Vollbesetzt war der große Saal der Escher Gemeinde am Donnerstagabend, als der Interessenverein Bruch zu einer Infoversammlung zur Lärm-, Staub-, Geruchs- und Lichtverschmutzung des ArcelorMittal-Werks in Belval (das Tageblatt berichtete) eingeladen hatte. Die wichtigsten Gäste allerdings fehlten, denn sowohl die Vertreter des Stahlwerks als auch die des Umweltministeriums hatten ihre Teilnahme abgesagt. „Das ist absolut enttäuschend“, sagte der Präsident des Interessenvereins, Jacques Muller, „als Grund ihrer Absage haben sie die Kurzfristigkeit angegeben, dabei sind sie vor zwei Wochen eingeladen worden“.
Eines jedenfalls ist sicher, die Vertreter des Stahlkonzerns hätten am Donnerstag einen schweren Stand gehabt. „Sie haben die Sauerei gemacht, also sollen sie auch dafür bezahlen. Wir bekommen unsere Veranda nicht mehr sauber, und die Velux-Fenster auch nicht“, sagt Enrico Casagrande, der seit 40 Jahren in der Tramway-Straße wohnt, zum weißen Schlackenstaub, der die letzten Monate regelmäßig im Viertel niederging. Auch zur Geräuschkulisse hat der Rentner eine klare Meinung: „Ich habe 20 Jahre im Differdinger Stahlwerk gearbeitet und weiß, woher der Lärm kommt. Dünnes Profil sollte nicht nachts gewalzt werden, das macht zu viel Lärm“, sagt er zum Beispiel. Zuvor hatte Francis Hengen vom Interessenverein in seinem Vortrag die regelmäßige Überschreitung der in der Betriebsgenehmigung definierten Dezibelwerte anschaulich gemacht und auch die Themen Geruchs-, Staub- und Lichtverschmutzung angeschnitten.
Die Anwesenden bestätigten den Vortrag in ihren Wortmeldungen. „Ich lade die Verantwortlichen von ArcelorMittal gerne zum Abendessen ein, damit sie den unerträglichen Gestank erleben, der in diesem Sommer regelmäßig einen Aufenthalt auf der Veranda unmöglich machte“, erzählt eine in der Beleser Straße wohnende Mutter und berichtet davon, dass man den lange gehegten und gepflegten Kräutergarten im Sommer wegen des weißen Staubs wegschmeißen musste. Ein weiterer Anwohner vermutet, dass der beißende Gestank der letzten Monate durch das Verbrennen von Reifen entstanden sei. Was die Lärmbelästigung angeht, so ist nicht nur das Bruch-Viertel betroffen: „Wir leben in der rue Robert Schuman im Dellhéicht-Viertel. Wenn der Schrott gekippt wird, fallen wir aus dem Bett“, beschwert sich eine Frau. Ein anderer Bürger regt sich derweil über die in ganz Esch zu hörende Alarmsirene des Stahlwerks auf.
Stichdatum Ende Januar
„Wir sind uns als Stadt Esch bewusst, dass es eine Belästigung gibt. Der Schöffenrat jedenfalls nimmt ihre Beschwerden ernst“, hatte zuvor Umweltschöffe Meris Sehovic („déi gréng“) gesagt. Jede einzelne werde an ArcelorMittal mit Kopie an die Umweltverwaltung weitergegeben. Wobei sich gleich mehrere Bürger beschwerten, entweder keine oder sogar abwertende Reaktionen auf ihre Beschwerde von den Gemeindemitarbeitern erhalten zu haben. Ähnlich wie die, die momentan in den sozialen Netzwerken zu lesen sind. Dazu hat IV-Präsident Jacques Muller eine klare Meinung: „Natürlich hat die Arbed Esch sehr viel gegeben, doch hier geht es um Lebensqualität und die Einhaltung von Grenzwerten. Und außerdem: Wenn 5% der Beschäftigten des Stahlwerks in Esch leben, dann wäre das viel.“
Wie auch immer, Ende Januar soll es zu einer Versammlung mit dem Interessenverein, ArcelorMittal, der Umweltverwaltung und der Gemeinde kommen. „Ich hoffe, sie wird auch stattfinden“, so Muller mit Blick auf die Hinhaltetaktik des Stahlkonzerns. Zuvor hatte Francis Hengen einen Tageblatt-Artikel vom 15. Januar 1998 auf die Leinwand projiziert. Titel: „Arbed-Belval verspricht schnelle Maßnahmen“. Darauf warte man aber noch heute, so Hengen. Eine Interview-Anfrage des Tageblatt hatte ArcelorMittal vor einem Monat mit Verweis auf die Versammlung im Januar abgelehnt.
Umwelt-Toxikologe Jacques Mersch konnte immerhin Entwarnung geben, was die Belastung der anliegenden Viertel angeht. Die habe sich seit 1995 stark verringert, selbst wenn der Nord-Westen Eschs das am meisten belastete Viertel des Landes sei. Schöffe Sehovic versprach zum Abschluss der rund zweistündigen Bürgerversammlung, Analyse-Resultate zugänglicher zu machen und den weißen Staub durch die Gemeindedienste analysieren zu lassen.
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