Es sei gleich gesagt: Das typische italienische Weihnachtsmenü gibt es nicht. Ebenso wenig, wie es das typische Italien gibt. Denn das „Land Italien“ blickt auf eine relativ kurze Geschichte zurück. Erst mit dem Risorgimento begann sich seit 1861 der moderne italienische Nationalstaat zu entwickeln. Bis heute wird nicht nur die Politik in den meisten Fällen regional – ja sogar auf Gemeindeebene – entschieden, sondern auch die kulinarische Kultur ist im sehr begrenzten geografischen Raum lebendig.
Für unsere Weihnachtsrezepte haben wir uns deshalb auf die lokale Küche unserer Wahlheimat Toscana beschränkt. Und auf ein Weihnachtsfestessen, das wir so gemeinsam mit unseren Nachbarn genossen haben. Natürlich ist ein solches Essen in einer italienischen Familie nicht nur eine „Mahlzeit“, es ist eine besondere Zeremonie. Zum Weihnachtsessen reisen entfernt lebende Verwandte, Geschwister und Kinder, an. Und auch wenn man fast jeden Tag (mehrfach) miteinander telefoniert, hat man sich zu Weihnachten viel zu erzählen. Das braucht Zeit, und entsprechend lang ist dann auch das Menü. Es beginnt mit den Vorspeisen.
Vorspeisen
Der traditionelle toskanische Vorspeisenteller kommt nicht aus ohne köstliche Scheiben von Finocchiona, einer weichen Fenchelsalami. Begleitet von einem ebenso schmackhaften, gut getrockneten Prosciutto crudo (ähnlich dem Parmaschinken) und dem nur hier erhältlichen Lardo di Colonnata. Den besten dieser Specksorten gibt es in Colonnata – einem winzigen Ort in den Marmorbrüchen von Carrara – selbst, doch auch viele Fleischer haben diese Spezialität im Angebot. Es handelt sich um gepökelten und in Pfeffer gerollten fetten Speck, den die Marmorbrecher früher zusammen mit Brot und Wein in die Steinbrüche genommen haben.
Zu den Weihnachtsvorspeisen gehören auch Bruschette al Fegato: Die gerösteten Weißbrotscheiben werden mit einer Leberpaste bestrichen. Für diese Paste wird Hühnerleber fein gehäckselt, mit Sardellen und Kapern sowie kalt gepresstem Öl vermischt und in einer kleinen Pfanne angeröstet.
Während die Vorspeisen auf dem Tisch schon den Appetit anregen, bereitet die Küche den nächsten Gang vor: die Primi Piatti.
Primi Piatti
Für den ersten Gang gab es eine Ribollita. Dieses typische Bauerngericht für die kalte Jahreszeit ist eine Suppe aus weißen Bohnen, Cavolo verza (Wirsing), Cavolo nero (Schwarzkohl) und weiteren Gemüsen wie Kartoffeln, Sellerie, Möhren und Tomaten. Ein Gericht, das bereits am Vortag vorbereitet wurde und langsam köchelte. Um die Suppe auf den Tisch zu bringen, wird sie – wie der Name schon besagt – nochmals aufgekocht, ribollita eben. In unserer engen Region heißt diese Suppe auch nach der benachbarten Stadt Zuppa Volterrana.
Ein weiterer erster Gang folgte, die Crespelle alla fiorentina. Dieses Nudelgericht wird wegen seiner Form auch „Omas Taschentuch“ genannt: Längliche Teigtaschen werden mit Quark und Spinat gefüllt und in einer Fleisch- oder Gemüsebrühe gekocht.
Von den ersten Gängen sollte man nicht allzu viel nehmen. Auch wenn das Weihnachtsmenü noch weitere Stunden dauern wird – die aus dem Süden angereiste Cousine hat etliche Neuigkeiten zu berichten –, merken wir, dass sich der Magen langsam zu füllen beginnt. Und jetzt folgen erst die Secondi Piatti.
