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ChamberPetitionen auf Rekordjagd: Imposanter Anstieg im vergangenen Parlamentsjahr

Chamber / Petitionen auf Rekordjagd: Imposanter Anstieg im vergangenen Parlamentsjahr
Nancy Kemp-Arendt, Präsidentin der Petitionskommission, und Chamber-Präsident Fernand Etgen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Das Parlamentsjahr 2021/2022 hat in Sachen Petitionen alle Rekorde gebrochen. Noch nie wurden so viele eingereicht, noch nie schafften so viele den Sprung über die 4.500er-Schwelle und noch nie sammelte eine einzelne so viele Unterschriften.  

Das Ende der Fahnenstange ist zudem noch nicht erreicht. Petition 2383 ist noch 34 Tage freigeschaltet und könnte das bisher erfolgreichste Gesuch seit der Einführung der Petitionen im Jahr 2014 werden. Am Mittwoch totalisierte die Forderung nach zwei Tagen Homeoffice pro Woche bereits fast 13.000 Unterschriften, dabei ist sie erst seit einer Woche freigeschaltet. Zur Erinnerung: Eine Petition hat sechs Wochen Zeit, um 4.500 Unterschriften zu sammeln, damit es zu einer Debatte im Abgeordnetenhaus kommt. Der bisherige Rekord stammt ebenfalls aus diesem Parlamentsjahr, als die Forderung nach einem Referendum über die Verfassungsreform 18.645 Unterstützer fand. 

„Das Petitionsrecht wird in Luxemburg mehr denn je genutzt. Es ist der Ausdruck einer lebendigen Demokratie“, sagte Nancy Kemp-Arendt, die Präsidentin des zuständigen Parlamentsausschusses, bei der Vorstellung der Bilanz der letzten zwölf Monate am Mittwoch. Die Zufriedenheit darüber stand der CSV-Abgeordneten förmlich ins Gesicht geschrieben: „Die Petitionen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Man merkt sofort, wo der Schuh drückt.“ Übergeordnetes Thema war die Gesundheit mit einem Anteil von fast 20 Prozent aller eingereichten Petitionen. Dabei ging es nicht nur, aber hauptsächlich um die Pandemie. Drei Parlamentsdebatten aus diesem Bereich (Keine Impfpflicht über 50 Jahre, Rückerstattung der Arztkosten bei Konsultation von Psychologen, Ausbau der Kinder-Onkologie) stehen noch aus und finden im Herbst statt. Immer wichtiger werden momentan auch die Themen Arbeit und vor allem Finanzen. „Man merkt, dass die Menschen sich Sorgen machen, über die Runden zu kommen“, so Kemp-Arendt. 

Das sind Petitionen

Seit März 2014 gibt es in Luxemburg die Möglichkeit, Petitionen einzureichen. Eine öffentliche Petition muss in sechs Wochen 4.500 Unterschriften sammeln, damit es zu einer öffentlichen Debatte im Parlament kommt. Eine Reihe von Bedingungen müssen erfüllt werden, um eine Petition vorlegen zu können. Der Antragsteller muss mindestens 15 Jahre alt sein und eine luxemburgische Sozialversicherungsnummer haben. Die Petition muss in einer der drei Amtssprachen verfasst werden. Auch inhaltlich müssen Voraussetzungen beachtet werden: Das Ersuchen muss von allgemeinem Interesse und auf Luxemburg bezogen sein. Persönliche Bezüge dagegen müssen vermieden werden, weshalb der Antrag auch nicht in der Ich-Form geschrieben sein sollte. Und natürlich darf der Antrag keine falschen Behauptungen bzw. Zahlen enthalten oder gar rassistisch, sexistisch, homophob oder sonst wie diskriminierend sein. Zudem sollte der Titel so kurz und präzise wie möglich gehalten werden und keine Namen beinhalten. Oft können Petitionsanträge wegen Formfehlern nicht angenommen werden. Der Petent bekommt dann die Möglichkeit, seinen Antrag neu zu formulieren. Erst nachdem die Petitionskommission und anschließend noch die Präsidentenkonferenz des Parlaments grünes Licht gegeben haben, wird eine Petition online freigeschaltet. Neben einer öffentlichen Petition gibt es auch die Möglichkeit, eine einfache Petition (ohne Unterschriften) einzureichen. Es handelt sich dabei um ein Anliegen oder einen Vorschlag, der nach Prüfung durch die Kommission direkt an den zuständigen Minister oder den jeweiligen Parlamentsausschuss weitergeleitet wird.
Gesamtzahl freigeschalteter Petitionen (seit 2014): 2.084 (davon 1.935 öffentliche und 149 einfache) 
Öffentliche Debatten: 54

