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Amiperas-Präsident Morby: „Grau von außen, jung von innen“

Amiperas-Präsident Morby: „Grau von außen, jung von innen“

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Jean Morby (78) wurde am vergangenen Samstag zum Nationalpräsidenten der Amiperas gewählt. Im Interview verrät er uns, mit welchen Herausforderungen die Senioren heutzutage zu kämpfen haben und was er sich in dieser Hinsicht von der Politik wünscht.

Tageblatt: Wie gestaltet sich das Leben der heutigen Senioren?
Jean Morby: In unserer modernen Zeit, in der sich alles ums Geld dreht, werden Senioren immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Immer mehr ältere Mitbürger haben Schwierigkeiten, sich in der digitalisierten Welt von heute zurechtzufinden. Dazu entwickelt sie sich rasant weiter. Viele ältere Menschen rutschen in die Isolation ab, vor allem wenn sie in Rente gehen und dadurch ihre sozialen Bindungen verlieren.
Außerdem haben viele Senioren heutzutage nicht mehr diese familiäre Bindung, die es früher gegeben hat. Die traditionelle Familie gibt es nicht mehr. Kindertagesstätten und «Maison relais» ersetzen die Opas und Omas von früher. Außerdem nimmt die Alters- genauso wie die Kinderarmut von Jahr zur Jahr zu.
Vor kurzem habe ich in einer deutschen Zeitung den Begriff «Altersrassismus» gelesen. Dort wird eine neue Respektkultur gegenüber dem Alter gefordert. Das ist eine ernste Aussage, die vielleicht gar nicht so falsch ist.

Jean Morby ist Präsident der Amiperas Asbl

Haben Sie auch schon etwas in der Richtung erlebt?
Ich persönlich noch nicht. Doch bei verschiedenen Gelegenheiten merkt man, dass das Alter nicht mehr den Respekt bekommt, den es verdient. Vor Kurzem noch hat mich ein Journalist gefragt, ob ich die Arbeit, die ich jetzt angenommen habe, auch meistern könne, weil ich ja schon alt sei. Auf solche Fragen hatte ich immer schon eine klare Antwort: Ich bin vielleicht grau von außen, aber noch jung von innen.
Die Amiperas besteht seit über 50 Jahren. In der Zeit hat sich das Leben der Senioren doch sicher verändert?
Ja, ganz sicher. Deswegen möchte ich zuerst die Strukturen anpassen. Die Satzung ist fast so alt wie die Amiperas selbst. Dem Leben von heute wird nicht mehr Rechnung getragen. Das Leben der älteren Menschen hat sich nicht immer zum Guten verändert. Immer mehr Menschen leben an der Armutsgrenze oder unter der Armutsgrenze.
Wir versuchen auch Menschen finanziell entgegenzukommen, wenn es nicht mehr geht. Es gibt Fälle, in denen ein Ehemann ein Leben lang gearbeitet hat, jedoch nie genug Geld hatte, um eine Eigentumswohnung zu kaufen oder ein Haus zu bauen. Nach dessen Tod muss die Witwe, die zu Hause die Kinder erzogen hat, dann Miete zahlen. So bleiben nur 1.000 Euro im Monat, um zu leben. Dann darf die Waschmaschine jedoch nicht kaputtgehen.
Menschen rutschen ohne Schuld in Situationen hinein, aus denen sie von selbst nicht mehr herauskommen. In solchen Fällen versuchen wir zu helfen.

Die Amiperas Asbl.

Die „Amicale des personnes retraitées âgées et solitaires“ wurde 1963 von Jean-Pierre Thoma gegründet. Sie zählt heute etwa 8.000 Mitglieder, die in 60 größere und kleine Sektionen aufgeteilt sind. Sie hat zum Ziel, ältere, einsame Mitbürger in Rente zusammenzuführen.
Die Amiperas will ihre Mitglieder im sozialen und kulturellen Bereich beraten. Daher hat sie sich auf die Fahne geschrieben, die Interessen der älteren Menschen zu verteidigen und einen ständigen Dialog mit den öffentlichen und privaten Institutionen aufzubauen.
Jean Morby (78) wurde am Samstag zum Präsidenten ernannt, laut Satzung für eine Dauer von drei Jahren.

