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„Bewegte Schule“ in Luxemburg – Das sagen Lehrer zum neuen Konzept

„Bewegte Schule“ in Luxemburg – Das sagen Lehrer zum neuen Konzept

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Für Claude Meisch ist es ein Paradigmenwechsel, der dabei ist, sich zu vollziehen, für einige Lehrer ist es schon heute Alltag: die „Bewegte Schule“. Der Unterschied zum traditionellen Unterricht ist dabei klein, aber fein.

Lesen Sie zum Thema auch den Kommentar «Vom Paradigmenwechsel zur Bewegungserziehung».

Luxemburger verbringen während ihrer Schullaufbahn rund 15.000 Stunden sitzend im Unterricht. Das sind 625 Tage oder 1,7 Jahre. So jedenfalls steht es in einer Präsentation des Bildungsministeriums zum Thema „Bewegte Schule“. Wenn man dann noch die zwei Stunden pro Tag vor dem Computer und 15 Stunden pro Woche vor dem Fernseher hinzurechnet, dann versteht es sich von selbst, dass der Bewegungsmangel bei Kindern ein ernst zu nehmendes Problem ist.

Die motorischen Fähigkeiten haben in den vergangenen Jahren abgenommen, das stellen auch Martine Weinachter und Mike Schneider, beide Lehrer in der Grundschule in Vichten, tagtäglich fest. „Einigen fällt es schwer, auf einem Bein das Gleichgewicht zu halten, andere haben Schwierigkeiten, einen Ball zu fangen oder gar zu werfen“, erläutert Weinachter.
Die Regierung will gegen den Bewegungsmangel vorgehen. Der Koalitionsvertrag sieht deshalb den Ausbau des Pilotprojekts „Bewegte Schule“ vor, das in Vichten bereits seit nunmehr gut zwei Jahren umgesetzt wird.

 Martine Weinachter und Mike Schneider

Die Grundschulen in Nommern, Fels und Angelsberg haben bereits 2014 angefangen, nach diesem Konzept zu arbeiten. Es geht auf den Schweizer Urs Illi zurück, der bereits Anfang der 1980er zur Überzeugung gelangte, dass mehr Bewegung während des Schulunterrichts förderlich sei. Mittlerweile gibt es auch Studien, die einen Zusammenhang zwischen körperlicher Betätigung und verbessertem Lernvermögen feststellen.

Mit der „Bewegten Schule“ schlägt man also gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe. Claude Meisch sprach in dem Zusammenhang vergangenes Jahr im Tageblatt-Interview von einem Paradigmenwechsel.

Bewegung wird zur Normalität

In Vichten ist die „Bewegte Schule“ bereits zur Normalität geworden. „Würde man die Schüler heute fragen, ob wir noch ‹Bewegte Schule› machen, würden einige sicherlich mit Nein antworten“, ist sich Weinachter sicher. Die Bewegung gehört einfach zum normalen Schulalltag. Auch wenn es sich täglich bloß um rund 20 Minuten handelt.

Davon kann man sich in Vichten meistens zwischen 9.00 und 9.15 Uhr überzeugen. Dann tummelt sich der Großteil der Klassen auf dem Flur und ist dabei, Bewegungsspiele mit dem Lehrpersonal zu spielen. Es ist die sogenannte Bewegungspause, die vor allem in den Zyklen eins bis drei, also bis zum vierten Schuljahr, auf der Tagesordnung steht.

Im Zyklus vier, dem fünften und sechsten Schuljahr, wird eher versucht, die körperliche Aktivität über das „Bewegte Lernen“ einzubauen. „Da gibt es unzählige Möglichkeiten“, sagt Weinachter, die selbst für den vierten Zyklus verantwortlich ist. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel das Laufdiktat, bei dem die Kinder die zu schreibenden Sätze irgendwo im Klassenzimmer zuerst lesen und sich dann wieder auf ihren Platz setzen, um den Satz niederzuschreiben. Wobei „sitzen“ in der „Bewegten Schule“ nicht gleich sitzen ist. Es kann auch liegen bedeuten oder stehen.

Vokalen beim Treppensteigen pauken

Es kommt auch vor, dass ein Schüler, der einen Text vorlesen muss, durchs Klassenzimmer spaziert, oder dass Vokabeln beim Treppensteigen gelernt werden. Manchmal müssen die Schüler sogar auf Stühle klettern, um an die Lösungen einer Aufgabe heranzukommen. „Eigentlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, sagt Schneider.

