Jean-Claude Juncker, Albert Einstein, General Charles de Gaulle: „Es ist eine Krankheit, die große Persönlichkeiten betrifft“, erklärt Jean-Christophe Pillet, Gefäßchirurg im „Centre hospitalier de Luxembourg“ (CHL). Die Erkrankung, die Politiker und Wissenschaftler eint, heißt Aneurysma. „Ein Aneurysma ist eine anormale Ausdehnung eines großen Blutgefäßes im Bauchraum, der Bauchhauptschlagader.“ Solche Erweiterungen kommen nicht nur im Bauchraum vor. Sie seien theoretisch „an jedem großen Gefäß im Körper möglich“, fügt Martine Goergen hinzu. Goergen ist medizinische Direktorin im CHL und hat sich auf Gefäß-, Brustkorb- und Innere Chirurgie spezialisiert. Aber: „Bauchraum-Aneurysmen sind mit am tödlichsten“, sagt Goergen. Ähnlich gefährlich seien nur mit Blut gefüllte Aussackungen an der Hauptschlagader, die im Brustraum verläuft.
Ein Aneurysma im Bauchraum wird ab einer Größe von 5,5 Zentimetern operiert. Die Größe des Aneurysmas ist dafür entscheidend, wie es medizinisch versorgt wird: per Öffnung der Bauchhöhle oder mit einem Röhrchen aus Metall- oder Kunstfasergeflecht, dem sogenannten Stent. Bei den Aneurysmen, die im Krankenhaus operiert werden, setzen die Ärzte in 90 Prozent der Fälle Stents, sagt Jean-Christophe Pillet. Wird der Patient rechtzeitig operiert, bevor ein Aneurysma platzt, hat er dieselbe Lebenserwartung wie jemand, „der sich ein Bein gebrochen hat“, sagt Jean-Christophe Pillet. Nach dem Eingriff wird das Gefäß einmal jährlich im Computertomografen kontrolliert.
Acht von zehn Betroffenen sterben
Dehnt sich die Aussackung des Blutgefäßes so weit aus, dass die Gefäßwände dem Druck nicht mehr standhalten, reißt das (Bauchraum-)Aneurysma auf. „80 Prozent der Betroffenen sterben, wenn ein Bauchraum-Aneurysma platzt“, bestätigen die beiden CHL-Ärzte. Die Operation eines geplatzten Aneurysmas weist eine sehr hohe Sterberate auf, geben sie zu bedenken. „Nur 20 Prozent aller Betroffenen mit geplatzten Bauchraum-Aneurysmen überleben“, fasst Goergen den Ernst der Lage zusammen.
„Deshalb muss man ein Aneurysma vorher entdecken“, sagt Pillet. Aber wie? Der Gefäßchirurg erklärt, dass es äußerst selten gelingt, Aneurysmen im Vorfeld auszumachen. Sie tun nicht weh, „die Person spürt nichts“, fügt Martine Goergen hinzu. Die Mehrheit der Betroffenen weiß nichts von ihrer Existenz, bis die Aussackungen meist zufällig bei anderen Untersuchungen entdeckt werden.
Mehrere europäische Länder haben Aneurysmen mit einem Vorsorgeprogramm den Kampf angesagt, erklärt Pillet. In Frankreich, wo es ein gezieltes Screening gibt, werden Menschen ab 65, die rauchen, an hohem Blutdruck leiden und einen hohen Cholesterinspiegel haben, genauer untersucht. Auch ihre nächsten Verwandten, denn „Bauchraum-Aneurysmen sind wahrscheinlich vererbbar“, sagt Pillet.
Früherkennung: Luxemburg macht (noch) nicht mit
In Luxemburg gibt es ein solches Programm noch nicht. Die Idee einer Vorsorge nach französischem Vorbild im Großherzogtum begrüßen aber beide Chirurgen. Das Gesundheitsministerium unterstützt derzeit verschiedene Forschungsprojekte. „Wir hoffen, dass wir möglicherweise ein solches Screening-Projekt über die Forschung in die Wege leiten und damit die Behörden überzeugen können, wie wichtig solche Vorsorgeprogramme in Luxemburg sind“, sagt Martine Goergen.
„Eine Ultraschalluntersuchung ist nicht invasiv und für den Patienten völlig schmerzfrei, bringt aber Gewissheit, ob die Hauptschlagader im Bauchraum vergrößert ist“, sagt Goergen. Andere Arten von Aneurysmen, beispielsweise im Kopf, treten sehr selten auf. „Schätzungsweise haben etwa drei Prozent der Bevölkerung weltweit ein Bauchraum-Aneurysma“, erklären die Ärzte. Die Zahl der Erkrankungen in der Europäischen Union ist laut Goergen etwa gleich hoch. Die Chirurgen schätzen, dass in Luxemburg etwa 10.000 Menschen davon betroffen sind. „Und darum geht es bei einem Vorsorgeprogramm: zu erkennen, wer an einer solchen Ausdehnung der Bauchraum-Aorta leidet und regelmäßig untersucht werden muss. Denn nicht jedes Aneurysma explodiert. Und nicht jedes ist lebensgefährlich“, betont Martine Goergen.
Aneurysmen bei Kindern
Aneurysmen kommen nicht nur bei Erwachsenen vor. Auch Kinder leiden daran. Die Wände ihrer Blutgefäße sind von Natur aus dünner. Oft ist das Aneurysma die Folge einer anderen Erkrankung, wie beispielsweise des Marfan-Syndroms oder Ehlers-Danlos-Syndroms.
Risikofaktoren für Bauchraum-Aneurysmen
– Alter, ab 65
– Rauchen
– erhöhter Cholesterinspiegel
– erbliche Veranlagung
"Jean-Claude Juncker, Albert Einstein, General Charles de Gaulle: „Es ist eine Krankheit, die große Persönlichkeiten betrifft“
Hauptsächlich grosse Raucher.