Es ist ein sonniger Frühlingstag. Meine Nachbarin Magda wurschtelt entspannt in ihrem Garten. Sie setzt gerade ihre selbstgezüchteten Tomaten ins Beet und fragt mich fröhlich über den Zaun blickend, ob ich auch ein paar Pflänzchen haben möchte. In dem Moment, ich muss es wirklich zugeben, beneide ich Magda richtig, die Sonne hat ihre Gesichtshaut bereits leicht gebräunt, ihr Lächeln ist so entspannt, wie sie dort mit ihren, von der Erde angeschmuddelten Händen vor mir steht und mir ihre prächtig gediehen Setzlinge anbietet. Na ja, sagt sie, die Knochen tun ihr schon manchmal weh, besonders die Knie. Aber dafür geht die 82-Jährige regelmäßig ins Sportstudio und einen Kurs „Yoga für Junggebliebene“ besucht sie auch. So wie meiner Nachbarin Magda geht es vielen Älteren, wobei Magda mit ihrer Betagtheit für mich schon ein ganz besonderes Highlight ist. Dabei hat das Alter im Allgemeinen keinen guten Ruf: Jeder will lange leben, doch wer will schon alt sein?
U-förmiger Verlauf der Lebensabschnitte
Tatsächlich werden wir jedoch nach einem oft hektischen mittleren Lebensabschnitt im Alter wieder zufriedener und glücklicher. Wissenschaftler teilen unser Maß an Zufriedenheit im Leben oft in drei Hauptabschnitte ein. Da gibt es die Jahre der Jugend, gefolgt vom Erwachsenenalter mit der Zeit der Berufstätigkeit und das fortgeschrittene Alter. Diese drei Hauptabschnitte, so die heutige Forschung, folgen in Hinblick auf Glück und Zufriedenheit einem U-förmigen Verlauf. Dabei sind wir in jungen Jahren meist sehr optimistisch. Wir verfolgen unsere Ziele mit Begeisterung und Neugier, manchmal neigen wir dabei auch zur Selbstüberschätzung, unsere Risikobereitschaft ist in diesen Jahren hoch. Ab einem Alter von 30 Jahren fällt die Kurve dann jedoch ab. Erste Ziele sind erreicht, doch auch die Mühsal für diese Ziele zeigen sich deutlich, die Dinge gehen eben nicht immer so einfach von der Hand, wie wir in jüngeren Jahren vielleicht gedacht haben. Typische Vertreter dieser Zeit sind die Midlife-Crisis oder das Burnout-Syndrom. Ab Mitte 50 geht es dann wieder bergauf, der Stress weicht langsam und die innere Gelassenheit setzt sich durch. Vorausgesetzt natürlich, die Gesundheit spielt mit. Sollte das Alter von einer schweren Erkrankung geprägt sein – und damit meine ich nicht die mäßige Arthrose in den Knien meiner Nachbarin Magda – kann dies die innere Zufriedenheit sicherlich deutlich beeinträchtigen.
Beeinflussen Hormone die wesentlichen Lebensabschnitte?
Dachte man bisher jedoch hauptsächlich in Richtung Umwelteinflüsse bei der Zufriedenheit dieser drei Hauptaltersstufen, so diskutiert man derweil eine weitere Theorie: Auch körperliche Botenstoffe wie Adrenalin, Dopamin und Morphin können einen erheblichen Einfluss auf unsere „Glückskurve“ haben. Davon geht jedenfalls der Arzt, Neurowissenschaftler und Gesundheitswissenschaftler Tobias Esch, Professor am Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke, aus. Er ordnet diese drei Botenstoffe des Gehirns auch den drei unterschiedlichen Lebensabschnitten zu. Denn je nach Alter wird das eine oder andere Hormon vermehrt ausgeschüttet. Folgt man Eschs Annahmen, so wird in jungen Jahren vermehrt Dopamin an den Synapsen im Gehirn freigesetzt. Dieser Botenstoff sorgt für den inneren Antrieb und gibt die Energie, neue Ziele zu erreichen. Eine wichtige Aufgabe in jungen Jahren. Mit zunehmendem Alter gibt dann der Körper mehr Adrenalin frei, um den Alltagsstress zu bewältigen. Im dritten Lebensabschnitt kommt schließlich das körpereigene Morphin zum Tragen, so die These. Das Morphin schenkt uns ein Gefühl der Ruhe, Entspanntheit und Zufriedenheit.
Ach übrigens: Gestern klingelte Magda an meiner Tür. Sie hatte einen Flyer von ihrer Yogalehrerin in der Hand. „Neulich im Garten wirktest du so blass und gestresst“, meinte Magda. „Dies ist ein neuer Yoga-Kurs meiner Lehrerin extra für deine Altersstufe.“ Ich nahm den Flyer entgegen und las den Titel „Yoga in Zeiten des Stresses für das Middle-Age“. Ich freute mich sehr über die Idee, meinte im ersten Moment „Um Himmels Willen, wie finde ich denn dafür noch Zeit“, doch dann dachte ich, dass die Wäsche in der Maschine noch einen Moment warten kann und bat Magda auf eine Tasse Tee herein.
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