Die Prognosen des Statec sind nicht gerade erfreulich. Am Mittwoch hat die Luxemburger Statistikbehörde ihre „Prévisions d’inflation“ veröffentlicht, also eine Einschätzung, wie sich die Inflation in den kommenden Monaten entwickeln könnte. Die Ergebnisse des Papiers sind ernüchternd: Im mittleren Szenario wird noch in vierten Quartal dieses Jahres eine weitere Indextranche fällig – die dritte dieses Jahres. Im „Worst Case“ könnten bis Mitte 2023 drei Tranchen gefallen sein, die verschobene Juli-Tranche aus diesem Sommer nicht mitgerechnet.
Preistreiber sind für Statec die Unsicherheiten wegen des Ukraine-Krieges, der Lieferketten – und wegen der Versorgung mit Energie, vor allem Gas. „Die jüngste Reduzierung der Lieferungen aus Nord Stream 1, die derzeit mit 20 Prozent ihrer Kapazität operiert, erhöht die Gefahr einer Gasknappheit in Europa in diesem Winter.“ In seinem mittleren Szenario rechnet Statec mit einem Preisanstieg beim Gas von 90 Prozent bis zum kommenden Herbst und Winter. Selbst im niedrigen Szenario werden 60 Prozent mehr fällig. Und im schlimmsten Fall hält die Behörde eine Steigerung von 140 Prozent für möglich – im Vergleich zu diesem Sommer, in dem die Preise ohnehin bereits deutlich über dem Niveau vom Vorjahr liegen.
Zwölf „autorisierte Gasanbieter“ gibt es laut dem luxemburgischen Regulierungsinstitut ILR im Land. Sechs davon sind auf dem Endkundenmarkt tätig, fünf davon liefern an Privathaushalte. Der Transport des Erdgases geschieht über Pipelines. Es gibt einen Fernleitungsnetzbetreiber – Creos – und drei Verteilernetzbetreiber – Creos, SUDenergie und die Stadt Düdelingen. 2021 gab es insgesamt 3.429 Kilometer an Leitungen und 92.404 Anschlüsse, die 11.302 gewerbliche Kunden und vier Großkunden versorgten. Die vier Großkunden alleine verbrauchten im vergangenen Jahr 2.144 Gigawattstunden an Gas-Energie, also rund ein Viertel des gesamten Volumens. 539 Gigawattstunden wurden 2021 laut ILR von 61 Kunden für die Stromproduktion genutzt. Hinzu kommen 81.092 Haushalte mit einem Gasanschluss. Das sind rund 30 Prozent aller Haushalte in Luxemburg.
Das hierzulande verbrauchte Erdgas wird über Hochdruckleitungen aus Belgien und Deutschland importiert. 2021 kamen 6.874 Gigawattstunden aus Belgien und 1.780 aus Deutschland. Das belgische Gas kommt zu einem Großteil aus Norwegen und Großbritannien. „Der Rest wird als Flüssiggas über den LNG-Terminal Zeebrugge ins europäische Verbundnetz eingespeist“, wie das Energieministerium am Freitag auf eine Tageblatt-Anfrage antwortet. Die Herkunft des Flüssiggases sei dem Ministerium „nicht im Detail bekannt“. Es gäbe zwei „Eingangspunkte“ an der belgischen Grenze, in Petingen und in Winseler. Der Eintrittspunkt für das Gas aus Deutschland ist bei Remich. Es kommt laut der Bundesregierung zu 38,2 Prozent aus Russland.
Das Luxemburger Gasnetz zieht sich durch den kompletten Süden, den Osten mit Grevenmacher und bis nach Echternach, das Zentrum, die „Nordstad“ bis hin nach Wiltz. Auch nach Clerf führt ein Leitungsabzweig. „Der Erdgasmarkt ist durch eine vollständige Abhängigkeit vom Import gekennzeichnet“, schreibt das ILR. Nur das Biogas kommt aus dem Inland. Es stellte 2021 einen Anteil von 0,66 Prozent.
Spitzenreiter in Sachen Gasabhängigkeit in der EU ist Italien. 2020 machte Erdgas laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat 40,5 Prozent der insgesamt im Land verbrauchten Energie aus. In den Niederlanden waren es 37,6 Prozent. In Deutschland, wo mehrere Gaspipelines, die ihren Anfangspunkt in Russland haben, enden, stellte Gas im Jahr 2020 insgesamt 26,1 Prozent des Energiemixes.
