Den Auftakt des neuen gastronomischen Angebotes macht ein Törtchen mit „sot l’y laisse“, einem kleinen, filetartigen Fleischstückchen aus dem hinteren Bereich des Rückens des Huhns. Die Franzosen schätzen diese Delikatesse, die sie deshalb sinnigerweise „sot l’y laisse“ (auf Deutsch „der Narr lässt es liegen“) nennen. Zu Unrecht wird das geschmackvolle Fleisch nicht immer beachtet.
„Pfaffenstückchen“, sagt der deutsche Volksmund zu der Delikatesse. Und wenn man auf den Begriff eingeht und dabei bedenkt, dass die „Pfaffen“ in der Geschichte immer verwöhnt wurden, dann ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass das Filetstück durchaus einen Ehrenplatz in der Gastronomie verdient. Vor allem, wenn es, wie bei François Jagut, von einem Trüffel und einigen knackigen Kresseblättchen begleitet wird.
Das Törtchen kommt vom 24. Februar bis zum 6. März zu Ehren, wenn Jagut den „schwarzen Diamanten“ auf die Karte setzt. Er verarbeitet dabei einen Trüffel aus Puymeras, einem Ort im französischen Département Vaucluse.
Der bretonische Chef, der im Dezember 2020 das Küchenzepter im gastronomischen Restaurant des Casino2000 übernommen hat, ist offensichtlich an seinem „piano“ und im „Les Roses“ angekommen. Einerseits mit dem modernen Dekor, das sich seit einem Jahr bewiesen hat, andererseits aber auch mit seiner Karte, die Neugierde erweckt und Überraschungen verspricht. Assistiert wird Jagut von Loïk Martinez und von einer vielversprechenden jungen Köchin aus Nancy, Valéria Fonteneau, die bei der französischen Kochsendung „Objectif Top Chef“ bereits auf sich aufmerksam gemacht hatte. Im Service führt mit Valérie Boyenval eine Frau seit sechs Jahren erfolgreich Regie, genau wie Thierry Corona, der seit 34 Jahren den Weinkeller des Restaurants verwaltet.
Den Gast verwöhnen
Verwöhnt werden im „Les Roses” nach wie vor die Vegetarier, selbst wenn sich der Chef aus dem Zwang der „Floralies” befreit hat und Fisch und Fleisch auf seiner Speisekarte einen Ehrenplatz eingeräumt hat.
Dennoch ist der sanft kandierte Fenchel, der in Gesellschaft eines feinen Pistazieneises auf einem luftigen Cake-Teig daherkommt, eine echte Geschmacksexplosion. Das subtile Zusammenspiel vom leicht süßlichen Fenchel und dem Eis wird von einem feinen Blumenkohlpüree untermalt und kann auch erklärte Nicht-Vegetarier durchaus überzeugen.
Genauso überzeugend ist das gebratene Filet vom Wolfsbarsch, das der gebürtige Bretone Jagut mit einer Fischsuppe untermalt und von einer Rouille begleitet, in der Kartoffeln, Olivenöl und Safran harmonisch miteinander verschmelzen.
Zu Fenchel und Wolfsbarsch serviert Thierry Corona, vom Gault&Millau zum „Weinkellner des Jahres 2023“ gekürt, einen Chassagne-Montrachet aus dem Haus Marc Morey. Der Jahrgang 2018 ist voll entfaltet und in seiner harmonischen Vielfalt eine echte Ergänzung der beiden Vorspeisen.
François Jagut liebt offensichtlich die sanfte Garung. Die kandierte Lammschulter, die er als Hauptgericht reicht, hat er von ihren Knochen befreit, mit Kalbfleisch, Gänseleber und Schwarzem Knoblauch gefüllt und 15 Stunden lang gegart. Der dazu gereichte Schwarze Knoblauch ist in Meerwasser gegärter Knoblauch, der durch diese Behandlung seine herbe Aggressivität verliert und eher süßlich schmeckt.
Die so begleitete Lammschulter schmilzt regelrecht auf der Zunge. Die Unterlage aus Butternut-Kürbis und Spinat harmoniert erneut perfekt, der dazu servierte „Château Siran” aus dem Margaux-Anbaugebiet mit seinen seidigen Noten ergänzt wiederum die Geschmacksvielfalt auf dem Teller.
Der Trüffel, den Jagut im Februar in den Mittelpunkt stellen will, kann ein ganzes Essen begleiten. Das beweist der junge Konditor Florian Crugnola mit einem Schokoladendessert aus Madagaskar-Schokolade-Kugeln und einer Creme aus der asiatischen Yuzu-Frucht, indem er sie mit einem Eis begleitet, bei dem sich Trüffel und Schokolade die Hand reichen.
Dazu hatte Corona einen moldawischen Wein ausgesucht, der zu den ältesten Rebsorten der Welt gehört. Der „Château Vartely Pastorale” ist, wie viele Weine aus Osteuropa, ein süßer Wein, ist allerdings so ausbalanciert, dass er keine der Komponenten des Desserts dominiert und sie eher ausmalt.
Beiliegend eine starke Brille oder Lupe um festzustellen was
auf dem Tellerchen geboten wird. Guten Appetit.