Was wollen Sie bei der Amiperas verändern?
Die Ziele der Amiperas, die jetzt seit 55 Jahren besteht, sind immer noch die gleichen. Es kommen jedoch neue hinzu, wie den älteren Menschen dabei zu helfen, sich in der digitalisierten Gesellschaft zurechtzufinden. Die Amiperas möchte ihren Mitgliedern die Möglichkeit geben, zusammenzufinden, und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Es laufen gerade einige Projekte zusammen mit der «Chambre des salariés» an. Sie können als eine Art «Lifelong learning» bezeichnet werden, die hauptsächlich auf die Bedürfnisse der älteren Menschen in Sachen Digitalisierung ausgerichtet sind. Denn Institutionen gehen immer mehr dazu über, alles online anzubieten, von der Steuererklärung bis hin zur Überweisung. Die Menschen sollen wissen, wie man mit den Telefonen der modernen Welt umgeht. Oder wie man eine Überweisung macht, wenn die Bank geschlossen hat.

Was muss noch passieren?
Mein persönliches Anliegen ist es, wieder mehr im kulturellen Bereich anzubieten. Bei der Amiperas ist dies in der Satzung festgeschrieben, doch das wurde in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt.
Die Altersarmut ist ein anderes Problem. Die Zahlen, die ich nennen kann, kommen von der «Chambre des salariés». Sie besagen, dass heute 17 Prozent der Menschen über 65 Jahre an der Armutsgrenze leben. In Luxemburg leben wir doch eigentlich in einer Gesellschaft mit einem gewissen Wohlstand. Wer eine normale berufliche Laufbahn hinter sich hat, soll davon leben können, was in Rente von der Gesellschaft zurückbekommen.

Mit welchen Mitteln wollen Sie die Veränderungen herbeiführen?
Die Amiperas hat heutzutage zwei größere Probleme. Eines davon ist die mangelnde Bereitschaft zur ehrenamtlichen Arbeit.
Das zweite Problem sind unsere finanziellen Möglichkeiten. Das Leben ist in letzter Zeit nicht billiger geworden. Die staatlichen Beihilfen, die wir bekommen haben, sind seit 2006 zurückgegangen. Heute erhalten wir jährlich etwa 13.000 Euro weniger an Beihilfen. Unsere finanziellen Bedürfnisse steigen jedoch, da immer mehr Leute in finanziellen Nöten sind.
Wir versuchen weiterhin, das soziale Zusammenleben zu pflegen. Dafür bieten wir dreimal pro Woche Treffen an, bei denen die Menschen auch bei uns essen können. Denjenigen, die das nachweisbar nicht finanziell tragen können, wird dann geholfen.
Das bringt der Amiperas ein Defizit von etwa 8.000 bis 10.000 Euro pro Jahr. Wenn die Hilfen nicht erhöht werden, dann kann sich die Amiperas alles, was sie jetzt schon bewerkstelligt und alles, was sie plant, beim besten Willen nicht angehen. Die Arbeit, die geleistet wird, soll anerkannt werden.
Zu unseren Beratungsterminen kommen immer mehr Leute, die wir zu juristischen Themen bei Verwaltungen und gegenüber allen anderen Gremien beraten. Es kommen auch immer mehr, die Probleme mit Gesundheitsinstitutionen haben. Wir arbeiten ganz eng mit der «Patientevertriedung» zusammen. Eines unserer Anliegen ist es, die Zusammenarbeit der einzelnen Sektionen mit der Zentrale zu intensivieren und zu schauen, wie neue Mitglieder gewonnen werden können. Das kann beispielsweise über kulturelle Veranstaltungen versucht werden.
Bei der Betreuung von älteren Menschen gibt es eine ganze Reihe von spezialisierteren Einrichtungen. Wir wollen denen auf keinen Fall Konkurrenz machen, sondern in Zukunft die Zusammenarbeit fördern.

Sie werden nun Ihr erstes Mandat als Nationalpräsident antreten.
Vor mehr als drei Jahren habe ich ein Gespräch mit der Generalsekretärin Edmée Anen geführt. Damals habe ich mich angeboten, um punktuell mitzuarbeiten. In dieser Zeit habe ich angefangen, mich verstärkt mit der Problematik des Dritten, Vierten und Fünften Alters zu beschäftigen. Und vor ein paar Monaten habe ich nach langem Nachdenken beschlossen, fest mitzuhelfen, weil ich ja, wie der Journalist sagte, schon alt bin.

Was sind Ihre ersten Amtshandlungen?
Am Dienstag wird eine erste Sitzung des Vorstandes stattfinden. Wir werden dann unsere Bedürfnisse und Notwendigkeiten zu Papier bringen und den politischen Parteien, im Hinblick auf die Nationalwahlen im Oktober, zustellen. Die Amiperas ist eine der wichtigsten Stimmen der älteren Menschen, denn sie ist ihre größte repräsentative Vereinigung. Diese Stimme wird meiner Meinung nach nicht genug gehört. Von den 600.000 Einwohnern Luxemburgs sind etwa 15 Prozent über 65 Jahre alt. Wenn nur ein Teil von ihnen berührt oder sensibilisiert wird und seine Stimme erhebt, dann wird das schon ein schöner Chor.

