Die Bevölkerung des imaginären fränkischen Örtchens bildet den Chor zu einem Drama, das sich unter der Oberfläche eines humoristischen Krimis abspielt. Der neue Fall kommt dem Polizeikommissar Rambichler gerade recht, ist er doch wegen seiner Assistentin Astrid in eine emotionale Schieflage geraten. Unüberbrückbare Differenzen hat sie festgestellt beim Abschied in den Selbstfindungsurlaub bei irgendeinem Guru-Fuzzi aus Österreich. Und da hilft es nicht viel, wenn seine Eltern Druck machen bis Ultimo. Ja, ja, hol sie zurück, zeig ihr, dass du sie liebst, steh zu deinen Gefühlen etc. bla bla … Zwischen diesen beiden Polen – Mordermittlungen zum einen, emotionale Turbulenzen zum anderen – switcht die Handlung in Anja Bogners Kriminalroman „Bülent Rambichler und der verliebte Bulle“ recht unterhaltsam hin und her. Wie bei Provinzkrimis üblich, wird auch hier nicht mit Lokalkolorit gegeizt. Die russische Ex-Prostituierte mit einem Herz aus Gold darf ebenso wenig fehlen wie ein Landfrauengeschwader im Sturzflug – und den Pfarrer aus Indien nicht vergessen! Dessen Denglisch wird von den Ortsansässigen mit einem Langmut ertragen, dass man sich schon fragen kann, wie die denn wirklich gestrickt sind? Doch schauen wir nun unter die Oberfläche. Dort heißt es dann eigentlich immer nur Bülent, Bülent, Bülent … Er steht mit seinen Wehwehchen und seiner Seelenpein im absoluten Mittelpunkt der Handlung. Ohne ihn geht gar nichts. Und mit ihm eigentlich auch nicht viel. Von allen Seiten bekommt er Zunder, vom gut gebauten Stenz der beiden früheren Romane der Autorin ist eigentlich nur noch ein Schatten seiner selbst übrig geblieben. Und so kann man „Bülent Rambichler und der verliebte Bulle“ auch als eine Geschichte vom Niedergang und der Wiedergeburt einer, nun ja: literarischen Figur inmitten eines Sumpfs bestehend aus Stereotypen lesen. Wobei die Sehnsucht nach positiv besetzten Charakteren federführend gewesen sein muss. Denn Mannsbild soll er schon noch sein, ein gestandenes, wo ordentlich Druck hinter ist. Nur eben selbstkritisch und sein Gegenüber sehend statt immer nur den Helden markierend. Und die Frauen? Was ist beispielsweise mit Astrid? Wie wird sie auf den rundum erneuerten Bülent Rambichler reagieren? Wird das Gegrübel des neuen Mannes nicht irgendwann zu waschlappig rüberkommen? Der nächste Roman von Anja Bogner wird auf solche Fragen vielleicht Antworten geben.
thk
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können