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Bluesspuren – Die Anfänge eines Musikstils in Luxemburg

Bluesspuren – Die Anfänge eines Musikstils in Luxemburg

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Am Samstag findet in Lasauvage und im Fond-de-Gras wieder das Festival Blues Express statt. Wir versuchen, die Quellen des luxemburgischen Blues auszumachen.

Luxemburgische Musiker haben den Blues allem Anschein nach nicht über schwarze Blues-Götter wie Muddy Waters oder Little Walter kennengelernt, sondern über den indirekten Weg des weißen britischen Blues. Die Geschichte des Blues geht wie überall auch in Luxemburg mit der Rockmusik im Allgemeinen einher, liegen die Wurzeln des Rock doch im Blues.

Es gibt also kein spezielles Datum, das man aus heutiger Sicht als die Geburtsstunde des Blues in Luxemburg bezeichnen kann. Laut Luke Haas’ «Luxemburgs Rock Story» war es der fast schon legendäre Guy Theisen alias Lesley Kent, der 1966 nach einem Aufenthalt in Deutschland den «Rhythm and Blues der Schwarzen» (sic Luke Haas) in Luxemburg einführte, mit seiner Band The Problems. Luke Haas’ Buch ist zwar der Rockgeschichte Luxemburgs gewidmet, weswegen er vielleicht die reinen Blues-Gruppen außen vor ließ. Das wäre eine logische Erklärung. Laut den diversen Blues-Musikern, mit denen wir gesprochen haben, soll es jedoch so gewesen sein, dass es in den 60er und 70er Jahren hier in Luxemburg keine reinen Bluesbands gab. Jedenfalls konnte sich keiner unserer Gesprächspartner in Sachen Blues (siehe nächste Seite) an eine solche Gruppe erinnern.

Einen großen Einfluss auf die hiesige Musikszene dürfte das Minikonzert von Jimi Hendrix 1967 in Luxemburg gehabt haben. Dieser war damals mit Johnny Hallyday auf Tournee; die «Jimi Hendrix Experience» gab im damaligen «Charly’s» (später «Scorpion») eine Kostprobe ihres Könnens. Am 7. April 1968 gab die erste luxemburgische «Superband» We Feel ihr Debütkonzert auf dem Glacis. Die Gruppe machte später von sich reden, als drei Mitglieder der Band (Charly Hornemann, Pipo Petro und Ray Hilbert) zu einer Tournee für die GIs in den Vietnam flogen. Der Vierte im Bunde, Willy Pultz, verzichtete, weil er kurz zuvor geheiratet hatte. Er war durch einen holländischen Gitarristen ersetzt worden. We Feel war im Ausland sehr erfolgreich, hatte Chartplatzierungen in Frankreich und Italien.

1969 entstand eine Gruppe, die über 40 Jahre rocken sollte: Cool Feet, die unter anderem Stücke von Hendrix und Led Zeppelin spielte, also auch Bluesrock. 1970 eröffnete in Limpertsberg eine Diskothek, die sehr lange die Musikszene und das Nachtleben prägte: Im legendären Blow Up traten Bluesrock-Kultbands wie Canned Heat (am kommenden 14. Juli anlässlich des Blues Express wieder im Land, um 22.00 Uhr im Fond-de-Gras in der «Hall des trains») auf. Die erste Gruppe, die Luke Haas in seiner Anthologie* als (Rock-)Blues-Gruppe erwähnt, war Mainline, der er selbst 1978 beitrat.

Unseren Erkenntnissen zufolge wurden die ersten reinen Blues-Gruppen erst Ende der späten 1980er Jahre gegründet. Bei den meisten war schon der Name Programm: Blues Busters (1985-1992), Blues Connection (1987- ?), Blues Train (1989-?), Blues, Women and Whiskey (1992-?) und Blues for Two (1989-1992).


Die Differdinger «Blues Schoul»

Einen mächtigen Schub erhielt die einheimische Szene mit der Gründung der Differdinger Blues-Schule im Jahr 2006, was zu einer Vervielfältigung der Bands beitrug: Viele der aktuellen Bands haben sich dort kennengelernt.

