas geborene Unterwasserarchäologe erlangte Weltruhm, als er 1985 das Wrack der Titanic fand. Später entdeckte er die untergegangene Bismarck, ein deutsches Schlachtschiff aus dem Zweiten Weltkrieg.
Seit einigen Wochen ist der inzwischen 77-Jährige mit dem Forschungsschiff Nautilus, ausgerüstet mit modernster Technik und einem Tauchroboter, der bis zu Tiefen von 4.000 Metern agieren kann. Ziel der Expedition ist das kleine Atoll Nikumaroro, zum Inselstaat Kiribati gehörend. Das Korallenriff ist nur sieben Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Mehrere Indizien aus der langen Suche der Verschollenen wiesen auf dieses Atoll hin. Bereits 1940 fanden britische Marinesoldaten Überreste menschlichen Lebens auf Nikumaroro: einen Damenschuh, einen Teil eines Reißverschlusses, Glasflaschenreste, wie sie in den 30er Jahren in den USA benutzt wurden und eine Cremedose.
„KHAQQ an Itasca, wir sind auf Linie 157 337“
Kurt M. Campbell war als Unterstaatssekretär für Ost-Asien- und Pazifik-Angelegenheiten in der Obama-Regierung tätig. Seine Bekanntschaft mit Robert Ballard währte jedoch schon länger, aus gemeinsamem Dienst beim Marinegeheimdienst. Campbell macht den Unterwasserforscher auf ein Foto aufmerksam, dass der britische Kolonialoffizier Eric Bevington im Oktober 1937 aufgenommen hatte. Es zeigte im Ufersand von Nikumaroro eine parallele Spur, die beim Landeanflug der Lockheed entstanden sein konnte.
Die Information deckt sich mit dem letzten verifizierten Funkspruchs Earharts: „KHAQQ (das Rufzeichen des Flugzeugs) an Itasca, wir sind auf Linie 157 337.“ Auf einer von Nordwest nach Südost verlaufenen Linie, die die angepeilte Howardinsel überfliegt. Sollte das Duo die Insel verpasst haben, könnte es auf Nikumaroro gelandet sein.
Ist sie unter einer neuen Identität in den USA untergetaucht?
Dafür spricht auch ein Knochenfund aus dem Jahr 1940. 13 Knochen wurden einem eher europäisch stämmigen Menschen zugeschrieben. Moderne forensische Vergleichsmethoden legten nahe, dass sie von Amelia Earhart stammen könnten. Gründe genug für Robbert Ballard, die Suche an Ort und Stelle fortzusetzen.
Eine der vielen Hypothesen über das Verschwinden der Abenteuerin und Pilotin war, sie könne unter anderer Identität in die USA zurückgekehrt sein. Dagegen spricht ihr zivilcouragiertes und politisches Engagement. Als Krankenschwester hatte sie Verwundete des Ersten Weltkriegs betreut, eine Erfahrung, die sie zur aktiven Pazifistin machte.
Engagement für eine Welt ohne Waffen
Wiederholt setzte sie sich für eine waffenfreie Welt und für offene Diplomatie der Staaten ein. Öffentlich begrüßte Earhart die Wahl Franklin D. Roosevelts zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, mit seiner Gattin Eleanor war sie eng befreundet (kurz nach ihrem Einzug ins Weiße Haus überredete sie die Präsidentengattin zu einem Rundflug über Washington). All dieses Engagement widerspricht einer anderen These: die der heimlichen Rückkehr und eines Leben in der Stille der amerikanischen Provinz.
Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis die Expedition Ballards führen wird. Sollte das Rätsel um das Verschwinden Earharts und Noonans gelüftet werden, könnte sich der Archäologe weitere Lorbeeren um sein Haupt binden.
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