Der Plan, die spektakuläre „Baie de Somme“ gleich am ersten Tag zu Fuß zu erkunden, fiel schon mal flach: Bereits morgens um 9 Uhr war der Treffpunkt angesagt. Was nichts anderes bedeutet hätte, als das leckere Frühstück in dem eleganten Boutique-Hotel erheblich zu verkürzen, um rechtzeitig am Ausgangspunkt zu sein.
Tatsächlich erkundet man die 7.000 ha große Bucht (umgerechnet etwa 7.000 Fußballfelder) nicht nach eigenem Wunsch, sondern nach den Vorgaben der Gezeiten. Bei Ebbe ist das Meer in Saint Valery-sur-Somme ganze 14 Kilometer weit weg. Dem Betrachter eröffnet sich eine riesige ockerfarbene Sandebene, die geradezu darauf wartet, erforscht zu werden.
Das soll und darf man aber nicht allein machen. Die schöne Sandfläche ist nämlich gar nicht so eben, wie sie aussieht. Die Mischung aus Sand und Schlamm, von den Einheimischen als „slikke“ bezeichnet, ist nämlich heimtückisch und nur in Begleitung eines ortskundigen Führers zu entdecken. Nicht umsonst empfehlen die lokalen Anbieter Gummistiefel und Ersatzkleider mitzubringen.
Dann aber können die ganz Sportlichen in einer rund dreistündigen Wanderung die ganze Bucht durchqueren und mit dem historischen Zug an ihren Ausgangsort zurückkehren.
Für weniger wanderfreudige Besucher und Familien mit Kindern werden auch einfachere Entdeckungstouren angeboten. Immer mit der Vorgabe, nicht alleine loszulaufen und die Gezeiten genau zu respektieren.
Alternativen
Ebbe und Flut bestimmen auch eine weitere interessante Ausflugsmöglichkeit in der großzügigen Bucht: Bei ihrer rund zweistündigen Fahrt gibt die „Commandant Charcot“ einen Blick auf die Farben, Reliefs und Lichtspiele der Bucht und auf die Seehunde-Kolonie frei. Wer die Tiere intensiver beobachten möchte, kann das auch an Bord einer Piroge tun.
Die Seehunde-Kolonie in der Bucht der Somme ist mit rund 1.000 Seehunden und Kegelrobben die größte in Frankreich. Seehunde hat es traditionell immer am Ärmelkanal gegeben, die Kolonien waren in den 60er Jahren jedoch weitgehend ausgestorben.
Seit den 90er Jahren werden sie nicht nur geschützt, sondern auch gefördert. Die Ausflüge sind deshalb sorgfältig programmiert und reglementiert. Um die Tiere nicht zu erschrecken, muss eine Minimaldistanz von 300 Metern eingehalten werden. Anders gesagt, das Fernglas ist hier unerlässlich.
Gemächlicher und unabhängig von den Gezeiten ist hingegen eine Fahrt mit der historischen Eisenbahn aus der Belle Epoque. Beschaulich bimmelt der Dampfzug an den Lammherden vorbei, die hier den beliebten ‚agneau des prés salés’ hervorbringen, führt quer durch die spektakuläre Landschaft aus Meer, Sand und grünen Auen.
Die Geschichte dieser regionalen Eisenbahnlinie ist allein schon das Abenteuer wert. Ihre erste Sternstunde hatte die 1856 gebaute Strecke mit den ersten Urlaubsfahrten zu den „bains de mer“. Im Ersten Weltkrieg transportierte sie die Truppen, mit den ersten bezahlten Urlaubstagen 1936 beförderte sie wiederum die Touristen, wurde später für den Transport von landwirtschaftlichen Gütern genutzt, 1969 jedoch eingestellt.
Ein Jahr später hat eine Gruppe von Freiwilligen sich der vernachlässigten Eisenbahn angenommen und hat seither daraus, genau wie bei uns der „Train 1900“, eine beliebte Touristenattraktion gemacht.
Sie verbindet ursprünglich Saint-Valery-sur-Somme und Le Crotoy, die beiden Städtchen der Bucht, führte dann aber auch weiter zu dem Strandbad Cayeux-sur-Mer.
Bleiben wir bei den „Schwesterstädten“ Saint-Valery und Le Crotoy an den Spitzen der Bucht. Beide haben einen eigenen Charme, sind zugleich Hafenstadt und mittelalterlicher Handelsplatz. Saint-Valery-sur-Somme hat Festungsbauten, ein bescheidenes Seemannsviertel und einen Hafen mit Salzlager und Handelsinfrastrukturen.
Le Crotoy war anfangs ein Fischerdorf, zog jedoch sehr schnell auch die ersten Urlauber an. Nicht zuletzt mit seinem für Strandliebhaber ganz eigenen Charme: Es hat den einzigen südlich ausgerichteten Sandstrand der Nordküste!
Natur pur
Von Saint-Valery aus lohnt sich auch der Ausflug an die „Pointe du Hourdel“. Auch von hier aus sind unter Umständen die Seehunde zu sehen, aber auch ohne diese lohnt sich ein ausgedehnter Spaziergang über den Kies bis hin zum Leuchtturm aus den 50er Jahren oder bis zum kleinen Hafen, von dem aus die Garneelenkutter – „sauterelles“ genannt – tagtäglich starten.
Fest eingezäunt sind hier die Queller-Pflanzungen („Salicornes“), aus denen eine würzige Spezialität gewonnen wird. Das Kraut wird, wenn es noch jung ist, als Rohkost gegessen, kann aber auch blanchiert und in Butter geschwenkt werden. Die Ernte ist streng geregelt.
Von Le Hourdel aus ist es nicht weit nach Cayeux-sur-Mer. Sein Strand, mit dem längsten Bohlenweg in Europa, versetzt die Besucher geradewegs in die Belle Epoque.
Wer den Urlaub sportlicher angehen will, kann an dem 14 Kilometer langen Strand Drachen fliegen lassen, Kitesurfen, aufs Rad steigen und auf der autofreien „Route blanche“ durch die Dünen radeln oder im Naturpark „Marquenterre“ hunderte von Vogelarten beobachten. Der Park ist unter anderem eine feste Etappe der Zugvögel, die hier gerne eine Pause einlegen.
Auch hier empfiehlt sich eine geführte, etwa zweistündige Wanderung – wiederum mit Fernglas!
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