Secondi Piatti
Das eigentliche Hauptgericht besteht aus typischen Fleischgängen der Region. Zunächst kommt Arista alla fiorentina auf den Tisch. Diese fein geschnittenen Schweinelendenscheiben werden mit Salbei, Knoblauch, Rosmarin, Salz und Pfeffer gewürzt und dann im Ofen gegart. Als Beilage bekommen wir ebenfalls im Ofen geröstete Rosmarinkartoffeln gereicht, es eignen sich jedoch auch Fagioli all’uccelletto (weiße Bohnen, geröstet im Salbeisud).
Um dies herunterzuspülen, reicht Gastgeber Antonio einen Vernaccia di San Gimignano, den er extra von einem biologischen Weinbau aus der benachbarten Türmestadt geholt hatte.
Kaum haben wir ein, zwei Scheibchen vom Arista gekostet, kommt schon ein weiterer zweiter Gang auf den Tisch: Cappone in umido. Der Kapaun ist nicht nur ein weiteres traditionelles Winteressen, sondern geradezu ein Symbol für Weihnachten. Die hiesigen Bauern haben dieses Mahl stets zu den Festtagen serviert, erfahren wir. Dazu wurden die Kapaune extra liebevoll angefüttert, damit sie rechtzeitig zum Fest ordentlich Fleisch angesetzt haben. Auf den Höfen werden die großen Hähne bereits ein paar Tage vor Weihnachten geschlachtet, gerupft und ausgenommen, ihr Fleisch zerteilt und in Rotwein eingelegt. Am Tag des Weihnachtsessens werden sie dann in einem Sud aus Tomatenmark, Rosmarin, Knoblauch, Salz und Pfeffer geschmort.
Als Beilage eignet sich frisches Weißbrot, mit dem man die Soße gut auftunken kann. Ein Chianti riserva – oder, wer es ganz edel haben möchte, ein Barrique-Wein aus der Region – eignet sich vorzüglich als Getränk.
Inzwischen ist schon ein Gutteil des Nachmittags verstrichen, doch unser Menü endet noch nicht. Denn jetzt folgen die Dolci.
Dolci
Etwa 50 Kilometer südlich unseres Wohnortes liegt der einzige Vulkan der Toscana, der Monte Amiata. Aus seiner Region kommt eine spezielle, weihnachtliche Süßspeise: die Torta ricciolina. Zwischen zwei Mürbeteigschichten wird eine Creme aus Wal- und Haselnüssen gestrichen. Obenauf erhält die Torte noch einen Belag aus fein gebrochenen und mit Schokoladenstückchen vermischten Baisers.
Nach diesem üppigen Mahl reichen uns unsere Gastgeber noch frische Früchte der Saison. Die Cousine aus dem italienischen Süden hat frische Orangen, ungespritzt, fruchtig und saftig, mitgebracht.
Zum anschließenden Espresso gibt es dann noch Ricciarelli, ein feines Marzipangebäck aus Siena, oder die typischen Cantuccini, die man vor dem Genuss in Vin santo tunkt. Dieser heilige Wein ist ebenfalls eine Spezialität aus der Region. Die Trauben werden erst spät im Jahr, wenn vielleicht schon die ersten Fröste drohen, geerntet. Vorsichtig von Hand gelesen, werden sie dann an langen Schnüren in einer Scheune gehängt. Erst wenn sie schon fast zu Rosinen getrocknet sind, werden die Trauben gepresst und der nun süße Saft in kleinen Fässern etwa drei Jahre vergoren. So erhält man den süßen, fast einem Likör ähnelnden Wein.
Wir mochten es jedoch etwas fruchtiger und genossen den von der Cousine aus dem Süden mitgebrachten Limoncello. Frische sonnengereifte Zitronen gaben diesem Digestif das fruchtige Aroma.
Wer etwas von all diesen Leckereien nachkochen möchte, hier die Rezepte (4 Personen) für ein „abgerüstetes Weihnachtsmenü“:
Die Rezepte zum Menü (4 Personen)
Crespelle alla fiorentina
Für den Teig:
100 g Mehl
2 Eier
1 Glas Milch
50 g Butter
1 Prise Salz
Für die Füllung:
400 g Spinat
200 g Ricotta
2 Eier
3 EL Parmigiano
1 Prise Salz
Pfeffer
Muskatnuss
Zubereitung:
Die Zutaten für den Teig werden gut durchmischt und der Teig dann fein wie für einen Eierkuchen oder Crêpes ausgerollt. Wir schneiden ihn in acht Streifen.