Auf die Frage, ob durch die zusätzliche Bewegung kein Chaos in der Klasse entstehe, meint Schneider: „Wären die Bewegungsspiele eine einmalige Sache, dann würde sicher etwas Unruhe entstehen. Da sie allerdings zum Schulalltag gehören, ist es für die Kinder eigentlich nichts Besonderes.“ Wobei er auch betont, dass die Bewegungspausen flexibel durchgeführt werden. „Wenn ich jetzt merke, dass wir gerade mit einem Kapitel gut vorankommen oder die Schüler einen Test schreiben, dann wird die Bewegungspause nicht um Punkt 9 Uhr durchgeführt.“ Vergessen wird sie allerdings nicht. „Dafür sorgen die Schüler schon. Sie erinnern einen daran.“

Alles andere als Zeitverlust

Weinachter und Schneider betrachten die rund 20 Minuten Bewegung pro Tag auch nicht als Zeitverlust, sondern als Zeitgewinn. „Nach den Bewegungspausen merkt man in der Regel schon, dass die Schüler konzentrierter sind und man sogar schneller vorankommt. Und was das ‹Bewegte Lernen› angeht, hat man ohnehin keinen Zeitverlust“, so Weinachter, die ebenfalls in der nationalen Arbeitsgruppe für das Label „Clever Move“ mitarbeitet. Das Label soll an Schulen oder „Maisons relais“ verliehen werden, die nach dem Prinzip der „Bewegten Schule“ arbeiten. Eine weitere Aufgabe ist es, das Projekt „Bewegte Schule“ beim Lehrpersonal bekannter zu machen. Auf der Internetseite clevermove.lu gibt es hierfür eine ganze Reihe an Vorschlägen, wie man Bewegung in den Unterricht integrieren kann.

In Vichten scheint man jedenfalls von der „Bewegten Schule“ überzeugt zu sein. Die Bewegung sei eine gute Unterstützung zum Lernverhalten der Schüler. Außerdem könne man wenigstens ein bisschen gegen den Bewegungsmangel bei Kindern vorgehen. „Ich denke nicht, dass wir dadurch Kinder zum Sporttreiben animieren können, doch wir erreichen eben gerade die, die sich in ihrer Freizeit nicht viel bewegen“, so Weinachter.

Motorische Fähigkeiten werden gefördert

Die „Bewegte Schule“ bringt keine Leistungssportler hervor, was auch nicht Sinn und Zweck des Konzepts ist. Aber sie kann dazu beitragen, die motorischen Fähigkeiten der Kinder wieder zu fördern. Wenn man bedenkt, dass motorischer Bewegungsmangel zu schwerwiegenden Folgen wie Übergewicht oder Haltungsschäden führen und sich auch noch negativ auf das Selbstbewusstsein der Kindern auswirken kann, scheint das Konzept der „Bewegten Schule“ schon seine Daseinsberechtigung zu haben.

Schneider sieht noch einen anderen großen Vorteil. Für ihn spielt die „Bewegte Schule“ eine wichtige Rolle bei der Integration. „Wenn ich Schüler in der Klasse habe, die kein Luxemburgisch sprechen, dann kann ich sie durch die Bewegungspausen viel schneller in die Klasse integrieren.“

Alles in allem sieht Schneider das Konzept der „Bewegten Schule“ als effizientes Instrument, um die Schüler noch besser zu erreichen. Vor allem wenn man als Lehrer aktiv an den Spielen während der Bewegungspausen teilnehme. Mit wenig Aufwand könne man viel erreichen. Nun muss das Pilotprojekt nur noch auf nationaler Ebene Schule machen.

Zeitungsschlagen und Bleistifttanz

Rund 20 Minuten Bewegung pro Tag (manchmal mehr, manchmal auch weniger) sollen die Kinder in der „Bewegten Schule“ erhalten. Entweder durch Bewegungspause oder „Bewegtes Lernen“. Wie dies aussehen soll, ist eigentlich der Fantasie der Lehrkraft überlassen. Auf clevermove.lu gibt es eine Vielzahl von Spielen und Übungen, die unter anderem der Koordination, der Konzentration oder der Entspannung dienen. Ein paar Beispiele, die auf clevermove.lu zu finden sind:

Zeitungsschlagen

Die Schüler stellen sich im Kreis auf, einer steht in der Mitte. Sofern noch nicht geschehen, nennt reihum jeder Schüler seinen Namen. Alle Namen sollten dabei eindeutig sein; wenn zwei oder mehr Schüler den gleichen Namen tragen, sollten Spitznamen verwendet werden. Ein Schüler beginnt und ruft den Namen eines anderen Kindes. Dieses muss nun schnell reagieren und ebenfalls den Namen eines weiteren Schülers nennen usw. Der Spieler in der Mitte muss dabei versuchen, den aktuell Genannten mit der Zeitung zu schlagen. Gelingt ihm dies, bevor dieser einen gültigen Namen ausgesprochen hat, so tauschen die beiden die Plätze, ein neuer Spieler ist nun in der Mitte.

Varianten: Schülerinnen dürfen nur männliche Namen rufen und umgekehrt; jeder Schüler erhält von der Lehrperson ein Bild mit dem einzuübenden Wortschatz.

Bleistifttanz

Die Kinder verteilen sich in Zweiergruppen im Raum. Sie stellen sich paarweise gegenüber. Nun strecken sie beide Zeigefinger nach vorne und klemmen je einen Farbstift dazwischen. Ziel ist es, dass sich die Kinder im Raum bewegen, ohne den Stift zu verlieren. Hierbei versuchen die Schüler, auch ausgefallene Positionen einzunehmen: in die Hocke gehen, sich strecken, sich setzen, sich drehen usw.

Varianten: Durchführung mit Ringfinger bzw. kleinem Finger; Durchführung ohne zu sprechen; zusätzliche Regeln: Bewegung in Zeitlupe, mit dem Gesäß den Boden berühren.