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GeburtsrechtDer „Birth Activism Circle“ setzt sich für mehr Respekt und Selbstbestimmung bei der Geburt ein

Geburtsrecht / Der „Birth Activism Circle“ setzt sich für mehr Respekt und Selbstbestimmung bei der Geburt ein
Hebammen, Doulas, Aktivistinnen, Mütter und werdende Mütter haben sich zum „Birth Activism Circle“ zusammengefunden, um sich für ein besseres Geburtensystem in Luxemburg einzusetzen Foto: Editpress/Melody Hansen

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Zehn Frauen sitzen zusammen um einen Tisch, gleich neben dem Spielplatz „Bambësch“. Sie haben die Nase voll. Davon, wie Luxemburgs Geburtensystem funktioniert. Dass werdenden Müttern keine andere Wahl als die Krankenhausgeburt bleibt, sie zum Teil Gewalt ausgesetzt sind – sei es psychisch oder physisch – und dass die Politik wegsieht, bei einem Thema, das alle etwas angeht. Um etwas zu verändern, haben sie sich dem „Birth Activism Circle“ angeschlossen. 

Es ist das zweite Mal, dass sich Hebammen, Doulas (die nicht-medizinische Geburtsbegleitung anbieten), Aktivistinnen, Mütter und werdende Mütter in dieser Konstellation treffen. Neben Vertreterinnen der „Association des sages-femmes“ ist jeweils ein Mitglied der Anti-Rassismus-Vereinigungen „Finkapé“ und „Lëtz Rise Up“ gekommen. Ins Leben gerufen wurde der „Birth Activism Circle“ von der Doula Natascha Bisbis.

Durch ihre Arbeit mit Frauen und dem regelmäßigen Austausch mit anderen Doulas, Freundinnen und Bekannten wurden Natascha Bisbis bereits viele Geburtsgeschichten erzählt. Dabei musste sie feststellen: Zu viele Frauen verbinden keine schönen Erinnerungen mit der Geburt ihres Kindes. „Ein Mangel an Aufklärung und ein Krankenhaussystem, das Geld über Menschlichkeit setzt, lässt viele Frauen traumatisiert zurück – und zudem alleingelassen mit einem Neugeborenen, das ihre volle Aufmerksamkeit abverlangt“, sagt Bisbis.

Erfahrungsaustausch

Anfang August hat sie deshalb beschlossen, einen Ort zu schaffen, an dem sich Frauen zusammen für ihre Rechte einsetzen können. Inspiriert wurde sie durch den „Birth Culture Brunch“, den Marise Hyman vom „Luxmama Club“ im Frühling 2019 organisiert hatte. „Ich wollte etwas Informelleres machen. Ein Treffen, bei dem sich Frauen ganz entspannt über ihre Erfahrungen und Zukunftswünsche austauschen können“, so die Doula.

„Ich bin wütend“, sagt eine Teilnehmerin beim zweiten Treffen des „Birth Activism Circle“. Bei der Geburt ihres Kindes fühlte sie sich im Stich gelassen. Die Hebamme musste eine weitere Gebärende begleiten und rannte ständig hin und her. Wieso es in einem reichen Land wie Luxemburg nicht genügend Hebammen gibt, damit diese sich Zeit für jede einzelne Frau nehmen können, versteht sie nicht. Solche Situationen führen zu einem Co-Trauma von Frau und Hebamme, während Letztere zusätzlich dem Druck der Krankenhäuser ausgesetzt ist, der durch Unterbesetzung und Schichtplan entsteht.

Verdrängte Traumata

Der Krankenhausstress kann sowohl Hebammen als auch Ärzte unsensibel machen und lässt sie verletzende Dinge sagen und tun. Wehenfördernde Medikamente werden schneller verabreicht, als sie es müssten, Frauen werden zu Kaiserschnitten überredet – die Liste traumatisierender Ereignisse während dieses empfindlichen Moments im Leben einer Frau ist lang. Ist das Kind erst einmal da, wird ihr häufig das Recht genommen, um die Erfahrung zu trauern. „Sei froh, dass das Kind gesund ist“, „Du hast dein Kind, du musst doch jetzt glücklich sein“, sind Sätze, die sie sich selbst einreden und nicht selten auch von anderen hören. Mit dem „Birth Activism Circle“ will Natascha Bisbis erreichen, dass Frauen Hand in Hand zusammenstehen, um endlich Gehör zu finden. „Jede Frau soll selbst entscheiden können, wie sie die Geburt erleben will“, sagt sie.

