Kasperls Großmutter saß in ihrem Garten und mahlte ihren Kaffee. Für die Großmutter war es eine ganz besondere Kaffeemühle, denn es war ein Geschenk von ihrem Enkel Kasperl und seinem Freund Seppel. Aber nicht nur das: Wenn man die Kurbel der Mühle drehte, erklang Großmutters Lieblingsmelodie „Alles neu macht der Mai“. Und weil der Großmutter dies so viel Freude machte, trank sie seitdem doppelt so viel Kaffee als früher. Gerade war sie dabei, die Mühle wieder aufzufüllen, da rief eine Stimme aus dem Gebüsch: „Her mit dem Ding!“. Es war die Stimme von Räuber Hotzenplotz, einer unheimlichen Gestalt mit struppigem Bart und großem Hut, der mit einer krummen Feder verziert war. In seinem Ledergürtel steckte ein Säbel und sieben Messer, er drohte mit einer Pistole in der rechten Hand. Der furchteinflößende Geselle nahm der Großmutter die geliebte melodieerzeugende Kaffeemühle ab und forderte sie dann auf, nicht zu langsam und nicht zu schnell bis 999 zu zählen. Das machte die alte Frau brav, allerdings verzählte sie sich einige Male und musste deshalb des Öfteren von vorne beginnen. Endlich bei 999 angekommen, stieß sie einen lauten Hilfeschrei aus. So beginnt das erste Kapitel des weltbekannten Kinderbuchs, das 1962 die Druckpressen verließ. Seither wurde die Geschichte millionenfach veröffentlicht und übrigens in 43 Sprachen übersetzt. Wie es in ihr weiterging? Kasperl und sein Freund Seppel nehmen gemeinsam mit Wachtmeister Dimpfelmoser die Verfolgung des Diebs auf. Doch leider werden sie von Hotzenplotz überlistet. Kasperl und Seppel landen in seiner Räuberhöhle. Doch Weiteres soll nicht verraten werden, das könnt ihr selbst herausfinden. Wer von den Älteren die Geschichte schon kennt, wird sich bestimmt erinnern. Da waren noch der mächtige Zauberer Petrosilius Zwackelmann, der die arme Fee Amaryllis in eine Unke verwandelt hatte und in einem Verlies seines düsteren Zauberschlosses gefangen hielt.
Otfried Preußler, der Autor des „Räuber Hotzenplotz“, hat eine ganze Vielzahl von Kinderbüchern geschrieben. Insgesamt sind es 52 Werke, von denen ihr vielleicht schon mal gehört habt oder die ihr vielleicht auch in eurem Bücherregal findet. Da sind „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“ oder auch „Kater Mikesch“. Sein erstes bekanntes Kinderbuch war übrigens „Der kleine Wassermann“. Es erzählt die Geschichte von einem lustigen kleinen Gesellen mit grünen Haaren und grünen Schwimmhäuten, der im Mühlenweiher mit seinem Freund, dem Karpfen Cyprinus, vielerlei Abenteuer erlebt. Die Geschichte schrieb Otfried Preußler bereits 1956. Damals war der Schriftsteller bereits 33 Jahre alt. Geboren wurde der weltbekannte Kinderbuchautor im Jahr 1923 im tschechischen Liberec. In dem Ort am Rande des Riesengebirges wohnten viele Deutsche, die nannten ihre Stadt Reichenberg. Otfrieds Eltern waren beide Lehrer. Sein Vater sammelte darüber hinaus viele Sagen und Geschichten aus der Heimat. Oft durfte der junge Otfried den Vater begleiten und erfuhr hier viele Erzählungen aus den dunklen Wäldern des Iser- und des Riesengebirges. In diesen Geschichten spielten Hexen, Geister, Räuber und Wassermänner immer wieder eine Rolle.
Auch die Großmutter Otfried Preußlers hatte ein unendlich großes „Geschichtenbuch“ in ihrem Kopf. Immer wieder erzählte sie dem Jungen Sagen und Abenteuer aus seiner Heimat – Erzählungen, die er sich merkte und später bei seinen Kinderbüchern verarbeitete. Dabei halfen ihm seine drei kleinen Töchter. Ihnen musste er zum Einschlafen Abend für Abend eine Geschichte erzählen – das „Büchermachen“ ging dann ganz einfach, er musste diese erzählten Geschichten nur noch aufschreiben. Dem kleinen Wassermann folgte die kleine Hexe und schließlich 1962 „Der Räuber Hotzenplotz“.
Gut war es, dass Otfried Preußler in seinem Geburtsort Liberec auch Tschechisch gelernt hatte, so konnte er im Jahr des Erscheinens vom Räuber Hotzenplotz auch das Kinderbuch des tschechischen Zeichners und Schriftstellers Josef Lada, „Kocour Mikeš“ ins Deutsche übertragen. Als die Geschichten vom „Kater Mikesch“ kam dieses Buch als Stück des Augsburger Puppentheaters als erstes Werk Otfried Preußlers ins Fernsehen.
Heute gibt es neben dem „Jubilar“, dem 60-jährigen Hotzenplotz, fast alle Bücher im Buchladen oder in Bibliotheken, schaut euch doch einmal um – und viel Spaß beim Lesen.
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