Als junger Mensch ist Alter und Pflege weit weg. Verständlicherweise. Die ersten Nöte tun sich spätestens dann auf, wenn die Eltern ein bestimmtes Alter erreicht haben und nicht mehr so können wie gewohnt. Oder sie schon täglich Hilfe brauchen, um den Alltag zu meistern. In Gesellschaften, wo das intergenerationelle Wohnen ein soziales Projekt und nicht die Norm ist, eilen dann die Mitglieder von Vereinigungen wie der Copas herbei und helfen.
Es werden mehr werden, die zukünftig diese Hilfe brauchen. Europa altert. Der Anteil der über 65-Jährigen an den Bevölkerungen der EU-Mitgliedstaaten steigt kontinuierlich. Das zeigen Berechnungen von Eurostat aus dem Jahr 2022. Demnach gehört jeder fünfte EU-Bürger zu diesem Zeitpunkt in diese Altersklasse. In Luxemburg und Irland ist ihr Anteil mit 14,8 und 15,0 Prozent am niedrigsten. Prognosen der gleichen Quelle sagen allerdings, dass sich das bis zum Ende dieses Jahrhunderts ändert.
2100 wird der Anteil der über 65-Jährigen in der EU 31,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung betragen. Vor diesem Hintergrund warnt die Copas mit derzeit nach eigenen Angaben 10.500 Vollzeitbeschäftigten in 170 Einrichtungen des Pflegesektors vor Personalmangel. „Noch ist die Situation komfortabel, aber mittelfristig ändert sich das“, warnt der Dachverband. Man müsse schon jetzt Weichen stellen, um dem entgegenzuwirken und nicht erst, wenn es nicht mehr zu übersehen ist.
Junge Menschen wenig interessiert
Jenseits der Grenzen ist die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern ausgereizt. Bis jetzt konnte das den Mangel an heimischem Personal ausgleichen. Der Anteil der Grenzgänger im Pflegesektor ist hoch. Ohne die Mitarbeiter in mobilen Pflegediensten und anderen Aktivitäten des Gesundheits- und Pflegesektors beziffert das „Ministère de la sécurité sociale“ die Zahl der Beschäftigten zum 31. Mai 2022 mit knapp 6.000 Personen. Mit 48,7 Prozent stammt fast die Hälfte dieser Mitarbeiter aus der Großregion.
Die Statec liefert noch genauere Daten. Die statistische Behörde beziffert die Mitarbeiter in der Branche „Hébergement médico-social et social“ mit 12.183 Personen, davon sind 5.091 Grenzgänger. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitpunkt Dezember 2022. In der Branche „Action sociale sans hébergement“ arbeiten zum gleichen Zeitpunkt 19.839 Personen, davon sind 7.066 Grenzgänger.
Renteneintritte und mangelndes Interesse beim Nachwuchs zeichnen sich schon jetzt ab. Die Gründe dafür, dass so wenig junge Menschen sich für diese Berufe interessieren, sind vielschichtig. Dazu gehört ein Work-Life-Balance-Verständnis, das Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen oder im Schichtdienst oftmals ausschließt. Anfahrt und Verkehr sind für Grenzgänger ein zweiter Grund. Ein dritter ist die Unverhältnismäßigkeit der Gehälter zwischen Krankenhaus- und Pflegedienstpersonal.
Gehälterungleichheiten ein Problem
Der vor zwei Jahren in seinem Amt bestätigte langjährige Copas-Präsident Marc Fischbach (77) macht das an einem Beispiel fest. „Eine Krankenschwester im Krankenhaus bekommt 17 Prozent mehr Lohn als eine im Pflegesektor“, sagt er. „Das verstößt gegen die elementare Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit.“ Die Copas fordert deshalb einen einzigen Tarifvertrag für beide Branchen. Hinzu kommt eine in den Augen des Dachverbandes fehlende Sensibilisierung junger Menschen für diese Berufe schon während der Schulzeit.
Auch liegt zwischen der „Aide-soignante“ und der zukünftigen Krankenschwester mit Bachelor-Abschluss ein großer Sprung. Der erste Ausbildungsjahrgang mit Spezialisierungen wie Kinderkrankenschwester, Hebamme oder OP-Krankenschwester startet nach der Rentrée 2023 an der Uni Lëtzebuerg. Ein „Technicien de soin“ soll diese Lücke füllen. Die Copas fordert nicht nur dafür eine Ausbildung, die dem Bedarf des Sektors angepasst ist.
Ein zweiter großer Kritikpunkt ist das Gesetzesprojekt Nr. 7524 zur Qualität der Pflege. „Das wird den Realitäten nicht gerecht“, sagt Copas-Präsident Fischbach. Die Kontrolle und Aufsicht über die Qualität der Pflege obliegt bislang dem Familienministerium. Mit dem Gesetz will das Ministerium diese Aufgaben an eine Kommission abtreten, die, so Fischbach, gar nicht in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen.
Gesetzestext überarbeiten
„Das ist ein Vollzeitjob“, sagt der Copas-Präsident. Die Kriterien zur Qualität seien völlig überzogen, geht die Kritik weiter, und deshalb auch nicht objektiv. Der Dachverband fordert dringende Nachbesserungen an dem Text, der seit zwei Jahren im Parlament liegt. Das lässt aufhorchen. Wahljahr hin oder her, Pflege und alles, was daran hängt, ist ein wichtiges Thema.
Der Dachverband ist ein Gigant im Pflegesektor. Die Asbl. vereint nach eigenen Angaben 57 Anbieter im Hilfs- und Pflegedienst und vertritt 170 Einrichtungen in dem Sektor im Land. Er ist nicht konventioniert. Jene, die die Dienste der Copas-Mitglieder in Anspruch nehmen, müssen selbst zahlen.
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