Was sind Ihre Forderungen an die Politik?
Wir streben an, dass die älteren Menschen in unserer Gesellschaft wieder die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Junge Menschen kommen nicht mehr so viel mit älteren in Kontakt. Sie verstehen die älteren nicht immer, andersherum ist es genauso.
In Berlin habe ich vor ein paar Jahren eine Reihe von Altersheimen besucht, bei denen nebendran Kindertagesstätten untergebracht waren. Die Senioren dort sind aufgeblüht, wenn sie an den Spielplätzen vorbeigegangen sind. Die verschiedenen Generationen müssen wieder miteinander in Kontakt kommen.

Was fordern Sie noch?
Die Lebenserwartung hat in den letzten Jahren extrem zugenommen. Das sind nicht nur Menschen, die nicht mehr fit im Kopf sind. Trotzdem haben sie in unserer Gesellschaft nichts mehr zu sagen. Mich schockiert, dass immer die Rede davon ist, das Mindestalter, um zu wählen, noch weiter herabzusetzen. Den Älteren wird immer gesagt, dass sie ab 75 nicht mehr wählen gehen müssen. Dabei müsste das Gegenteil der Fall sein und das Wahlalter auf 80 Jahre erhöht werden.
Natürlich können sie auch mit 75 Jahren noch wählen gehen, doch sie fühlen sich nicht mehr angesprochen. Wenn wir in Luxemburg beim obligatorischen Wahlrecht bleiben wollen, dann soll auch jede Alterskategorie zur Wahl gehen müssen.

Alec Trevelyan
14. Juni 2018 - 19.48

Herr Wildschutz,

Danke für die Veröffentlichung des Kommentars. Ich verstehe Ihr Argument aber nicht, es haben auch andere, wichtige Personen gesprochen und das Interview hätte im Anschluss gemacht werden können, falls noch Fragen offengeblieben wären. Hinzukommt, dass die Amiperas mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit feststellt. Das Nichterscheinen von mehreren Medienhäusern verbessert diesen Eindruck nicht. Des Weiteren zählt die Amiperas zwischen 7.000-8.000 Anhänger, was für Luxemburg schon beachtlich ist. Natürlich ist es Ihre Entscheidung, aber sie ergibt in meinen Augen wenig Sinn.

roger wohlfart
13. Juni 2018 - 12.35

Nein, die jungen Alten, von 65 Jahren, sind nicht mehr was ihre Gleichaltrigen vor 50 Jahren waren. Sie sind fiter Aber die Menschen werden heute wesentlich älter und dann tritt das ein, was Jean Morby so treffend beschreibt.
Im allgemeinen fehlt es den Jüngeren an Respekt vor ihren älteren Mitmenschen und dem was sie geleistet haben.
Das macht das Zusammenleben nicht einfacher.

Lucilinburhuc
13. Juni 2018 - 12.00

Hahah! Wie erfrischend diese Bemerkung im Land der Nörglern. Es gibt sie noch, die gut-aufgelegten und scharfsinnigen Luxemburger!

Jacques Zeyen
13. Juni 2018 - 7.52

Bin gestern von einem 65-Jährigen am Mont Ventoux überholt worden.Mit dem Rennrad, nicht mit dem Auto.
Die Alten von heute sind auch nicht mehr was sie mal waren.

Nico Wildschutz
13. Juni 2018 - 7.46

Hallo Herr Trevelyan,

Wir versuchen bei den Themen immer den interessantesten und informativsten Aspekt für alle unsere Leser zu finden. Eine Generalversammlung mag die Mitglieder betreffen und interessieren, ein Interview mit dem Präsidenten ist aber für die breite Leserschaft interessanter. Ich hoffe, Sie können unsere Vorgehensweise nachvollziehen.

Mit besten Grüßen,

Nico Wildschutz

Alec Trevelyan
12. Juni 2018 - 23.46

Warum ist denn kein Foto von der Generalversammlung am Samstag zu sehen? Vielleicht, weil das Tageblatt es nicht für nötig empfunden hat der Versammlung beizuwohnen. Wenn das Tageblatt am Samstag anwesend gewesen wäre, hätte Frau Ludwig zahlreiche Antworten direkt erhalten.