Bei ihrem ersten Treffen hatten die Frauen bereits beschlossen, dass sie den „Roses Revolution Day“ am 25. November, also den internationalen Tag gegen Gewalt in der Geburtshilfe, sowie die „International Week for Respecting Childbirth“ im Mai nutzen wollen, um die Öffentlichkeit auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam zu machen. Am 25. November wollen sie die Tradition aufrechterhalten und Luxemburgerinnen, die Gewalt in der Geburtshilfe erfahren haben, dazu aufrufen, eine Rose vor die jeweilige Entbindungsstation zu legen. 2018 wurde der „Roses Revolution Day“ erstmals in Luxemburg organisiert. Damals wurden zwei Rosen niedergelegt. Im letzten Jahr waren es dann zehn – dieses Jahr erwarten sich die Frauen erneut mehr.

„Roses Revolution Day“

„Wir wollen jedoch einen größeren Einfluss haben, als nur eine Rose niederzulegen, die dann abends von der Putzfrau in den Mülleimer geworfen wird“, sind sich die Frauen einig. Die eigenen Erfahrungen und Wünsche in einem Brief niederzuschreiben und mit der Rose abzulegen war eine der Ideen, die während des Treffens aufgekommen sind.

Letztendlich werden wir alle geboren – und es ist nicht egal, wie!

Natascha Bisbis, Doula und Gründerin des „Birth Activism Circle“

Die Frauen betonen ebenfalls, wie eng verwoben das Thema Gewalt in der Geburtshilfe mit dem der Menschenrechte ist. „Es ist nicht nur ein Frauenproblem. Ganze Familien können dadurch traumatisiert werden“, sagt eine Mutter. Der Zirkel müsse darauf achten, nicht das Interesse der halben Bevölkerung zu verlieren, in dem sie Geburt als Frauensache darstellt. Auch Männer spielen bei der Familiengründung eine Rolle. „Letztendlich werden wir alle geboren – und es ist nicht egal, wie!“, sagt Natascha Bisbis.

Eine andere Mutter erzählt von dem riesigen Unterschied von ihrer ersten Geburt im Krankenhaus im Vergleich zu ihren beiden weiteren Geburten in einem Geburtshaus in Deutschland. In Luxemburg gibt es derweil keine Alternative zur Krankenhausgeburt. Bis auf eine einzige Hebamme, die Hausgeburten anbietet – jedoch bald in Rente geht. Eine Nachfolge ist nicht in Aussicht.

Forderungen und Geschichte

Wie schwer es ist, bei Politikern Gehör zu finden, wissen die Hebammen der „Association luxembourgeoise des sages-femmes“, die ebenfalls am Treffen teilnehmen. In einem ersten Schritt wollen die Frauen die bestehenden Probleme deshalb in einem Dokument niederschreiben. Zudem wollen sie Kontakt mit ähnlichen Vereinigungen im Ausland aufnehmen, die bereits einige Schritte weiter sind. Auch ein Blick auf die Geschichte von Luxemburgs Geburtensystem scheint sinnvoll. „Es ist irgendwann zur Tradition geworden, dass Kinder im Krankenhaus geboren werden. Wann hat sich das geändert und warum?“, lautet der Ansatz.