Insgesamt schafften seit September 2021 14 Petitionen die Schwelle der 4.500 Unterschriften, wobei noch vier Petitionen hinzukommen dürften. Während zwei noch laufende Ersuche bereits die 4.500 Unterschriften überschritten haben (neben der Forderung nach zwei Tagen Homeoffice pro Woche auch noch die 35-Stunden-Woche mit über 6.100 Signaturen bei acht ausstehenden Tagen), warten zwei weitere auf ihre Validierung: Petition 2332 für neun Monate Elternurlaub (5.098 Unterschriften) und Petition 2309 für die Rückerstattung der Kosten bei Konsultationen von Psychologen. In der Tat werden nach Ablauf einer Petition die Unterschriften auf ihre Zulässigkeit geprüft (siehe Kasten). Um diesen Prozess einfacher zu gestalten, wird momentan bei den Verantwortlichen darüber nachgedacht, die Sozialversicherungsnummern beim Unterschreiben angeben zu müssen. „Da sind allerdings noch viele Fragen offen, u.a. die des Datenschutzes“, sagte Nancy Kemp-Arendt. „Ich persönlich fände es allerdings schade, wenn dadurch weniger Menschen unterschreiben würden.“

Substanzielle Steigerung

2021/2022 wurden 428 öffentliche Petitionen eingereicht (Vorjahr 271). Davon erhielten 231 (159) von der zuständigen Parlamentskommission grünes Licht. Letzte Hürde vor einer Freischaltung einer Petition ist die Präsidentenkonferenz. Und die lehnte eine Petition ab, die zuvor von der Kommission durchgewunken wurde. Dabei ging es um die Forderung nach einem Rücktritt von Premier Xavier Bettel (DP) wegen seiner Plagiatsaffäre. Nachdem die Kommission vom Petent eine Neuformulierung verlangt hatte und dieser den Namen des Premiers aus dem Titel der Petition genommen und sie in eine Forderung nach dem Rücktritt der gesamten Regierung umgewandelt hatte, stoppte die Präsidentenkonferenz das Anliegen. Neben den öffentlichen gibt es auch die Möglichkeit der einfachen Petitionen. Hiervon machten 49 Menschen in der vergangenen Parlamentssession Gebrauch, gegenüber 14 im Vorjahr.  

Zehn öffentliche Debatten fanden statt (Vorjahr 6). Zwei Petenten zogen ihre Ersuchen zurück, legten also keinen Wert auf eine Diskussion im Parlament. Seit der Einführung der Petitionen gab es insgesamt 54 Debatten. Dass es immer mehr werden und es mitunter schwierig ist, einen Termin zu finden, stört Nancy Kemp-Arendt weniger. „Ich bin froh, wenn der Bürger eine Stimme hat. Wenn das bedeutet, dass es vier oder fünf weitere Debatten im Jahr gibt, dann ist das eben die Arbeit der Abgeordneten“, so die Kommissionspräsidentin auf die Frage, ob die 4.500er-Schwelle nicht angehoben werden müsste. Ebenfalls macht Kemp-Arendt darauf aufmerksam, dass eine Petition nicht unbedingt die Schwelle überschreiten müsse, damit etwas geschehe, und nannte dabei eine ganze Reihe von Beispielen an Anliegen aus Petitionen, die vom Abgeordnetenhaus umgesetzt wurden. Andersherum ist eine öffentliche Debatte über eine Petition keine Garantie, dass sich etwas ändere.

Anfang März war es bei der letzten Debatte über Corona-Maßnahmen zum Eklat gekommen, als die Abgeordneten nach einem Holocaust-Vergleich den Saal verließen. Auch waren Mitte Januar zwei Petitionen im Abgeordnetenhaus diskutiert worden, bei denen die Petenten kaum zu Wort kamen. Die Bühne wurde den Begleitern überlassen, die sich größtenteils aus vermeintlichen Experten aus dem Ausland zusammensetzten. Sie verbreiteten dabei fragwürdige Informationen zum Coronavirus. Sven Clement (Piraten) hatte die Debatten gegenüber dem Tageblatt als „eine Tribüne für Fake News“ bezeichnet. Seitdem gibt es neue Regeln bei den Debatten, zum Beispiel muss der Petent das Hauptwort führen. 

Die Top 5 des Parlamentsjahrs 2021/2022

1. „E Referendum iwwert ons Verfassung“,18.645 Unterschriften
2. „Pétition contre la vaccination obligatoire Covid-19 pour les citoyens“, 11.456  Unterschriften
3. „Pétition contre l’obligation de présenter le Covid Check dans les institutions publiques et les entreprises privées“, 6.017 Unterschriften
4. „Pour un référendum pour l’interdiction du pass sanitaire“, 5.892 Unterschriften
5. „Egalisation des mesures ,CovidCheck‘ à l’ensemble de la population“, 5.807 Unterschriften
Noch nicht abgeschlossen (Stand Mittwoch, 13.00 Uhr):
– „2 jours de télétravail par semaine pour tous, y compris les frontaliers“ (noch 35 Tage), 12.651 Unterschriften
 – „Pour une semaine de 35 heures de travail à temps plein“ (noch neun Tage), 6.133 Unterschriften

 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante