„1995 gab es einen Wechsel in der Direktion von RTL. Der nationale Fernsehsender war nur noch an Reportagen interessiert, die einen nationalen Charakter hatten. Lokales und Regionales waren für die neue Führung nicht mehr von Interesse. Das teilte man mir damals telefonisch mit und so fand mein Wirken als freie RTL-Mitarbeiterin im Norden des Landes von heute auf morgen ein Ende“, so Irène Pissinger-Engelmann heute.
Die damals 39-jährige Journalistin wollte es aber nicht dabei belassen. Sie spielte gleich mit dem Gedanken, selbst ein Fernsehprogramm aus dem Norden für den Norden auf die Beine zu stellen. Da sie bereits seit 1991 im Besitz einer professionellen Hi8-TV-Kamera war und sie ihre Reportagen stets inklusive Bild- und Tonschnitt fertig an ihren Arbeitgeber ablieferte, war der Schritt zum eigenen TV-Programm schnell gemacht.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. „Die Frage, wie man die Zuschauer erreichen könnte – damals gab es hier noch kein Internet –, fand eine Antwort in der uns angebotenen Möglichkeit, unser Programm direkt in die Kopfstationen einzelner Kollektivantennen einzuspeisen. 1996 beantragten wir beim zuständigen Medienminister eine Konzession, was sich als nicht so einfach herausstellen sollte, da es von der Politik nicht erwünscht war, neben RTL einen zweiten Fernsehsender in Luxemburg zu haben“, so Irène Pissinger-Engelmann während unseres Gesprächs vergangene Woche.
Viele Hürden waren zu meistern
Die Hürden, die sie und ihr Mann Johny – der in Zwischenzeit seine Karriere als Lieutenant-Colonel bei der Luxemburger Armee aufgegeben hatte, um seiner Frau beim Aufbau von Nordliicht TV zu helfen – auf ihrem Weg zum eigenen Fernsehprogramm zu meistern hatten, waren nicht klein. Ganz im Gegenteil. Aus einer gewissen politischen Strömung heraus wurde ihnen sogar vorgehalten, sie seien lediglich Marionetten einer großen Luxemburger Tageszeitung, die damals auch mit dem Gedanken spielte, Fernsehen zu machen. Nach vielen kräfteraubenden Diskussionen habe man Nordliicht TV endlich eine Konzession versprochen, doch nur unter bestimmten Bedingungen: Nordliicht musste als Verein ohne Gewinnzweck (Asbl.) eingetragen werden und es durfte keine Werbung gesendet werden; erlaubt wurden lediglich Sponsoren, die zusammen mit einzelnen Gemeinden dem Verein finanziell unter die Arme greifen durften.
Erste Sendung am 23. April 1997
Mit viel Herzklopfen blickten Irène und Johny auf den 23. April 1997, auf den Tag, an dem Nordliicht TV zum ersten Mal ausstrahlen sollte. Die ersten Reportagen handelten vom Alltag in der Landwirtschaft, von den Lyzeen im Norden des Landes, von der Ostersaison in Clerf und von den Gegnern der Atommüll-Deponie im belgisch-luxemburgischen Grenzgebiet nahe Bovigny.
Mithilfe von Kassetten wurde das Programm damals direkt in die zentralen Stationen der Kollektivantennen der Gemeinden Diekirch, Ettelbrück, Weiswampach, Ulflingen und Clerf eingespeist. „Ja, das war sehr primitiv, doch es klappte“, so Irène Pissinger-Engelmann. „Nur ein Jahr später konnte Nordliicht über das Netz von Eltrona empfangen werden, zwei Jahre später galt das Gleiche für die Coditel-Kunden und Ende 2000 waren wir auch über Astra zu empfangen.“
Zum Duo Irène und Johny Pissinger gesellte sich im Laufe der Zeit auch Sohn Sammy, der heute sowohl als Journalist bei Nordliicht als auch als Physiker arbeitet. Der Fernsehsender aus dem Norden mauserte sich langsam, aber sicher zu einem Sender nicht nur für den Norden, sondern für das ganze Land. Heute zählt er zwölf freie Mitarbeiter, die für Nordliicht vor allem im Norden, aber auch landesweit auf Events mit Kamera und Mikrofon unterwegs sind.
Neben dem eigentlichen TV-Programm produziert Nordliicht aber auch Dokumentarfilme, wie z.B. über die Ardennenoffensive. In diesem fast acht Stunden dauernden Film aus dem Jahre 2005 kommen rund 50 Zeitzeugen zu Wort, die von den Grausamkeiten der damaligen Zeit und ihren persönlichen Erlebnissen sprechen. Dieser sehr bewegende Dokumentarfilm (vier DVDs) ist heute noch zum Preis von 95 Euro (Versand inbegriffen) bei Nordliicht erhältlich.
Der vorverlegte 1. Mai
Auf die Frage, was denn die tollste Geschichte war, die das Nordliicht-TV-Team in den vergangenen 25 Jahren erlebt hat, braucht Irène Pissinger-Engelmann nicht lange zu überlegen: „Im Jahr 1997 wollten wir über die 1.-Mai-Feier in Weiswampach berichten. Da der 1. Mai in dem Jahr auf mittwochs fiel und wir mittwochs und sonntags unser Programm ausstrahlen, fragten wir beim Bürgermeister aus Weiswampach nach, ob wir eventuell bereits dienstags, also am Vortag der 1.-Mai-Feier, eine Reportage über das Binden von Maikränzen in den lokalen Wäldern aufnehmen könnten, damit wir dieses Material aktuell am nächsten Tag in unser Programm einbauen konnten. Wir staunten nicht schlecht, als wir am 30. April in einem Waldstück in Weiswampach ankamen. Nicht nur der Bürgermeister und Mitglieder des Schöffen- und Gemeinderates waren vor Ort, sondern auch Vereinsmitglieder und die lokale Musikgesellschaft. Für Essen und Trinken war ebenfalls gesorgt. ‚Hier wird jetzt nicht nur gegrillt und so getan, als ob‘, so Bürgermeister Rinnen damals, ‚wenn wir unsere Maikränze fertig gebunden haben, ziehen wir unter den Klängen der Fanfare durch unser Dorf.‘ Im Klartext: Weiswampach hatte in dem Jahr für uns tatsächlich seine 1.-Mai-Feier auf den 30. April vorverlegt …!“
Was die Zukunft anbelangt, so gebe es sehr wohl Projekte, so Irène Pissinger-Engelmann zum Schluss unseres Gesprächs, doch dafür bräuchte man die nötigen finanziellen Mittel. „Mir feieren haut e Véierelsjoerhonnert, dat si 25 Joer, dass mir de Bols am Norde fillen. Dat ass e Véierelsjoerhonnert iwwer Leit a Liewen am Norde vum Land an doriwwer eraus. Berichter déi et ni gi wären, wann Nordliicht net existéiert hätt. Reportagen iwwer Leit a Liewen, iwwer Erliefnisser, Feieren, Clibb, Perséinlechkeeten, Politiker, Kulturelles, Sport an Traditiounen. Dat sinn iwwer 5.000 eenzegaarteg Reportagen. Dobäi kommen nach vill Produktiounen, wéi zum Beispill d’Veianer Traditiounen, 60 Joer sinn et hier, d’Ardennenoffensiv, Erënnerung, Tambow, Ourdaller Spezialitéiten, Louhecken an déi neiste Produktioun iwwer 40 Joer Stëftung Hëllef fir Natur.“
Zum 25. Jubiläum von Nordliicht TV findet am Freitagabend in der Sporthalle in Vichten eine Feierstunde statt, an der neben vielen weiteren geladenen Gästen auch Großherzog Henri teilnehmen wird.
Seit 2009 ist Nordliicht TV mittwochs und sonntags um 19, 20, 21 und 22 Uhr auf dem RTL-Kanal und seit 2016 jederzeit auf der Internetseite www.nordliicht.lu zu sehen. Sonntags um 13 Uhr gibt es zudem eine Wiederholung des Programms über Astra und RTL.
Zur Person
Irène Pissinger-Engelmann wurde am 27. Januar 1956 in Ettelbrück geboren. Nach der Grundschule in Vianden besuchte sie das Diekircher Lyzeum. Nach dem Abschluss auf der E-Sektion zog es die junge Frau zur Universität Metz und später an die „Université de Reims-Champagne-Ardenne“, wo sie ihren Abschluss in Philosophie machte. Sie arbeitete dann als freie Journalistin für die französischsprachige Tageszeitung Le Républicain Lorrain, die damals auch eine spezielle Ausgabe für Luxemburg und eine Redaktionsstube in der Hauptstadt Luxemburg hatte, wechselte dann zu RTL Radio und TV, arbeitete anschließend für den in der Zwischenzeit längst eingestellten Radiosender DNR (Den Neie Radio) bevor sie sich mit Nordliicht auf eigene Beine stellte.
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