Forderungen des „Birth Activism Circle“, die schnell umgesetzt werden könnten, wäre die Zulassung von Doulas und freien Hebammen im Krankenhaus, um eine Eins-zu-eins-Betreuung gebärender Frauen, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen wird, zu garantieren. Damit diese nicht mehr vom Schichtplan des Krankenhauses abhängig sind und eine Person an ihrer Seite haben können, zu der sie bereits im Vorfeld ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Auch die Rückerstattung von Hausgeburten, die zu 100 Prozent von den werdenden Eltern getragen werden muss, wäre eine solche Forderung. Die Frauen wollen eine Umfrage starten, um zu erfahren, was Frauen erlebt haben, brauchen oder gebraucht hätten. Sie wollen Frauen über ihre Rechte aufklären und dazu sensibilisieren, was Gewalt in der Geburtshilfe bedeutet.

„In den letzten anderthalb Jahren gab es bereits eine spürbare Veränderung bei den Frauen“, sagt eine Hebamme. Die meisten hätten davor noch nicht einmal gewusst, dass es hilfreich ist, bereits vor der Geburt eine Hebamme zu treffen. Inzwischen sei das anders. Diesen Wandel will der „Birth Activism Circle“ weiter vorantreiben, damit Frauen gehört werden und Traumata während der Geburt schon bald zur Ausnahme anstatt zur Regel werden.

Mitmachen:

Wer sich dem „Birth Activism Circle“ anschließen will, kann der Facebook-Gruppe „Gebuertsrecht Lëtzebuerg – Birthright Luxembourg“ beitreten oder sich direkt bei Natascha Bisbis unter der Nummer 621 729 725 oder der E-Mail-Adresse natascha.bisbis@hotmail.fr melden. 

Miette
10. September 2020 - 22.11

Zurück in das frühe Mittelalter. Ich bin glücklich in einem Land zu leben, in welchem ich medizinisch gut versorgt entbinden konnte. Frau, welche in sich ruht braucht kein Tralala um sich rum. Es fehlt wie in allen Pflegeberufen bei Hebammen an Personal, da sollte reagiert werden.

CESHA
8. September 2020 - 15.51

@J.Scholer: Obwohl Ihr Kommentar am Thema vorbeigeht, möchte ich darauf hinweisen, dass der Vergleich hinkt - sterben muss man längst nicht mehr in einem Krankenhaus sondern kann sich in ein Hospiz verlegen lassen. Obwohl es auch davon noch nicht genügend gibt und vor allem nicht, wenn man sein Recht auf aktive Sterbehilfe wahrnehmen möchte.

Grober J-P.
7. September 2020 - 13.44

Wenn man sich so umhört besteht wirklich ein Mangel an diplomierten Hebammen, warum nicht dort in Bildung investieren. Doulas sind nicht gerade billig, was für Besserverdiener.

J.Scholer
7. September 2020 - 10.51

In Kliniken sterben kranke Menschen oft grausam.Gründen wir den „ Death Activism Circle“ ?Geburt und Tod , ein natürlicher Vorgang der von Schmerz, Leiden begleitet ist . Nun hat jede Frau die Wahl , Mutter zu werden ,oder auch nicht, wohlweislich dies mit Schmerzen verbunden ist . Beim Sterben haben wir diese Wahl nicht.

Arm
7. September 2020 - 10.35

In der Tat das ist ein riesiges Problem. Also schnell zurück in die Zukunft! Lächerlich das Ganze.

Grober J-P.
6. September 2020 - 21.45

Wie sagt man dazu auf luxemburgisch, oder deutsch, oder französisch. Doulas sind ja so trendy in den USA. Wie werden Hebammen denn ausgebildet, werden Doulas über die Krankenkasse bezahlt? Warum das B.A.C.? Ist das so miserabel in den Maternités geworden?

carla
6. September 2020 - 21.38

Voodoo-Zauberei net vun der Krankekeess rembourséiert?

Rosie
6. September 2020 - 18.06

„Birth Activism Circle“? „Birth Activism Coven“ hätte besser gepasst.

Himmelreich
6. September 2020 - 18.04

Ich weiß, es ist hart, wenn der Schamane in der Bohler-Klinik seinen Salbeistrauch nicht anzünden darf, wegen des Brandschutzes und auch Hühnerblut darf nicht verwendet werden aber trotzdem wünsche ich allen: Willkommen im 3. Jahrtausend.