Die Zutaten für die Füllung werden gut verrührt und anschließend portionsweise auf die acht Streifen verteilt. Diese rollen wir wie Cannelloni ein und geben sie in eine Auflaufform. Das Ganze wird dann bei 180 °C etwa 20 Minuten im Ofen gebacken. Mit einer Béchamelsoße serviert, haben wir so einen leckeren ersten Gang des Menüs.
Cappone in umido
Einen Kapaun (Masthahn) muss man heute nicht mehr selbst schlachten, Geflügelläden bieten die Supermärkte schon küchenfertig an.
Zutaten:
1 mittelgroßer Kapaun (Masthähnchen)
2 Möhren
2 Zwiebeln
2 Stangen Staudensellerie
1 l passierte Tomaten
2 Gläser Rotwein
Salz, Pfeffer
Olivenöl
Zubereitung:
Den Kapaun teilen wir in kleine Stücke, die gut gewaschen, aber nicht abgetrocknet in einen Bräter gegeben werden. Dort wird das Fleisch unter Wenden etwa 10 Minuten angeköchelt. Es verliert dabei Wasser und Fett.
Parallel schneiden wir die Möhren, Zwiebeln und den Staudensellerie klein und braten das Ganze in Olivenöl an, hinzu geben wir das angegarte Fleisch. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und unter Rühren mit einem Holzlöffel weiter köcheln lassen. Nach einigen Minuten geben wir den Rotwein und schließlich die passierten Tomaten hinzu. Nun wird das Ganze etwa eine Stunde im Ofen weiter geschmort, hin und wieder geben wir löffelweise etwas Wasser hinzu, um das Kochen zu erleichtern. Schließlich kann serviert werden.
Torta ricciolina del Monte Amiata
Zutaten für 8 Personen:
400 g Mehl Typ 00
100 g Butter
2 Eier
2 Eigelb
300 g Zucker
250 ml Milch
8 g Backpulver
80 g Haselnüsse ungeschält, zerkleinert
50 g Mandeln ungeschält, zerkleinert
Schokocreme, 2 Esslöffel streichfähig
Kuvertüre Zartbitterschokolade
Baiser
Zubereitung:
Für die beiden Schichten des Teigs mischen wir 300 g Mehl, 150 g Zucker und das Backpulver mit einer Prise Salz, dazu kommt die Butter in Flocken und mit einem ganzen Ei sowie einem Eigelb vermischt unter diesen Teig gerührt. Der so entstandene Teig wird in Frischhaltefolie gepackt und für eine Stunde im Kühlschrank gelagert.
In der Zwischenzeit bereiten wir die Füllung vor. Hierzu werden in einem Topf 100 g Mehl, 50 g Zucker und ein Ei gemischt. Wir erwärmen die Milch und mischen sie dem eben angerührten Teig bei. Ist diese Masse etwas abgekühlt, mischen wir die Schokoladencreme und die feingehackten Haselnüssen und Mandeln unter.
Nun wird der erste Teig aus dem Kühlschrank entnommen und in zwei Portionen geteilt. Eine rollen wir aus (etwa 22 cm Durchmesser) und falzen eine Kante von etwa 4 cm. Diesen Teig befüllen wir mit dem Schokoladen-Nuss-Gemisch und bedecken ihn dann mit der ebenfalls ausgerollten zweiten Hälfte des Teiges. Dies wird jetzt bei 180 °C etwa 40 Minuten gebacken.
Anschließend bestreuen wir den Kuchen mit zerkleinertem Baiser, geschlagenem Eiweiß und Kuvertürenschokolade und lassen das Ganze nochmals bei 200 °C einige Minuten lang überbacken. Nun ist das Dolce servierfähig.
Guten Appetit und frohe Weihnachten!
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