Um was geht’s? Der Untertitel „Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“ umreißt in etwa das, was Catherine Belton in „Putins Netz“ verhandelt. Dabei beschreibt sie ein System, das von einer Gruppe Auslandsagenten des KGB während Michail Gorbatschows Perestroika-Umbauphase der in die Krise geratenen sowjetischen Ökonomie im Hintergrund etabliert wurde, um auch nach dem möglichen Verfall staatlicher Institutionen einem bestimmten Personenkreis Macht und Einfluss zu verschaffen. Möglich, dass sich erst inmitten des Chaos, das auf den Untergang der Sowjetunion und der Auflösung des KGB 1991 folgte, die ideologischen Grundlagen änderten, die zur Herausbildung dieses „Deep State“-Systems geführt haben. Möglich ist aber auch, dass die sozialistische Gesellschaftsutopie längst schon von Wladimir Putin und anderen Protagonisten zu Grabe getragen worden war und stattdessen der Anschluss an den zaristischen Imperialismus mit seiner spezifischen Ausplünderung des Staatswesens gesucht wurde. Die Autorin jedenfalls charakterisiert den Machtapparat, dessen Gallionsfigur Putin als Nachfolger des russischen Präsidenten Boris Jelzin wurde, als ein mafiaähnliches Banditentum, das geheimdienstliche Methoden anwendet, um sich unverfroren „am neuen Kapitalismus zu bereichern“.
Mittlerweile ist bereits die 4. Auflage von „Putins Netz“ in Vorbereitung – ein riesiger Bestseller also, und das aus gutem Grund. Denn Belton betreibt auf geheimdienstlich perfekt abgesichertem Terrain Spurensicherung – und sie weist Muster nach. Wieso stürzen so viele Leute, die es sich mit der Ex-KGB-Organisation verscherzt haben, aus Fenstern in den Tod? Nur ein Beispiel, das zeigt: Russland ist nicht auf dem Weg in den Totalitarismus. Russland ist längst dort angekommen.
Catherine Beltons Buch erklärt den Ukraine-Krieg nicht. Aber sie hilft ungemein, die Hintergründe der russischen Aggression gegen den Nachbarstaat ungeschönt, also ohne jeden Anflug von Sentimentalität oder gar Romantik, zu begreifen.
thk
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