Gegründet wurde die Schule von den Musikern Romain Heck und René Cavallini sowie dem damals in der Kulturkommission der Stadt Differdingen arbeitenden François Meisch.
Romain Heck erinnert sich an die Zeit. Er habe 2005 eine Art Workshop für Jugendliche anbieten wollen, wo ihnen die Gelegenheit geboten würde, die Musik in der Praxis zu entdecken. Die «Blues Schoul» sollte eine Alternative zu den eher akademisch orientierten Musikschulen sein, da regelmäßige Musiktheorie-Kurse viele junge Leute abschrecken.
Im Großen und Ganzen funktioniert die Schule noch heute so, wie sie anfangs konzipiert wurde. Einmal im Monat werden drei Stunden Kurs angeboten: In der ersten Stunde hören sich alle angehenden Musiker (es ist kein bestimmtes Niveau vorgeschrieben, die Kurse sind auch für Anfänger zugänglich) gemeinsam das Lied an, das an dem Tag eingeübt wird.

Dann wird den Teilnehmern Grundwissen in Musiktheorie vermittelt (Notenlesen ist nicht erforderlich). In der zweiten Stunde ziehen sich die Musiker je nach Instrument mit ihrem oder ihren Lehrer(n) zurück, um das Stück auf ihrem Instrument einzuüben. Es gibt Lehrer für Gitarre, Schlagzeug, Bass, Keyboards, Mundharmonika und Gesang. In der dritten Stunde wird das Gelernte in die Praxis umgesetzt: Jeder Kursteilnehmer steht mindestens einmal auf der Bühne und spielt mit anderen Musikern zusammen. Für viele ist es die erste Erfahrung auf der Bühne.

Obwohl die «Blues Schoul» in den Räumlichkeiten der Differdinger Musikschule beheimatet ist, soll es keine Konkurrenz sein, sondern eine Ergänzung, erklärt Remo Cavallini, der aktuelle Leiter der «Blues Schoul». Wer Lust auf mehr bekommt, kann sich in die regulären Kurse der Musikschule einschreiben. Der Erfolg im ersten Jahr habe ihn schon damals überrascht, sagt Romain Heck heute. «Anfangs sollte es ein Projekt für Jugendliche sein, wir hatten aber auf einmal 80 Anmeldungen, sodass das Projekt schnell aus dem Rahmen des Jugendhauses herausgenommen wurde.» Das Einzige, was sich noch geändert habe, sei die Aufteilung in zwei Gruppen – Anfänger und Fortgeschrittene – gewesen. Am Ende des Semesters tritt die «Blues Schoul» mit den Schülern, die regelmäßig an den Kursen teilnahmen, im Rahmen des Blues Express auf.

Einschreiben können sich Interessierte jedes Jahr im Dezember.
Mehr Infos gibt es unter www.bluesschoul.com.


Blues Club Lëtzebuerg

Seit über 20 Jahren ist der zwischen 1920 und 1922 erbaute Theatersaal des Gesangvereins «Sang a Klang» in Pfaffenthal der Blues-Tempel in Luxemburg schlechthin. Zu verdanken hat er diesen Ruf dem «Blues Club Lëtzebuerg», der seit 21 Jahren regelmäßig Konzerte mit ausländischen Bands dort organisiert.

1997 gründeten einige Bluesfans den Klub, dem es zu verdanken ist, dass internationale Größen den Weg nach Luxemburg fanden.
Inspiriert wurden die Gründer vom «Ducsaal» im nahen Saarland, in Freudenburg, wohin sie regelmäßig zu Blueskonzerten fuhren.

«Wir dachten uns, das könnte man doch auch in Luxemburg organisieren. Es gab so viele interessante Künstler, aber viele sind eben nicht so bekannt, dass sie nach Luxemburg eingeladen wurden», erklärt Claude Hastert, Gründungsmitglied und Präsident.
Gegründet wurde der Klub in einem Café in Tüntingen, zu dem Anlass fand auch gleich eine Blues-Jamsession von luxemburgischen Musikern statt. Bereits das erste «reguläre» vom Klub organisierte Konzert fand am 7. November 1997 im «Sang & Klang» in Luxemburg-Pfaffenthal statt. Bis dato wurden über 200 Konzerte organisiert. Als Vorgruppe spielen sehr häufig luxemburgische Bluesbands.