Und Luxemburg? 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, verbrauchte das Land laut Eurostat 52.846 Gigawattstunden Energie. Davon wurden 3.744 Gigawattstunden (7 Prozent) aus erneuerbaren Quellen gewonnen, 34.304 Gigawattstunden (64,9 Prozent) aus Öl und 7.956 Gigawattstunden – 15,1 Prozent – aus Gas.
Eurostat berücksichtigt in seiner Statistik allerdings einen Faktor nicht: den Tanktourismus, der Luxemburgs Klimabilanz jedes Jahr aufs Neue verhagelt. Von den vielen Gigawattstunden Energie aus Ölprodukten wanderten laut Statec im Vor-Pandemie-Jahr 2019 sage und schreibe 19.769 in die Tanks von „Non-résidents“ – fast 58 Prozent. Eine Studie zum Kraftstoffverbrauch im Auftrag des Nachhaltigkeitsministeriums kam 2016 zum Schluss, dass 2012 sogar 75 Prozent des gesamten in Luxemburg verkauften Treibstoffs auf den „Export im Tank“ entfielen. Das Gros davon wurde übrigens nicht von Grenzgängern an der „Aire de Berchem“ erstanden oder von Zigarettenkäufern in Wasserbillig – sondern mit 71 Prozent von durchreisenden Lkws.
Wenn man den Gesamtölverbrauch wegen des Tanktourismus halbiert, verändert sich auch der Energiemix. Dann hätte Luxemburg im Jahr 2019 insgesamt nur 35.694 Gigawattstunden verbraucht. Aber der Anteil von Erdgas wäre auf 22,3 Prozent im Mix gestiegen. Damit hätte Luxemburg zumindest 2019 ein gutes Stück vorne bei den anteilsmäßig größten Gas-Verbrauchern in der EU gelegen. Auf Platz zwölf, sieben Plätze höher.
2,690 Gigawattstunden Gas verbrauchten die 81.029 Luxemburger Haushalte, die über einen Gasanschluss verfügen, im Jahr 2021. Das sind durchschnittlich 33.200 Kilowattstunden pro Haushalt. Bei einer Anschlussleistung von 25 Kilowatt – so viel benötigt laut der ILR-Preisvergleichsseite „Calculix.lu“ eine Zentralheizung mit Warmwasserbereitung – starteten die Lieferverträge für diese Menge am Freitag bei 3.100 Euro pro Jahr. Eine Kilowattstunde Gas kostet im günstigsten Tarif 6,79 Cent. Vor einem Jahr lag der Preis im gleichen Tarif bei 2,38 Cent.
„Es gibt momentan keinen Grund, anzunehmen, dass überhaupt kein Gas mehr geliefert wird“, erklärt das Energieministerium am Freitag gegenüber dem Tageblatt. Um eine „Gasmangelsituation“ zu vermeiden, sei es jedoch wichtig, Verbrauchsreduktionen zu erreichen. „Wenn es dennoch zu einer Gasmangelsituation kommen sollte, müssten Verbraucher ihren Konsum drosseln oder, wenn möglich, auf alternative Brennstoffe umswitchen, zum Beispiel Öl.“ Im schlimmsten Fall müssten gewerbliche oder industrielle Kunden abgeschaltet werden. „Der entsprechende Notfallplan wird aktuell überarbeitet.“
Maßnahmen des Energietisches
Auf dem „Energiedësch“ haben die Luxemburger Regierung und Unternehmen aus dem Energiesektor Ende Februar verschiedene Maßnahmen vereinbart, die die Haushalte vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise entlasten sollen. So will der Staat für dieses und nächstes Jahr die Netzkosten beim Gas übernehmen. Den Strompreis will die Regierung durch eine Erhöhung des staatlichen Beitrages zum Ausgleichsmechanismus für den Ausbau erneuerbarer Energien stabilisieren. Auch die Heizölpreise wie die Kraftstoffpreise wurden gesenkt. Benachteiligte Haushalte sollen zudem eine Energieprämie von zwischen 200 und 400 Euro erhalten. Die Maßnahmen sollen mit 75 Millionen Euro im Staatshaushalt zu Buche schlagen.
"Die Maßnahmen sollen mit 75 Millionen Euro im Staatshaushalt zu Buche schlagen"
Und die Mehreinnahmen durch erhöhte Mehrwertsteuer???
Die Herkunft des Flüssiggases sei dem Ministerium „nicht im Detail bekannt“.
Wat hun mir do e Jickeklup vun Gambia wessen emol net wo dat Gas hierkennt