Infos: www.bluesclub.lu


„Do war rot, Fa war gelb“

Sie waren dabei, als die ersten Bluesbands in Luxemburg gegründet wurden: Wir haben uns mit einigen Bluesmusikern über ihre Anfänge unterhalten.

«Die ‹Alten›, die noch rockten», überschrieb Luke Haas im Jahr 1982 ein Kapitel in seiner Anthologie über die luxemburgische Rockgeschichte. Diesbezüglich nannte er auch Jean-Claude Bintz: Dieser war damals 26 Jahre alt und hatte musikalisch schon einiges aufzuzeigen. Dem Tageblatt erzählt Bintz nun von zwei musikalischen Aha-Erlebnissen Anfang der 1970er Jahre. Das erste betrifft ein Album von Rory Gallagher und dessen Gruppe Taste. «Dat war dat, wat ech maache wollt.» Weißer britischer Blues sei die Musik, die ihn am meisten inspiriert habe, Musiker wie Kim Simmonds (Gitarrist von Savoy Brown) und eben Rory Gallagher (Taste). Das zweite Erlebnis bezieht sich auf ein Konzert: «Wer mich richtig umgehauen hat: die britische Bluesgruppe Savoy Brown 1971 in Villerupt (gibt es noch immer, Anm. d. Red.).»

1972 trat Bintz der Band Why bei, die zwei Jahre zuvor gegründet wurde. Sie wurde zu einer der damals erfolgreichsten luxemburgischen Rockbands, mit vielen Auftritten im Ausland, sogar im legendären Golf Drouot in Paris. 1972. Der Musiker erinnert sich vor allem an die Professionalität von Why. «Wir mussten uns um nichts kümmern. Wir hatten einen Manager, der uns das Datum und den Ort mitteilte, und das ganze Material stand dort bereit.» In den 1980er Jahren war Bintz an einer der ersten Bluesbands Luxemburgs beteiligt, den Blues Busters (1985-1992). Seit 2001 tourt er mit Crossroads, die am Samstag beim Blues Express auftreten (18.30 Uhr, Lasauvage, «Salle des pendus»).

Ein Musiker, an dem man in Sachen Blues in Luxemburg nicht vorbeikommt, ist René Cavallini, der von sich selbst sagt, er sei immer ein Verfechter des Blues gewesen. «Egal wat s de spills, wann s de kee Blues spille kanns, kanns de näischt», lautet sein Urteil. Romain Heck (siehe den Kasten «Die Differdinger ‹Blues Schoul'» auf der vorigen Seite) bezeichnet ihn als den «Papst des luxemburgischen Blues». Cavallini, der Gitarre und Mundharmonika spielt, hat 34 Jahre lang auf der Schmelz gearbeitet und dort Stahlträger geschnitten. Das sei «Heavy Metal» gewesen, sagt er mit einem Lachen. Das Gitarre- und Mundharmonika-Spielen habe er sich (wie alle unsere Gesprächsteilnehmer) selbst beigebracht. Seine Liebe zum Blues habe er durch den amerikanischen Blues-Musiker Sonny Boy Williamson entdeckt. Er spielte unter anderem bei der Band Strange Brew, bevor er Mitglied der bereits legendären Gruppe Blues, Women & Whiskey wurde, die von Snoop Kartheiser und Claude Müller, zwei Musikern der Blues Busters, gegründet wurde, nachdem Jean-Claude Bintz und Bob Hochmuth die Gruppe verlassen hatten.

Markante Sprüche

René Cavallini wird von seinen Musikerkollegen gerne mit markanten Sprüchen wie «Der Blues ist die Mutter, an deren Brust wir alle saugen» zitiert. In seiner langen Karriere hat der Differdinger schon im Vorprogramm von Größen wie ZZ Top und Buddy Guy gespielt. Über dieses Konzert kursiert eine interessante Anekdote. Der Manager von Buddy Guy habe den Luxemburgern auf der Bühne den Strom abdrehen wollen, weil sie zu viele Zugaben gegeben und deswegen überzogen haben sollen. Cavallini, so erzählt es Snoop Kartheiser – ein anderer Musiker, der auch dort war –, habe den Manager von der Bühne gejagt. Das Publikum habe gegrölt: «Schlag ihn tot, das Arschloch.» Nach dem Konzert habe sich der große Buddy Guy persönlich bei der Gruppe für das Benehmen des Managers entschuldigt. René Cavallini ist auch heute noch als Blues-Musiker aktiv – und zwar mit seiner Band Cleanhead & Cosa Nostra.

Der erwähnte Snoop Kartheiser, der übrigens nicht mehr aktiv ist, ist ebenfalls ein Urgestein der hiesigen Rock- und Bluesszene. 1986 gründete er mit Bob Hochmuth, Jean-Claude Bintz und Claude Müller die Rough Kids, aus denen später die Blues Busters wurden. Er erinnert sich daran, wie er seine erste Gitarre kaufte: Eigentlich sei er in die Stadt gegangen, um ein Fahrrad zu kaufen, für das er gespart hatte, nach Hause ging er mit einer Gitarre. Nach den ersten Akkorden, die ihm ein Nachbar beigebracht hatte, lehrte er sich das Spielen größtenteils selbst. Gleiches galt auch fürs Keyboard: Mit Farben hat er sich die Noten auf den Tasten markiert. Do war rot, Fa war gelb usw. Neben den erwähnten Gruppen spielte Kartheiser auch mit dem in der Szene bekannten Sneaky Pete (Claude Daleiden) zusammen, der seit über 25 Jahren als Musiker aktiv ist und unter anderem bei der ersten Versammlung des Blues Club mitspielte. Mit seiner aktuellen Band, die sich aus Alfredo Delgado, Randy Melton und Bojan Perko zusammensetzt, nimmt Sneaky Pete am nächsten Blues ’n› Jazz Rallye (21. Juli) teil.

* Luke Haas, Luxemburgs Rockstory, Editions John Schmit, Capellen, 1982
Weitere Quelle: Luke Haas, Lëtzbuerger Rock-Lexikon II: 1987-1994, Editions Revue, 1995


Blues Express 2018

Um die 20.000 Menschen besuchten voriges Jahr das Festival Blues Express. Spielt das Wetter mit, werden es dieses Jahr wieder Tausende sein, die sich in Lasauvage und im Fond-de-Gras dem Blues hingeben. Ein Fest dieses Ausmaßes bedarf laut Daniel Da Cunha, dem Koordinator der Organisation, einer Vorbereitungszeit von einem Jahr. Fast alle Abteilungen der Differdinger Gemeinde – diese zählen um die 150 Mitarbeiter – helfen an dem Abend, damit alles reibungslos über die Bühne geht. Nach dem Fiasko von 2016 sei das Verkehrskonzept auch zusammen mit der CFL und der Firma Sales-Lentz komplett überarbeitet worden. Das Renommee des Festivals sei über die Grenzen hinaus so gut, dass sich die Organisatoren kaum vor Anfragen retten könnten, sagt Da Cunha. Über 400 Gruppen aus dem In- und Ausland wollten am Blues Express teilnehmen. Am Samstag werden folgende Bands aus Luxemburg auftreten:
– Arthur Possing Quartet;
– Big Band der Differdinger Musikschule;
– Big Band Opus 78;
– Big Band Spectrum;
– „Blues Schoul“;
– Crossroads feat. Irina Holzinger;
– Elo & The Bad Boys;
– Fred Barreto Group;
– Fritz and his pumping piano;
– Gaasserock Blues Band;
– Heavy Petrol;
– Heritage Blues Company;
– Jazz-Section der Differdinger Musikschule;
– Little Blues Band feat. Kinga Radics;
– Marching Bands;
– Northern Big Band;
– Ramblin’ South;
– Remo Cavallini Band;
– Renegade Dukes;
– Thunder Road.

Das gesamte Line-up finden Sie auf www.bluesexpress.lu.

Die Abrissbirne erinnert sich...
12. Juli 2018 - 15.38

Wenn man schon in der Geschichte des Luxemburger Blues rumkramt, wäre das Cafe Nickloseck auf dem Glacis noch erwähnenswert, wo sich während Jahrzehnte die Bluesmusiker die Klinke in die Hand gaben. Was macht eigentlich Marcel, lebt er noch?